Geplante Räumung von Lützerath: Bürgermeister bleibt bockig
Die widerständige CDU ignoriert jetzt auch eine behördliche Weisung: Die Pläne zur Räumung von Lützerath verhaken sich weiter.
Die geplante Räumung ist Teil der Einigung der grün geführten Wirtschaftsministerien im Bund und in Nordrhein-Westfalen mit dem Kohlekonzern RWE von Anfang Oktober. Danach wird der Kohleausstieg im Rheinischen Revier auf 2030 vorgezogen. Fünf Orte in der Region werden nicht abgebaggert, Lützerath soll aber weichen.
Muckel hatte am Dienstag eine ordnungsbehördliche Weisung der Bezirksregierung Köln erhalten, weil er vorher nicht von sich aus die Polizei um Amtshilfe bitten wollte. Seine Reaktion: Das mache ich weiterhin nicht. „Ich bin der Auffassung, dass bundes- und landespolitische Entscheidungen zur bundesweiten Energieversorgung auch dort vollzogen werden müssen, wo sie getroffen werden“, zitiert ihn die Rheinische Post. „Wenn Sie ungebetene Gäste in Ihrem Garten haben, dann rufen Sie doch auch nicht den Bürgermeister an, sondern die Polizei.“ Und er verweist auf einen Beschluss des Erkelenzer Stadtrats von 2021, wonach „jeder erhaltene Quadratmeter Erkelenzer Land ein guter Quadratmeter ist.“ Jetzt droht Muckel ein Disziplinarverfahren, das sogar eine Amtsenthebung nach sich ziehen könnte.
Am Zug ist nun der Kreis Heinsberg als übergeordnete Behörde. Dessen Landrat, Stephan Pusch (ebenfalls CDU), bekannt geworden durch Medienauftritte aus den Anfängen der Corona-Pandemie, hat zwei Optionen: Er kann selbst die Räumung Lützeraths einleiten oder sich ebenfalls verweigern. Bei einem Nein droht auch ihm ein Disziplinarverfahren. Ob die Bezirksregierung Köln dann selbst im Auftrag des Landes NRW die Räumung starten könnte, ist rechtlich noch unklar. Lützerath ist zu juristischem Neuland geworden.
Räumung ab Januar
Die Aachener Polizei bereitet sich unabhängig vom behördlichen Tohuwabohu auf einen „mehrwöchigen Einsatz“ ab Januar vor mit vermutlich Tausenden Einsatzkräften. Die Räumung wird kaum vor Ende der Winterferien rund um den 10. Januar starten – auch PolizistInnen haben Ferien. Ab 16. Februar ist Straßenkarneval im Rheinland, da werden viele Beamte gebraucht. Das Zeitfenster ist also eng.
RWE darf im Tagebau Garzweiler bis 2030 etwa 280 Millionen Tonnen Kohle verbrennen. Am 28. Februar muss eine Rodung des Gebiets aus Naturschutzgründen abgeschlossen sein. Sonst ist Pause. Das kleine Lützerath ist der letzte Ort, der im Weg steht. Hier leben etwa 100 bis 150 BesetzerInnen. Mittlerweile 11.500 Menschen haben unterschrieben, sich einer Räumung entgegenzustellen, zu -setzen oder zu -kleben.
Schon 2018 bei der Räumung des Hambacher Waldes hatte es unterschiedliche Auffassungen über die Zuständigkeit für den Einsatz gegeben. Die Stadt Kerpen hatte erst nach einer offiziellen Anweisung der Landesregierung („Brandschutz“-Vorwand) den Polizeieinsatz widerwillig erbeten. 2021 hatte das Verwaltungsgericht Köln den Einsatz für rechtswidrig erklärt und die Stadt Kerpen sich danach per Stadtratsbeschluss geweigert, Revision einzulegen. Auch hier kam die Weisung aus Düsseldorf, das zu tun. Das Verfahren ist vor dem OVG Münster noch anhängig.
Erwartungsgemäß hat die zuständige Bergbaubehörde in dieser Woche den Hauptbetriebsplan für den Tagebau Garzweiler zunächst bis 2025 durchgewunken, der alte läuft zum Jahresende aus. RWE hat am vergangenen Dienstag die Stromleitungen nach Lützerath gekappt, angeblich „wegen Rückbauarbeiten im Vorfeld des Tagebaus“, so RWE. Die BesetzerInnen nennen das rechtswidrig, jede und jeder habe einen grundsätzlichen Anspruch auf Versorgung. Ersatzweise haben sie reihenweise neue Solarpaneele über Spenden besorgt und auf den südlichen Wiesen aufgestellt. Wird wohl alles zu Klump gehauen, schrieb eine Aktivistin, sobald die Polizeikräfte anrücken. Aber da ist noch die lokale CDU-Politik vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid