Gentechnik in Argentinien: Hitze, Inflation und der Genweizen
In Argentinien sind Anbau und Vertrieb von Genweizen seit Mai 2022 erlaubt. Jetzt weiß in der Bäckerei niemand mehr, was eigentlich im Brot steckt.
N eulich in Buenos Aires an der Brottheke. „Ist da gentechnisch veränderter Weizen drin?“, fragt eine junge Mutter. Sie hat gehört, dass gentechnisch veränderter Weizen jetzt zum Verzehr zugelassen ist, und das will sie nicht. Auf der anderen Seite der Theke: ratlose Gesichter. „Das kann ihnen niemand sagen“, antwortet ein aufmerksamer Mann hinter ihr. „Bei uns gibt es keine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Zutaten.“ Seit Jahrzehnten werden etwa gentechnisch veränderter Mais und Soja still und leise für die Herstellung von Lebensmitteln verwendet. Und so soll es auch mit gentechnisch verändertem Weizen sein.
Im Februar gab das Gentech-Unternehmen Bioceres öffentlich bekannt, dass sein Genweizen schon seit einiger Zeit in den menschlichen Verzehr gelangt. Seit der staatlichen Zulassung des gentechnisch veränderten Weizens im Mai 2022 werde der HB4-Weizen gemahlen und mit anderem konventionellen Weizen vermischt, so das Unternehmen. „Wir arbeiten mit mehr als 25 Mühlen zusammen, und die Kommerzialisierung des HB4-Weizens verläuft reibungslos“, sagte Bioceres-Mitarbeiter Ezequiel Bosch.
Beim sogenannten HB4-Weizen wurde ein Sonnenblumengen in das Weizengenom eingefügt. Damit können die Pflanzen eine längere Trockenperiode überstehen als herkömmlicher Weizen. Bioceres ist das einzige Unternehmen, das das HB4-Saatgut herstellt, bei dessen Anbau das Herbizid Glufosinat-Ammonium verwendet wird, das als giftiger gilt als Glyphosat. Waren es bei der Ernte 2021 erst 6.000 Hektar, wurden 2022 bereits 52.755 Hektar damit bestellt und 124.000 Tonnen des HB4-Weizens geerntet. Trotz gerichtlicher Klagen und einer einstweiligen Verfügung.
Weder Kontrolle noch Inspektion erforderlich
Bis Mai 2022 kontrollierte das Nationale Saatgut-Institut (Inase), dass HB4-Weizen nicht mit anderem konventionellen Weizen vermischt wird. Nachdem das Landwirtschaftsministerium die Kommerzialisierung des transgenen Weizens genehmigte, war damit Schluss. „Seitdem ist keine Kontrolle oder Inspektion mehr erforderlich, da er ohne Einschränkungen produziert und vermarktet werden kann“, erklärte das Institut.
Richtig verärgert reagierte die Gesellschaft für Ernährung und echte Lebensmittel (Sanar). „Da werden Innovationen in der Lebensmittelindustrie kommuniziert, aber sie zielen nicht darauf ab, die Qualität der Lebensmittel zu verbessern oder auch nur irgendeine Art von Kontrolle hinzuzufügen“, sagt Ignacio Porras von Sanar. Anstatt die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, stelle die Regierung Geschäftsinteressen in den Vordergrund.
2022 hatte sich der Brotpreis mehr als verdoppelt. Und so geht es weiter. Im Februar lag die Inflationsrate für Lebensmittel und Getränke bei 9,8 Prozent. Für das laufende Jahr wird eine Rate im dreistelligen Bereich und damit ein weiterer Kaufkraftverlust gerade der unteren Einkommen erwartet. 40 Prozent der 46 Millionen Argentinier*innen leben unterhalb der Armutsgrenze.
Schlechte Ernte erwartet
Doch nicht nur die Inflation spielt Bioceres in die Karten. Buenos Aires erlebt den heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1906, und für das ganze Land ist es der heißeste Sommer seit 1961. Trockenheit und Wassermangel machen der Landwirtschaft schwer zu schaffen. Fast jede Woche wird die Prognose für die Weizenernte nach unten korrigiert. Statt der 23 Millionen Tonnen Weizen, die in der letzten Ernte eingefahren wurden, werden bei der im April beginnenden Ernte nur noch 11,5 Millionen Tonnen Weizen erwartet, schätzt aktuell die Getreidebörse in Rosario.
Bei solch düsteren Aussichten hat Bioceres leichtes Spiel. „Wir sehen eine klare Akzeptanz durch die Verbraucher. Natürlich gibt es immer laute Minderheiten“, sagt Bioceres-Mitarbeiter Ezequiel Bosch. An der Brottheke sind die Gespräche verstummt. Eine frustrierte Hilflosigkeit macht sich breit. Manche wollen ab jetzt in die Biobäckerei gehen. Aber wie viele das wirklich machen, wird sich zeigen.
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