Pestizide in der Landwirtschaft: 2,5-mal höheres Sterberisiko

Hat Argentiniens Landbevölkerung ein höheres Krebsrisiko? Eine Studie in acht Dörfern hat das untersucht – das Ergebnis fällt eindeutig aus.

Sojabohnenernte auf den Feldern der Provinz Santa Fe

Sojabohnenernte auf den Feldern der argentinischen Provinz Santa Fe Foto: Patricio Murphy/Zuma/imago

Buenos Aires taz | Besteht für Argentiniens Landbevölkerung durch den Einsatz von Pestiziden ein höheres Krebsrisiko? Eine Studie in acht Dörfern in der argentinischen Provinz Santa Fe bestätigt negative Auswirkungen von Pestiziden auf die Gesundheit, insbesondere Krebs.

So haben junge Menschen aus pestizidbelasteten Gebieten ein 2,5-mal höheres Risiko, an Krebs zu sterben, als diejenigen, die weit entfernt von Gebieten leben, in denen Agrochemikalien eingesetzt werden.

Die Studie mit dem sperrigen Titel „Krebsinzidenz und Sterblichkeitsraten in argentinischen ländlichen Gebieten, die von mit Pestiziden behandelten landwirtschaftlichen Flächen umgeben sind“, wurde von For­sche­r*in­nen des Instituts für soziale Umweltgesundheit (InSSA) am Medizinfachbereich der Universität von Rosario vorgestellt und im Januar in der US-amerikanischen Fachzeitschrift Clinical Epidemiology and Global Health veröffentlicht.

Die For­sche­r*in­nen befragten 27.644 Personen (68 Prozent der Dorfbewohner*innen), die bis zu 400 Meter von den Feldern entfernt leben, auf denen gesprüht wird. Die Region im Süden der Provinz Santa Fe gehört zu den wichtigsten Anbauregionen für Sojabohnen, Sonnenblumen, Weizen und Mais.

Einsatz von Chemie stieg mit Anbau von Gen-Soja

Ein Vergleich der gewonnenen Daten mit den Daten des Landes zur Krebsinzidenzrate ergab signifikant höhere Werte für die Bevölkerung in Dörfern, die Pestiziden ausgesetzt sind. Dasselbe gilt für den zahlenmäßigen Vergleich der Krebstodesfälle pro 100.000 Einwohner in der Altersgruppe zwischen 15 und 44 Jahren sowie für den Anteil der Krebstodesfälle im Verhältnis zu anderen Todesursachen in derselben Altersgruppe.

Die Daten wurden zwischen 2014 und 2018 im Rahmen sogenannter Sanitärcamps erhoben, bei denen Studierende fünf Tage lang medizinische Erhebungen und epidemiologische Untersuchungen in Orten in den Provinzen Santa Fe, Buenos Aires und Entre Ríos mit weniger als 10.000 Ein­woh­ne­r*in­nen durchführten.

Sie waren 2010 eingerichtet worden, um direkte Erhebungen unter der ländlichen Bevölkerung durchzuführen und so zuverlässige Daten zu erhalten. Die Camps sind Teil der Abschlussprüfung der Medizinstudierenden an der Universität Rosario und die Ergebnisse werden vom InSSA präsentiert.

Seit 1996 erlaubt Argentinien den Anbau von gentechnisch verändertem Sojasaatgut. Das war der Startschuss für eine auf dem Einsatz von Glyphosat und zahlreichen anderen Agrochemikalien basierende Landwirtschaft, die heute fast die gesamte landwirtschaftliche Fläche bedeckt, auf der jährlich Millionen von Litern an Pestiziden durch Sprühfahrzeuge oftmals in unmittelbarer Nähe zu den Wohngebieten ausgebracht werden.

Politik leugnet gesundheitliche Folgen von Pestiziden

Die gesundheitlichen Folgen für die Landbevölkerung werden vom großen Teil der offiziellen und oppositionellen Politik in trauter Eintracht mit der Agrarlobby heruntergespielt.

Das InSSA ist eine der wenigen akademischen Einrichtungen in Argentinien, die sich kritisch mit der agroindustriellen Landwirtschaft und den Einsatz von Agrarchemikalien auseinandersetzen – und ein Dorn im Auge der Agrarlobby. 2019 strich die neue Leitung der Medizinischen Fakultät die Gesundheitscamps, die die Daten zur Studie erhob, aus dem universitären Lehrplan. Das verhindert jedoch nicht, dass die Daten weiterhin ausgewertet und veröffentlicht werden.

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