piwik no script img

Geheimtreffen mit RechtsextremenAfD-Kader diskutieren Vertreibungen

Einflussreiche AfD-Politiker sollen mit Rechtsextremen einen Plan für rassistische Massenvertreibungen diskutiert haben. „Correctiv“ berichtet darüber.

Bisher nur in Teilen als rechtsextrem eingestuft: Jetzt sollen AfDler Massenvertreibungen geplant haben Foto: Carsten Koall/dpa

Berlin taz | Bei einem geheimen Treffen sollen einflussreiche AfD-Politiker*innen mit Rechtsextremen einen rassistischen Plan für massenhafte Vertreibungen von Deutschen mit Migrationshintergrund diskutiert haben. Das geht aus einem Bericht des Recherchezentrums Correctiv hervor, der am Mittwoch Details des konspirativen Treffens enthüllte. Auch der persönliche Referent der AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel war mit dabei. Der Recherchebericht zeigt auf, wie rassistische und verfassungswidrige Vorstellungen bis in die Spitze der Bundes-AfD reichen.

Das Treffen habe Ende November in einem Hotel in Potsdam stattgefunden. Laut dem Bericht stellte Martin Sellner, ein langjähriger Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB), dort einen „Masterplan“ zur „Remigration“ vor, bei dem es um die massenhafte Ausbürgerung und Vertreibung von Deutschen mit Migrationshintergrund ging. Das beträfe Millionen von Menschen.

Die anwesenden Po­li­ti­ke­r*in­nen sollen sich während des Treffens mit dem Konzept einverstanden gezeigt haben. Sie hätten diskutiert, wie genau sie diese Strategie gemeinsam in die Tat umsetzen wollten, sollte die AfD in Regierungsverantwortung gelangen.

Umgesetzt werden solle der Plan demnach auch mit Hilfe eines „Musterstaates“ in Nordafrika. In ein solches Gebiet, in dem bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten, wolle man Menschen bewegen. Auch Menschen, die sich in Deutschland für Geflüchtete einsetzen, könnten dorthin gebracht werden, soll Sellner gesagt haben.

Journalisten recherchierten undercover

Das Rechercheteam von Correctiv hat das Treffen nach eigenen Angaben vor Ort undercover mit Kameras dokumentiert. Ein Reporter sei unter anderem Namen in demselben Hotel eingescheckt. Mehrere Quellen hätten zudem die Aussagen der Teilnehmenden des Treffens glaubhaft wiedergegeben. Einige Dokumente seien auch von Greenpeace zur Verfügung gestellt worden.

Die Enthüllungen könnten die Diskussionen um ein Parteiverbot der AfD weiter beleben. Die drei AfD-Landesverbände Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen gelten den Verfassungsschutzämtern bereits als „gesichert“ rechtsextrem, ebenso der Bundesverband der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“. Zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ gilt von Seiten der AfD eigentlich offiziell ein „Unvereinbarkeitsbeschluss“, seit Jahren findet aber dennoch eine rege Zusammenarbeit statt.

Eingeladen in das Potsdamer Hotel hat laut der Recherche unter anderen der ehemalige Mitbesitzer der Bäckerei-Selbstbedienungs-Kette „Backwerk“, Hans Christian Limmer. Er ist heute einer der Eigner der Restaurant-Franchisemarke „Hans im Glück“. Limmer bestritt die Vorwürfe gegenüber den Journalisten und erklärte, er sei an der Planung nicht beteiligt gewesen. Auch würde er „immer widersprechen“, wenn jemand „deutsche Staatsangehörige als Staatsbürger zweiter Klasse behandeln wollte“.

Bei dem Treffen sollte es wohl auch um die Sammlung von Spenden für ein „exklusives Netzwerk“ gehen, um rechte Politik zu fördern. Neben Rechtsextremisten wie Sellner oder dem verurteilten Gewalttäter Mario Müller nahmen laut dem Bericht auch Ver­tre­te­r*in­nen vermeintlich bürgerlicher Vereine daran teil. So sei unter anderem Silke Schröder aus dem Vorstand des Vereins Deutscher Sprache dabei gewesen, ebenso wie Ulrich Vosgerau, ehemaliges Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung sowie CDU-Politiker*innen der rechten „Werteunion“.

Weidel-Vertrauter zeigt sich als Sellner-Fan

Unter den Teilnehmenden zählt der Bericht zudem mehrere Ver­tre­te­r*in­nen aus AfD-Landesverbänden auf, die bislang noch nicht vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurden: darunter Tim Krause, AfD-Vorsitzender im Kreis Potsdam, und Gerrit Huy, AfD-Bundestagsabgeordnete aus Bayern.

Auch Roland Hartwig, der persönliche Referent der AfD-Bundeschefin Alice Weidel, war in dem Hotel in Potsdam dabei. Hartwig hat laut Correctiv Einfluss auf höchste Entscheidungsebenen der AfD. Er habe sich in der Runde als Fan des Rechtsextremen Sellner bezeichnet und auf dessen rassistischen Vertreibungs- und Ausbürgerungspläne Bezug genommen. Hartwig sagte der Correctiv-Recherche zufolge bei dem Treffen zu, die inhaltlichen Pläne des Treffens in die Partei zu tragen.

Auch die Bundestagsabgeordnete Huy befürwortete demnach derartige „Remigrations“-Pläne. Der ebenfalls anwesende AfD-Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalts, Ulrich Siegmund, habe ergänzt, dass man in seinem Bundesland dafür sorgen müsse, dass es „für dieses Klientel möglichst unattraktiv zu leben“ werde.

Correctiv erklärte, viele der Teil­neh­me­r*in­nen zu ihren Aussagen konfrontiert zu haben. Siegmund habe in seiner Antwort betont, er sei als „Privatperson“ bei dem Treffen gewesen und wolle Menschen „nicht gesetzeswidrig ausweisen“. Martin Sellner sowie der AfD-Politiker Hartwig und die AfD-Abgeordnete Huy antworteten den Journalisten bis zur Veröffentlichung nicht auf die Fragen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

28 Kommentare

 / 
  • Es ist mittlerweile unerträglich zu hören diese verzweifelten Fragen danach, wann die AfD-Wähler endlich aufwachen würden! Ich gehe davon aus, dass mindestens 80% der jetzigen AfD-Wähler mit solchen rassistischen Massenvertreibungen völlig einverstanden sind! Und selbst bei einem AfD-Verbot würden diese Wähler zu irgendeiner der unzähligen Ersatzparteien springen, die es schon gibt oder sich grade gründen! Die mittlerweile 10-jährigen Diskussionen dazu in unseren linken Stuhlkreisen, wie auch in liberalen Zusammenhängen haben absolut nichts gebracht und die Situation nur noch verschlimmert! Der rassistische Bodensatz in unserer Gesellschaft ist erheblich größer geworden in den letzten 10 Jahren, insbesondere durch rechtsextreme Vorfeldorganisationen, die meistens völlig ungehindert agieren können und deren Zielgruppe vorwiegend in konservativen Medien die Kommentarspalten überfluten! Keine soziale Gruppe hat die Möglichkeiten des sogenannten "Internet Trolls" mehr perfektioniert als die rechtsextreme Szene! Nur eine sozial-mediale Massenbewegung außerhalb der eigenen linken und liberalen sozialen Blase könnte evtl. noch schlimmeres verhindern!

  • Umgesetzt werden solle der Plan demnach auch mit Hilfe eines „Musterstaates“ in Nordafrika. In ein solches Gebiet, in dem bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten, wolle man Menschen bewegen. Auch Menschen, die sich in Deutschland für Geflüchtete einsetzen, könnten dorthin gebracht werden, soll Sellner gesagt haben.

    Gruselig. Auf welchem Staatsgebiet soll denn dieser Musterstaat entstehen? Das wäre ja wohl nur militärisch durchsetzbar, zumindest glaube ich nicht, dass ein Staat in Afrika freiwillig Land abgibt. Das ganze ist so absurd, dass man nicht glauben kann, das sowas auch nur diskutiert wird - auch in rechten Kreisen.

  • Dabei könnten sie sich ja selber mit Spendengeldern einen netten Landstrich in Afrika anmieten und die Diskussion ganz ungestört dort fortführen. Wir erziehen uns in der Zeit zu besseren Wählern um. Wahlen sind keine Schachtel Pralinen aber wenn jede Sorte eklig ist, wan dann? Popcorn oder Chips?

  • Der "Arier*innennachweis" feiert fröhliche Urständ!

    Trotzdem frage ich mich: Wie soll diese Aktion technisch umgesetzt werden: Soll es ein in Nordafrika angesiedeltes "Internierungslager" werden? Oder wer soll der Souverän dieses Gebiets sein? Drücken wir irgendeinem Despoten in Nordafrika Geld in die Hand, damit er uns den Gefallen tut und diesen 'Staat" einrichtet sowie die "Insass*innen hütet" und versorgt, oder sollen sie ihrem Schicksal überlassen werden? Da zahlreiche eingebürgerte Deutsche ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit aufgegeben haben, sind sie bei Wegfall des deutschen Passes staatenlos; welches Land nimmt sie dann auf?

    Wer bei solchen Plänen nicht hellwach wird, hat es bei mir versch...erzt. Ich spreche mich deshalb für die Prüfung eines Verbots der AfD und anderer nahestehender Gruppierungen aus.

  • Ach du Sch...



    Von der moralischen bzw. geistigen Qualität dieser vorhersehbaren Idee mal ganz abgesehen:



    Wissen die, welche Folgen diese echt nicht so schlaue Idee für ihr ach so heiß geliebtes Deutschland wirklich hat?

  • Erst einmal danke für den Artikel. Mittlerweile fragt man sich was noch alles passieren muss damit Wähler und Sympathisanten der AfD aufwachen. Es sei denn sie wollen das so, dann muss aber jetzt der Rest der Politik und Gesellschaft Maßnahmen ergreifen das solche Ambitionen gestoppt werden. Sind die erst einmal in irgend einer Regierung vertreten wird es schwer sie da wieder raus zubekommen.



    Und es sollten alle staatlichen Organisationen genaustens beleuchtet werden und Konsequenzen gezogen werden. Die AfD wird dieses tun wenn Sie erstmal an der Macht ist und das robust.

  • Schon jetzt ist klar: nie wieder Backwerk. Absolut bodenlos und entlarvend, man will also nicht nur Migranten, sondern auch deren biodeutsche Helfershelfer nach Nordafrika zwangsverschiffen, natürlich wie immer völlig gewaltlos. Dass sonstige Andersdenkende und -lebende von dieser Politik verschont blieben: eher nein. Klingt wie ein schräger dystopischer Roman, der im Zweifel dann zu Politik der Blau-braunen würde. Verbieten, jetzt!

  • Kommentar entfernt. Bitte verzichten Sie auf Verschwörungserzählungen und belegen Sie Ihre Behauptungen mit seriösen Quellen. Danke, die Moderation

  • "Neben Rechtsextremisten wie Sellner oder dem verurteilten Gewalttäter Mario Müller nahmen laut dem Bericht auch Ver­tre­te­r*in­nen vermeintlich bürgerlicher Vereine daran teil. So sei unter anderem Silke Schröder aus dem Vorstand des Vereins Deutscher Sprache dabei gewesen, ebenso wie Ulrich Vosgerau, ehemaliges Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung sowie CDU-Politiker*innen der rechten „Werteunion“."

    Wann wird gegen diese Parallelgesellschaft mit derselben Härte vorgegangen wie gegen andere schwerintegrierbare kriminelle Clans?

  • Wurde von dem Rechercheteam Strafanzeige erstattet ?

  • Die NSDAP hat anfangs auch von der Ausbürgerung von Deutschen nach Afrika gesprochen. Dabei ist es aber bekanntlich nicht geblieben, am Ende wird - wie damals - die Vernichtung von Millionen als einzig gangbarer Weg übrig bleiben.

  • Remigration....auf das die AfD bei so komplizierten Begriffen mal nicht den Kontakt zur Basis verliert...

  • Die Alternativen Funktionäre träumen vom Umsturz mit allen Mitteln. Aber manche Menschen aus der mitbürgerlichen Mehrheit wollen das einfach nicht wahrhaben

  • Da gefriert einem das Blut in den Adern. Gibt es Audiomitschnitte die man veröffentlichen könnte?

  • Die AFD muss verboten werden. Eine Demokratie muss Zähne zeigen gegenüber solch üblen Faschisten.

  • Naja, Madagaskar hat ja schonmal nicht geklappt, da braucht man wohl jetzt ein neues Zielland. Scheint so eine Art Wannseekonferenz für Möchtegerns gewesen zu sein. Das ist so schräg und widerlich, man mag es kaum glauben.

    • @Nachtsonne:

      An die Wannsee-Konferenz musste ich beim Lesen dieser Nachricht auch denken. Der Unterschied zu damals besteht darin, dass die Nazis seinerzeit ihre Macht so weit konsolidiert hatten, dass sie ihr Vernichtungswerk gegen die Juden ungehindert in die Tat umsetzen konnten.



      Heutzutage proben sie noch den Aufstand gegen die Demokratie, planen aber schon mal für den Fall, dass … . Wie sicher müssen die sich ihrer Sache doch sein.

  • Und mit solchen Leuten wird die CDU noch in diesem Jahr eine Koalition auf Landesebene eingehen...? Um der puren Macht willen? Um die Ampel zu kippen? Die sogenannte Brandmauer ist inzwischen nur noch ein kleiner Maulwurfshügel - wenn überhaupt...

    • @Perkele:

      Vertreter der Werteunion waren laut Correctiv auch vor Ort. CDU-Mitglieder.

    • @Perkele:

      Auf welcher Landesebene denn? Das ist Propaganda, die CDU hat sowas nicht vor.

      • @Chemiker:

        Vielleicht nicht die CDU insgesamt und/oder offiziell. Doch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden sich deren Granden nicht ein Ministeramt wegen Parteidisziplin wegschnappen lassen - ganz zu schweigen von ethischer Einsicht. Die Parteiführung wird -nach außen hin- zetern und jammern, jedoch wird es das dann gewesen sein. Es kommt ja auch mal wieder eine BT-Wahl....

      • @Chemiker:

        Sachsen und Thüringen sind da heiße Kandidaten.

        Der sächsische Ministerpräsident Kretschmer unterscheidet sich doch in seinen Positionen und seiner Rhetorik kaum von der AFD, da würde nur zusammenwachsen, was zusammen gehört.

        Und in Thüringen gibt's auch viele CDUler, die keine Berührungspunkte mit der AFD haben.

      • @Chemiker:

        Die ganze CDU nicht aber bei genauem hinhören gerade im Osten könnte man sich das vorstellen.

        • @Garum:

          Ich habe bisher von keinem CDU Politiker gehört, dass er mit den AFDeppen koalieren will. Hätten sie mal ein konkretes Beispiel?

      • @Chemiker:

        "Niemand hat die Absicht..."

      • @Chemiker:

        Wollen es hoffen, letztlich hängt es von den Wählern ab. Ihr Wort in Gottes Ohr!

      • @Chemiker:

        Da würde ich meine Hand nicht mehr ins Feuer legen...

    • @Perkele:

      Da dem Kanzler ja alles egal ist braucht man sich über nichts mehr wundern.



      Wahrscheinlich hat er vergessen überhaupt Kanzler zu sein.