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Gegendemos und Verbot durch KarlsruheHamburg bleibt am Samstag nazifrei

In der Hansestadt protestieren Tausende gegen Rechts. Zuvor hatte das Verfassungsgericht das Verbot eines Nazi-Marsches an der Elbe bestätigt.

Plattdeutsch auf den Punkt gebracht: Eingang des Hamburger Ohnsorg-Theaters

HAMBURG/BREMEN taz/dpa | In der Hamburger Innenstadt haben sich am Samstagvormittag Tausende Menschen zu Kundgebungen für Toleranz und gegen Fremdenhass versammelt. Am Hauptbahnhof demonstrierten nach Polizeiangaben etwa 7500 Anhänger des linken „Hamburger Bündnisses gegen Rechts“. Vor dem Rathaus kamen zahlreiche Menschen zur Kundgebung „Hamburg bekennt Farbe“ zusammen. Hier wurden insgesamt 10.000 Teilnehmer erwartet.

An den Protesten gegen Rechts beteiligen sich auch Hamburger Theater: „Kein Platz für Nazis“, stand auf einem großen Transparent, das an der Fassade des Deutschen Schauspielhauses hing. Das Ohnsorg-Theater wählte die plattdeutsche Variante „Keen Platz för Nazis!!!“.

Hamburg sollte am Samstag eigentlich auch zum Schauplatz einer Versammlung rechter Hooligans und militanter Rechtsextremisten sein sollen. Bis zu 3.000 Teilnehmer waren zu dem Marsch gegen „Überfremdung“ und „Islamisierung“ erwartet worden. Doch in der Nacht von Freitag auf Samstag wies das Bundesverfassungsgericht (BVG) die Beschwerde der Anmelder des „Tag der deutschen Patrioten“ (TddP) zurück.

Bereits das Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte das Verbot in Hamburg bestätigt. Auf diese Entscheidung beriefen sich die Karlsruher Richter, nach der es „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu schweren Ausschreitungen kommen würde, wenn gewaltbereite und gewaltsuchende Teilnehmer der Versammlung auf ebenso gewaltorientierte Gegner aus dem linken Spektrum stoßen würden“.

Diese Gefahrenprognose, so das BVG in ihrem Beschluss vom 11. September, sei „nicht auf bloße Vermutungen, sondern auf umfangreiche Tatsachenfeststellungen gestützt“. Das BVG führte auch mit Bezug auf das OVG an, dass „nicht hinreichend verfügbare Einsatzkräfte“ für die Durchführung der Versammlung herbeigezogen werden könnten. Eine verantwortliche eigene Folgenabwägung wäre nur in voller Kenntnis der hierfür maßgeblichen Umstände möglich. In der Kürze der Zeit sei diese Abwägung aber nicht zu schaffen, erklärt das BVG.

In der Hansestadt hatte sich insbesondere das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) auf verschiedene Szenarien eingestellt. Auf ein Verbot wollte das HBgR sich nicht verlassen. „Wenn die Nazis in der Stadt irgendwo auflaufen dürfen, werden wir vor Ort sein“, versicherte Olaf Harms, Landesvorsitzender von Verdi, der im HBgR mitwirkt.

Wenn die Rechten nicht kommen dürfen, würde die eigene Kundgebung am Hauptbahnhof eine „Jubel-Demo“ so Carina Book vom AStA Hamburg, der mit zu den über 600 Unterstützern des Gegenprotests gehört.

Das „Orga-Team“ des TddP um Thorsten de Vries hatte indes noch vor dem endgültigen Verbot intern verkündet, dass wenn in Hamburg „wirklich etwas nicht läuft“, würde „Plan B greifen“. Die Anreise wäre „für fast alle die selbe“, alle müssten weiterhin „Richtung Hamburg“ fahren.

Die Polizei in Bremen teilte mit, es gebe Erkenntnisse, dass die in Hamburg verbotene Demonstration von Rechten nach Bremen verlegt werden solle. Man habe alle Ersatzveranstaltungen der Rechten – analog zu Hamburg – verboten. Die Polizei habe für alle aus Hamburg anreisenden Versammlungsteilnehmer ein Betretungsverbot für Bremen erlassen.

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9 Kommentare

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  • Ich verstehe die Kommentare nicht so richtig. In Hamburg haben linke Demonstranten randaliert und einen Zug mit Steinen beworfen, was zur vorübergehenden Einstellung des Bahnverkehrs führte. Und das wird von den Leserkommentaren unterstützt? Ich verstehe die Welt nicht mehr.

    • @hansen hansen:

      Nur weil die Polizei solche Vorfälle stets "linken Demonstranten" zuordnet, muss das noch lange nicht den Tatsachen entsprechen. Niemand unterstützt hier Steinwürfe und Ähnliches. Das ist nämlich ganz und gar un-links.

      • @Rainer B.:

        Wer war es denn dann, der Steine auf einen Zug geworfen hat, selbst die taz schreibt "Die linken AktivistInnen sollen Steine auf einen Zug mit Rechten geworfen haben. Böller knallten im Bahnhof." Waren es in ihren Augen die Rechten, die einen Zug mit Rechten beworfen hat?

        • @hansen hansen:

          Selbst die MOPO, die nicht im Verdacht steht irgendwie "links" zu sein, sieht das so: "Bei den Randalierern handelte es sich im Wesentlichen um so genannte „erlebnisorientierte Jugendliche“, die Lust auf Krawall hatten – mit links oder rechts hatte das eher wenig zu tun."

  • Daß sich der deutsche Rechtsstaat nicht klar gegen Nazis positionieren kann, ohne wenigstens noch harte Linke als Gefahrenkatalysator hinzuzudichten, ist ein politisches und gesellschaftliches Armutszeugnis. Wie würde man gegen Nazis argumentieren, wenn es keine harten Linken gäbe? Ja, da müßte man sie doch glatt erfinden!

  • "Als Grund nannte ein Sprecher der Bundespolizei Ausschreitungen bei Kundgebungen linker Demonstranten" laut

    [http://www.spiegel.de/politik/deutschland/hamburg-zugverkehr-am-hauptbahnhof-wegen-ausschreitungen-eingestellt-a-1052630.html]

     

    Isses nich toll? Die Linken sind also die Bösen, gar nicht die Rechten. Ich bin froh, dass die TAZ sich von dieser Berichterstattung keine Scheibe abgeschnitten hat. Auf welcher Seite der Sprecher der Bundespolizei wohl eher steht?

    • @Jalella:

      Ja, das ist wirklich zum Kotzen. Dann werden regelmäßig sogenannte "Linke Autonome" in den Fokus gerückt, von denen praktisch nur die Polizei weiß, was das überhaupt für Leute sind und nur die Polizei diese Leute auch als "links" verortet. Hauptsache am Ende berichten die Medien wieder von "Ausschreitungen linker Gruppierungen". Das ist systematische Volksverdummung. Die Hamburger kennen das schon zur Genüge, aber die Leser ausserhalb Hamburgs glauben so'n Scheiß leider immer noch.

      • @Rainer B.:

        In unserem Provinzblatt wird es genau so dargestellt: Die Demo der Rechten wurde rechtswidrig verboten, während die Linken kommen und ungehindert randalieren durften. Massenhaft entsprechende Leserkommentare "anständiger Bürger" und rechtsextrem-linksextrem-Gleichsetzer sind dann natürlich obligatorisch.

        • @Khaled Chaabouté:

          In der Provinz weiß man halt, was die Leut lesen mögen. Damit der Stammtsich nicht langweilig wird....