Geflüchtete in Litauen: Prügel am Zaun
Mit Gewalt und Pushbacks reagiert Litauen auf den Zustrom irakischer Aslysuchender von Belarus aus. Das löst im Land Kritik aus.
Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass die in Litauen ohnehin weitverbreitete Skepsis gegen MigrantInnen noch gesteigert wird und dass rassistischen Kräften in die Hände gespielt wird. Auch viele OppositionspolitikerInnen wie der sozialdemokratische Parlamentsabgeordnete Juozas Olekas kritisieren eine regelrechte „Kriegsrethorik“: Natürlich gebe es angesichts dieser Flüchtlingsbewegung nun einige Probleme, „aber die haben südliche EU-Länder seit Jahren“ und die Situation im Lande sei „absolut nicht außer Kontrolle“.
Belarussische Onlineportale sind voller Videos, die Opfer der Gewaltanwendung litauischer Grenzpolizisten zeigen sollen. So berichtet ein Beitrag des Ersten Belarussischen Fernsehens von Flüchtlingen, die kurz nach ihrer Ankunft in Litauen von Personen in Kampfuniformen misshandelt worden seien. Unter den Opfern sei auch eine schwangere Frau. Ein tolerantes und demokratisches Europa hätte man sich anders vorgestellt, zitiert der Beitrag Flüchtlinge, die von Litauen wieder nach Belarus zurückgeschickt worden sind.
Ein Flüchtling berichtet, er sei von Litauern mit einer Pistole bedroht worden, einer Frau habe man Finger gebrochen. Sehr entwürdigend sei die gewaltsame Zurückschiebung aus Litauen gewesen. Auch Anton Bytschkowski von den belarussischen Grenzbehörden berichtet von Misshandlungen von Flüchtlingen bei Verhören in Litauen. Einige Videos auf belarussischen Portalen zeigen Verletzungen mehrerer Flüchtlinge.
„Mentale und physische Gewalt“
Litauens Behandlung der Asylsuchenden sei „schwerlich“ mit der Europäischen Menschenrechtskonvention zu vereinbaren, warnt Tomas Vytautas Raskevičius, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des litauischen Parlaments: „Wir bewegen uns da auf dünnem Eis.“
Eglė Samuchovaitė vom litauischen Roten Kreuz hält gewaltsame Pushbacks oder die Versuche der Innenministerin Agnė Bilotaitė, mit der Anordnung „mentaler und physischer Gewalt“ Asylsuchende am Überschreiten der Grenze zu hindern, für nicht akzeptabel. Und sie erinnert: Ein Drittel der Flüchtlinge seien Frauen und ein Viertel Kinder.
Die teilweise gewaltsamen Proteste gegen Auffanglager und die Demonstrationen gegen Flüchtlinge hätten sich die Regierenden selbst zuzuschreiben, weil sie sich seit Jahren weigerten, über den Rassismus im Lande auch nur zu sprechen, sagt Jūratė Juškaitė, die Leiterin des Litauischen Zentrums für Menschenrechte. Dabei sei der Handlungsbedarf seit Jahren klar gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung