G8-Gipfel in Heiligendamm: Spitzeleinsatz war rechtswidrig
Der Klimaaktivist Jason Kirkpatrick wurde 2007 vor dem G8-Gipfel von einem Polizeispitzel ausgespäht. Nun erklärt ein Gericht: Das war illegal.
Kirkpatrick, ein 53-jähriger Deutschamerikaner, hatte bereits vor sechs Jahren eine Klage gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern eingereicht, um feststellen zu lassen, dass der Einsatz des Polizeispitzels illegal war. Am Montagnachmittag ging das Verfahren mit einem Vergleich zu Ende. Das Gericht stellte dabei laut einer Sprecherin „die objektive Rechtswidrigkeit des Einsatzes“ fest, da es für Kennedys Aktivitäten damals keinen richterlichen Beschluss gegeben habe.
Gleichzeitig verwies das Gericht auf offene Rechtsfragen und die schwierige Beweislage in dem Fall – weshalb sich Kirkpatrick und das Land auf den Vergleich einigten.
Ministerium veweigerte Akten aus Geheimschutz
Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern gab an, über Kirkpatrick keine Daten mehr gespeichert zu haben. Laut Gericht konnte nicht mal geklärt werden, ob dort überhaupt Daten über ihn gespeichert wurden. Bei anderen Aktenbestandteilen weigerte sich das Land aus Geheimschutzgründen, diese dem Gericht vorzulegen. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte das in einer Zwischenentscheidung für im Wesentlichen rechtmäßig erachtet. Der genaue Auftrag des Polizeispitzels Kennedy sei so aber nicht mehr zu rekonstruieren gewesen, befand das Gericht.
Auch das Ansinnen, Kennedy selbst vorzuladen, scheiterte – hier wiederum an einer verweigerten Aussagegenehmigung der britischen Polizeibehörde. Gleiches galt für Kennedys Führungspersonen für seine Einsätze in Deutschland.
Kirkpatrick zeigte sich mit dem Ergebnis der Verhandlung dennoch zufrieden. „Wir haben unser Ziel erreicht“, sagte er der taz. „Ich bin sehr froh, dass dieser Einsatz für rechtswidrig erklärt wurde.“ Die Botschaft sei damit klar, so Kirkpatrick: „Der Staat darf nicht so einfach Aktivisten ausspionieren, wie er es damals getan hat.“
„Ein großer Erfolg“
Auch seine Anwältin Anna Luczak sprach von einem „großen Erfolg“. Es sei zwar bedauerlich, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern mit „vorgeschobenen Geheimhaltungsgründen“ eine Aufklärung des Spitzeleinsatzes verhindert habe, sagt sie der taz. „Dass der Einsatz aber gerichtlich als rechtswidrig erklärt wurde, ist ein wichtiger Schritt.“
Kirkpatrick hatte beteuert, bei seinen Protestteilnahmen nichts Illegales getan zu haben, auch in Heiligendamm nicht. Er habe dort damals lediglich die Pressearbeit koordiniert. „Alles, was ich gemacht habe, war öffentlich. Ich wurde auch sonst nie für irgendetwas verurteilt.“ Umso skandalöser sei, dass der Polizeispitzel Kennedy auch auf ihn angesetzt worden sei.
Ausgespäht wurde damals auch eine Freundin von Kirkpatrick, mit der Kennedy zwischenzeitlich sogar liiert war – sowie weitere linke Aktivist:innen europaweit. 2011 hatte der damalige BKA-Chef Jörg Ziercke eingeräumt, dass Kennedy auch in Deutschland und beim Heiligendamm-Gipfel eingesetzt war. Warum der Spitzel auch Kirkpatrick ins Visier nahm, ist bis heute ungeklärt. In einer britischen Akte zum Fall Kennedy taucht der 53-Jährige aber mit gleich mehreren Vermerken auf.
Kirkpatrick, der heute in Berlin wohnt, kämpft seit Jahren um eine Aufklärung der Spitzelaffäre. Auch nach der Verhandlung in Schwerin ist die Sache für ihn nicht erledigt. Denn auch in England läuft noch eine aufwändige Untersuchung wegen Kennedys Spitzeleinsatz und der einer Vielzahl weiterer Undercover-Polizist:innen. Kirkpatrick ist dort als Zeuge geladen – für das Jahr 2024.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr