Frauenrechte in Iran: Wut und Trauer

Nach dem Tod einer 22-Jährigen halten die Proteste im ganzen Land an. Frauen werden vom iranischen Rechtssystem systematisch benachteiligt.

Frauen rennen in einer Demonstration

Frauen fliehen vor der Polizei während eines Protestes gegen den Tod einer jungen Frau in Teheran Foto: ap

BERLIN taz | In Iran gehen Tausende – vor allem Frauen – auf die Straße, um ihre Wut und Trauer über den Tod von Mahsa Amini auszudrücken. Die 22-Jährige aus der Stadt Saqqez in der Provinz Kurdistan war am Dienstag vergangener Woche in Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch nicht gemäß der strikten Regeln des Regimes trug. Daraufhin brachte die Polizei sie auf die Wache.

Nach Polizeiangaben war sie dort wegen Herzversagens zunächst in Ohnmacht und danach ins Koma gefallen. Nach drei Tagen soll sie im Krankenhaus gestorben sein. Aminis Vater sagte dem kurdischen Medium Rudaw jedoch, dass die Polizei lüge. Zeu­g*in­nen hätten gesehen, wie die Polizei den Kopf seiner Tochter gegen die Scheibe des Polizeiautos geschlagen habe, was zu einer Hirnblutung führte. Die Klinik, die Amini behandelt hatte, schrieb nach ihrem Tod auf Instagram, die junge Frau sei bereits bei der Aufnahme in die Klinik hirntot gewesen – das Krankenhaus hat den Post inzwischen gelöscht.

Aus Solidarität mit Amini nahmen Frauen landesweit ihre Kopftücher ab oder schnitten sich Haarsträhnen ab, wie Videos in den Sozialen Medien zeigen. Frauen werden vom iranischen Rechtssystem systematisch benachteiligt. Im Erbrecht, bei Entschädigungszahlungen oder Aussagen von Zeug*in­nen vor Gericht zählen ihre Stimmen nur halb so viel wie die der Männer. Das iranische Zivil- und Strafrecht basiert auf schiitisch-islamischen Gesetzen. Im öffentlichen Raum müssen Frauen nicht nur Kopftücher, sondern auch lange Überwürfe tragen, die Knöchel sollen bedeckt sein.

Amini war Kurdin. In ihrer Heimatprovinz Kurdistan gingen etliche Menschen auf die Straße. In der Stadt Diwandareh sollen die Sicherheitskräfte nicht unabhängig bestätigten Berichten zufolge scharf geschossen haben. Kurdische Parteien und zivilgesellschaftliche Organisationen haben zu einem Generalstreik in den kurdischen Gebieten des Iran aufgerufen.

Kur­d*in­nen werden diskriminiert

Die kurdischen Regionen in Iran werden seit Jahrzehnten diskriminiert. Rund 12 Millionen Kur­d*in­nen machen etwa 20 Prozent der Bevölkerung aus. Sie haben ihre eigene Sprache und Kultur und sind größtenteils Sun­nit*in­nen in einem Land mit schiitischen Regeln und Gesetzen. Zwar gibt es kein Gesetz, das kurdische Namen explizit verbietet, doch bei der Namensregistrierung genehmigen die Be­am­t*in­nen kurdische Namen häufig nicht – auch Mahsas Vorname ist wohl eigentlich Zhina.

An mehreren Orten riefen die Protestierenden: „Tod der Diktatur“ oder: „Wir fürchten uns nicht, wir sind alle zusammen“ – eine Parole, die vor allem während der Demonstrationen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2009 bekannt geworden war. Bereits damals entschieden iranische Behörden, vor geplanten Protesten der Opposition das Internet abzuschalten.

So reagierte das Regime auch auf die derzeitigen Proteste. Daten der in London ansässigen Organisation NetBlocks, die die Zugänglichkeit des Internets überwacht, zeigen, dass das Internet in Teheran und anderen Teilen Irans am Freitag, als die ersten Proteste ausbrachen, unterbrochen war. In Sanandaj, im Westen des Iran, war der Internetdienst am Montagabend über mehrere Stunden nahezu vollständig ausgeschaltet.

Dennoch verbreiteten Menschen über die sozialen Medien Videos der Proteste. So zeigt ein Video ein 10-jähriges Mädchen, das von Staatskräften angeschossen wurde. Die iranisch-kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw hat versucht, die Videos und Fotos aus dem Iran auszuwerten. Sie zählte am Dienstag drei Tote und über 220 Verletze durch die Aggressionen des iranischen Sicherheitsapparats.

2021 gingen nur 37 Prozent der Bevölkerung zur Wahl

Die Regierung unter dem erzkonservativen Ebrahim Raisi steht auch unabhängig der jüngsten Proteste unter Druck. Bei den Präsidentschaftswahlen 2021 boykottierten viele Menschen die Wahl, nur 37 Prozent gaben ihre Stimme ab. Hinzu kommt der Unmut über die starke Wirtschaftskrise. Die jährliche Inflationsrate lag im August bei 52 Prozent. Die Wirtschaft stagniert seit Jahren, unter anderem durch US-Wirtschaftssanktionen sowie die Coronapandemie. Der Klimawandel, Dürreperioden und Wassermangel beeinträchtigen auch die Landwirtschaft.

Präsident Raisi hatte mit der Familie Aminis telefoniert und Aufklärung versprochen. Der Vater der toten Frau gab jedoch an, dass ihre Anfragen, den Leichnam pathologisch untersuchen zu lassen, unbeantwortet blieben.

Raisi ist währenddessen nach New York geflogen. Dort wird er bei der UN-Generalversammlung sprechen sowie über die stockenden Verhandlungen zum Atomabkommen.

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