Frankreichs Premier legt los: Gelungener erster Aufschlag
Regierungschefs in Frankreich sehen oft ziemlich schnell alt aus. Dem neuen Premierminister Michel Barnier gelingt sein Debüt besser als erwartet.
D as ist unglaublich, wie schnell man als Premierminister alt aussieht“, scherzte Yann Barthès, Fernsehmoderator der abendlichen Talkshow „Quotidien“. Als Illustration für das Vorher-Nachher blendete er auf dem Bildschirm nebeneinander zwei Fotos ein: eines von Gabriel Attal, der im Januar dieses Jahres mit 34 Jahren Frankreichs jüngster Regierungschef wurde, und eines vom (bereits) weißhaarigen Senior Michel Barnier, der Attal nun abgelöst hat.
Die absurde Satire hat einen realen Hintergrund, denn der Posten des Premierministers in Frankreich reibt die Amtsinhaber sehr schnell auf. In der Regel dienen sie einem unpopulär gewordenen Präsidenten als Sündenböcke, die die Verantwortung für eine Politik übernehmen müssen, die im Élysée-Palast von den Präsidentenberatern beschlossen wurde.
Dieses Schicksal prophezeiten auch viele Michel Barnier, der nach seiner Karriere bei der EU-Kommission von Emmanuel Macron aus dem Ruhestand geholt wurde. Barnier ist 73 Jahre alt und hat, wie in unzähligen Porträts in den Medien betont wurde, seine Laufbahn eigentlich hinter sich.
Bei seiner Nominierung für den Posten des Regierungschefs meinten laut Umfrage für den öffentlichen Sender Public Sénat 61 Prozent der Befragten, dass so oder so Macron regiere und nicht Barnier. Und nur 39 Prozent sahen in ihm eine gute Wahl.
Stoisch ruhig
Inzwischen bekommt man in Frankreich einen nuancierteren Eindruck. Mit seiner Antrittsrede am vergangenen Dienstag hat Barnier in mancher Hinsicht überrascht. Aus seinem von den Kritikern etwas mitleidig belächelten Alter versuchte Barnier einen Vorteil für sein Image zu machen – indem er stoisch ruhig blieb, als Abgeordnete ihn mit ihren üblichen Zwischenrufen aus dem Konzept bringen wollten.
Die sonst so schlagfertige Fraktionschefin der linken La France insoumise, Mathilde Panot, war sichtlich verdutzt, als Barnier ihr in der Nationalversammlung entgegnete: „Je aggressiver Sie mir kommen, desto respektvoller werde ich (im Gegenzug) sein.“ Und dem rechten Politiker und Ex-Parteikollegen Eric Ciotti, der sich mit der extremen Rechten von Marine Le Pen verbandelt hat, teilte er mit: „Ich kenne Sie gut, ich werde keine Zeit für Polemik mit Ihnen verlieren.“
Und einer Grünen, die ihn wegen seiner noch sehr vagen Umweltpolitik attackierte, gab er, wieder ohne eine Miene zu verziehen, zurück: „Wissen Sie, ich war (als ehemaliger Umweltminister 1993–1995) lange vor Ihnen schon engagiert in diesen Fragen.“ Damit hatte er die Lacher auf seiner Seite.
Der Regierungschef hat selbst von Beginn an klargemacht, wie schlecht es um die Staatsfinanzen stehe und dass er darum Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben vorsehe. Die Lasten sollen „gerecht“ verteilt werden. Das ist leichter gesagt als getan. Dass er aber auch gewisse Großunternehmen mit Superprofiten und Bezieher von Spitzeneinkommen von mehr als 500.000 Euro pro Jahr mit Sonderabgaben zur Kasse bitten will, kommt bei der politischen Linken, die dies seit Langem fordert, gut an.
Gute Richtung
Ex-Präsident François Hollande, der wieder Abgeordneter ist, oder auch der linke EU-Abgeordnete Raphaël Glucksmann meinten, wenn die Regierung Barnier in dieser Hinsicht in eine gute Richtung gehe, müsse die linke Opposition das bei der kommenden Debatte über den Staatshaushalt unterstützen.
Barniers Sprecherin Maud Bregeon hatte beim Pressetermin die Parteien gewarnt: „Frankreich riskiert, wie Griechenland 2010 zu enden.“ Doch wenn alle sich dieses Risikos bewusst seien, könnten auch die erforderlichen Lösungen gefunden werden.
Indem Michel Barnier den „Kompromiss und den Dialog“ predige, setzte er sich ganz klar von der (selbstherrlichen) Methode Emmanuel Macrons ab, billigt ihm die Le Monde zu. „Der Präsident präsidiert, die Regierung regiert“, zitiert Barnier selbst die Verfassung. Und er hofft offenbar, das Macron ihn tatsächlich machen lässt.
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