Forscher über Schnee im Wald: „Nur gut für die jungen Bäume“
Haben die Niederschläge in diesem Winter gereicht, um die Dürreschäden in den Wäldern zu lindern? Nein, sagt der Hydrobiologe Dietrich Borchardt.
Herr Borchardt, starten die Wälder nach drei viel zu trockenen Frühjahren dieses Mal durch die Schneeschmelze wohlgetränkt in den Frühling?
Dietrich Borchardt: Den Eindruck könnte man haben, er ist aber trügerisch. Schnee und Regen der vergangenen drei Wochen haben den Oberboden mit Wasser versorgt, also die oberen 20 bis 30 Zentimeter der Landschaft. Das ist gut für die jungen Bäume, die im vergangenen Jahr gepflanzt wurden. Doch bei den alten und sehr alten Bäumen, etwa den Eichen und Buchen, die in mehreren Metern Tiefe wurzeln, ist nur wenig angekommen.
Und in Regionen mit Hochwasser, etwa entlang des Rheins?
Hochwasser ist ja eher ein Indikator dafür, dass zu viel Wasser zu schnell abfließt. Abgesehen davon waren die Hochwasser in den allermeisten Flüssen bisher sehr moderat. Die Flusspegel liegen für diese Jahreszeit eher unterdurchschnittlich.
ist Biologe und Gewässerkundler. Er leitet den Bereich Aquatische Ökosystemanalyse und Management im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg und lehrt am Institut für Hydrobiologie der TU Dresden.
Die Förster:innen können nicht aufatmen?
Sie atmen auf, wenn sie an ihre Setzlinge denken, die sie im vergangenen Jahr gepflanzt haben. Die bestehenden Wälder sind immer noch gefährdet. Und in einigen Regionen herrscht nach wie vor Dürre. Nördlich einer Linie von West nach Ost, etwa von Bonn über Kassel bis Dresden, dort ist es viel zu trocken. Das betrifft vor allem das nördliche Niedersachsen, Sachsen und das südliche Brandenburg.
Welche Niederschlagsmengen hätten Entspannung gebracht?
Wir hätten im Winter mehrmonatige Niederschläge mit Landregen und viel mehr Schnee gebraucht. In diesem Jahr lagen in vielen Regionen im Schnitt 20 bis 30 Zentimeter Schnee. Wenn der schmilzt, kommt nicht mal die mittlere Niederschlagsmenge zusammen, die für unsere Mittelgebirge typisch ist. Da müssten im Januar rund 60 Liter Regen pro Quadratmeter fallen. Das entspricht etwa einem Meter Neuschnee. Den hatten wir kaum irgendwo.
Haben wenigstens die Grundwasserspeicher etwas abbekommen?
Das kann man noch nicht sagen. Die Neubildung von Grundwasser funktioniert viel langsamer, Wasser sickert den Speichern mit einer Geschwindigkeit von vielleicht einem Zentimeter pro Tag entgegen, in sandigen Böden etwas schneller. Bis der Schnee von heute im Grundwasser ankommt, dauert das Monate oder sogar Jahre. Ende 2020 lagen übrigens bei zwei Drittel der Grundwasser-Messstationen in Hessen die Wasserstände sehr deutlich unter dem langjährigem Mittel. Die Defizite der vergangenen Jahre lassen sich nicht so leicht ausgleichen.
Wie können wir das Wasser zukünftig besser im Gelände halten?
Bislang ist unser Umgang mit Wasser leider immer noch davon geprägt, es schnell aus der Landschaft herauszuleiten. Das Thema war eher, wie man Grünlandfeuchtgebiete oder Moore am effektivsten entwässert, um sie besser bewirtschaften zu können. Oder wie man Flüsse für die Schifffahrt umformt. Wir haben dafür gesorgt, dass Wasser flächendeckend effektiv und schnell abfließt. Das müssen wir jetzt korrigieren, das ist eine langfristige Aufgabe.
Brauchen wir mehr künstliche Wasserspeicher?
Die haben wir ja schon, etwa in Form von Talsperren. Die sehen wir überall dort, wo wir in der Vergangenheit sehr viel mehr Wasser für eine wachsende Bevölkerung und Industrie gebraucht haben, als vorhanden war. Sie können ein Baustein für einen besseren Wasserrückhalt sein neben Feuchtgebieten, renaturierten Flüssen mit ihren Auen, aber auch Zisternen in Städten, um Regenwasser zur Gartenbewässerung zu speichern. Wir brauchen viele dezentrale Ansätze.
Für eine Wasserstrategie fragt das Umweltministerium nach Expert:innen nun die Bevölkerung nach Lösungen. Ist das sinnvoll?
Das ist unbedingt notwendig. Der Umgang mit Wasser fängt beim Verbraucher an. Außerdem wird die Landschaft künftig feuchter werden müssen, mit vielen Vorteilen für den Arten- und Klimaschutz. Die Landwirte müssen dann ganz anders arbeiten, darum müssen sie in alle Planungen früh eingebunden werden. Ohne ihre Akzeptanz können wir nichts durchsetzen.
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