Frühling im deutschen Wald: Auf dem Holzweg
Auch in Corona-Zeiten lädt der Wald zum Spazieren ein. Aber wie geht es den deutschen Forsten nach Hitze, Dürre und Sturm eigentlich?
M an kann sich diese beiden Männer gut als Kontrahenten in einer Talkshow vorstellen: Zwei freundliche, hagere Herren in olivgrünen Jacken und praktischen Schuhen streiten über die Zukunft des Waldes. Jörg von Beyme, Waldbesitzer im südlichen Harz in Sachsen-Anhalt, und Axel Henke, Leiter des Forstamts Boppard in Rheinland-Pfalz. Zufällig stammen beide aus Niedersachsen, beide sind 52 Jahre alt, führen einen Forstbetrieb und beide sind der Ansicht: So wie bisher geht es nicht mehr weiter.
Als im vergangenen Herbst der zweite Sommer mit Rekordtrockenheit und Rekordhitze hintereinander zu Ende ging, da kam in Deutschland das Wort „Waldsterben“ zurück. Die Forstministerin veranstaltete Waldgipfel, Bund und Länder beschlossen Nothilfen. Wanderer blickten entsetzt auf braune Hänge, die Forstbetriebe auf die Holzpreise, die manchmal niedriger waren als die Kosten der Holzernte. Und nun, nach einem – in den meisten Regionen Deutschlands – regennassen Winter? Wie sieht es nun aus im deutschen Wald?
Nach einem heftigen Regen glänzen die Stämme der Buchen im Bopparder Stadtwald silbergrau in der Sonne, an den Spitzen von Bergahorn und Eiche glitzern die Tropfen wie Diamanten. Ein idealer Ort, um in Zeiten von Angst vor dem Coronavirus Ruhe und Kraft zu finden, meint Forstamtsleiter Henke, und lädt die Bürger in das Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal ein. Dort winden sich die Rheinschleifen mit ihren Weinbergen und Burgen durch Hänge in Hell-, Grau- und Rotbraun.
Ende April werden die Bäume austreiben und den Wald mit hellgrünen Blättern überziehen. Und was, wenn es dann warm ist und trocken? „Keine Ahnung“, sagt Forstamtsleiter Axel Henke, „dann beten wir.“
Im ersten Jahr gaben die Fichten auf, im zweiten die Buchen
Das Beten hat Jörg von Beyme eingestellt, zumindest, was seinen Wald einige hundert Kilometer weiter östlich angeht. Stattdessen hat er seine vier Mitarbeiter entlassen, die Geschäftsführung der Forstbetrieb von Beyme GbR an seine Frau Friederike, 49, übertragen und arbeitet nun wieder als Unternehmensberater. Sein Forst, 500 Hektar im Südharz, besteht zu 43 Prozent aus Buche, zu 31 Prozent aus Fichte sowie aus Lärche, Kiefer, Esche. Im ersten Dürresommer 2018 gaben die Fichten auf, im zweiten die Buchen. Auch die anderen Laubbäume, etwa die Eichen, litten.
Im März 2020 schaut von Beyme einen Hang hinunter, starrt auf dunkelgrüne Fichten mit einem warmbraunen Schimmer und stöhnt: „Oh nein, da ist ja auch der Käfer drin.“ Dann dreht er sich um und zeigt den Hang nach oben. „Und, was sehen Sie dort?“, fragt er. Spindeldürre, lange Birken neigen sich zum Boden und bilden wankende Bögen. Inmitten dichter Kiefernforste waren sie so schnell wie möglich zum Licht gewachsen, genug Halt hatten sie ja. Nun ist der Halt weg. Den cremeweißen Buchen fällt die graue Rinde in großen Placken ab, ganz ohne Silberglanz. Komplexe Buchenkrankheit nennt der Förster das.
Die Zahlen Nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums sind 2018 und 2019 in Deutschland rund 160 Millionen Kubikmeter Schadholz angefallen. Eine Fläche von 245.000 Hektar muss wiederbewaldet werden.
Die Regionen Betroffen von Dürre, Hitze und Stürmen waren vor allem Wälder in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Hessen und Thüringen.
Die Hilfen Bund und Länder stellen gemeinsam in den nächsten vier Jahren 800 Millionen Euro an Hilfen für die betroffenen Betriebe bereit. 480 Millionen davon stammen vom Bund, den Rest übernehmen die Länder.
Die Bedingungen Dafür sollen diese bei der Aufforstung auch trockenheitstolerantere Baumarten pflanzen, die Wasserspeicherfähigkeit der Waldböden verbessern und mit Schädlingen befallene Bäume schnell aus dem Forst räumen. (taz)
Im Bopparder Stadtwald zeigt Axel Henke auf ein großes Stück Fichtenrinde, innen rotbraun, geprägt durch filigrane Muster. Den volkstümlichen Namen „Buchdrucker“ trägt der Fichtenborkenkäfer zu Recht, so hübsch und regelmäßig schnitzt er seine Fraßgänge in die Rinde. Wenn es in diesen Märztagen 20 Grad warm wird, dann startet das kleine Tierchen erst einmal zu Erkundungsflügen. Aber sollte es Mitte, Ende April dauerhaft warm und trocken werden, dann legt der Käfer so richtig los. In den trockenheißen Sommern 2018 und 2019 schlüpften jeweils drei Generationen; ein einziges Pärchen bekam bis zu 300.000 Nachkommen.
Den Borkenkäfer kennen Förster schon lange; ein vernichtender Feind ist er erst, seit keine Kühle und Feuchte ihn mehr eindämmt und Stürme über das Land hinwegfegen und ihm ein Festmal aus toten Bäumen bereiten. Mit dem Borkenkäfer befallenes Holz muss raus aus einem Wirtschaftswald, weil tote Bäume Brutstätten sind für neue Käfer. Aber wohin?
Die Idee: Für den Wald als Ökoleistung zahlen
Der Markt in Europa ist im vergangenen Herbst praktisch zusammengebrochen, als die Forste aus Tschechien und Polen, Deutschland und Österreich ihre Riesenmengen anboten. „Es ist mir peinlich“, sagt Axel Henke, „aber wir haben aus der Not heraus Teiles unseres Holzes nach China vermarktet.“ Peinlich, weil lange Transporte nicht passen zum ökologischen Rohstoff Holz. Doch auch dieser Markt bricht jetzt weg – das Coronavirus dämpft die Nachfrage, es kommen kaum noch Container an, die Holz mit nach Asien nehmen könnten.
Das Siegel Der Forest Stewardship Council (FSC) vergibt ein Siegel für nachhaltige Forstwirtschaft. Zertifiziert werden kann nicht nur Holz, sondern auch andere Produkte des Waldes, etwa Beeren oder Pilze. Gegründet wurde der „Rat für nachhaltige Forstwirtschaft“ 1993 nach dem Erdgipfel von Rio.
Die zertifizierte Fläche Weltweit hat der FSC nach Selbstauskunft rund 200 Millionen Hektar Wald zertifiziert, in Deutschland sind es rund 1,36 Millionen Hektar.
Die Bedingungen In Deutschland fordert der FSC für eine Zertifizierung, dass der Wald nicht mit Pestiziden behandelt wird, auf Kahlschläge und Gentechnik verzichtet wird und Mischwälder angestrebt werden.
Die Träger Getragen wird der gemeinnützige Verein FSC-Deutschland von Umweltorganisationen wie WWF und Nabu, aber auch von Gewerkschaften, Holzwirtschaft und Kommunen. International gerät der FSC immer wieder in die Kritik, weil er Plantagenholz zertifiziert oder Kahlschläge duldet. (taz)
Der Privatwaldbesitzer von Beyme in Sachsen-Anhalt und der Landesbeamte Henke in Rheinland-Pfalz bewerten die derzeitige Situation ihrer Betriebe ganz ähnlich: als katastrophal. Auch die Antwort darauf ist dieselbe: Sie fordern ein neues Ertragsmodell für ihre Wälder. Das Stichwort lautet „Ökosystemleistung“. Wälder reinigen die Luft, speichern Wasser und Kohlendioxid – und zwar bislang ganz umsonst. Henke und von Beyme halten es für sinnvoll, dass die Öffentlichkeit künftig für diese Leistungen bezahlt, 125 bis 200 Euro Steuergeld pro Hektar halten sie für angemessen.
Wer ein paar Stunden mit von Beyme und Henke durch ihre Wälder geht, ist überrascht davon, dass beide häufig das Gleiche sagen und ganz Unterschiedliches damit meinen. „Wir müssen jetzt mit der Natur arbeiten“, ist so ein Satz.
Mit der Natur arbeiten, dass heißt für das Ehepaar von Beyme notgedrungen: darauf setzen, was die Natur ihnen bietet, und abwarten, wie der Wald reagiert. Mit 500 Hektar ist ihr Familienbetrieb vergleichsweise groß. Vor 17 Jahren haben sie ihn gekauft, bekamen drei Kinder und lebten lange gut „von, in und mit dem Wald“, wie von Beyme es formuliert. Er meint damit die Erträge aus der Holzernte.
Jörg von Beyme, Waldbesitzer im Harz
„Das sah solange ganz gut aus“, sagt der gelernte Land- und studierte Betriebswirt, „bis die Stürme, die Trockenheit und die Käfer kamen.“ Der Wald der von Beymes brach zusammen, die Finanzierung ihres Betriebs geht nicht mehr auf. In nackten Zahlen liest sich das so: Normalerweise hatten sie einen Einschlag von 3.000 Festmetern Holz im Jahr, wobei das grob mit rund 3.000 Kubikmetern gleichzusetzen ist. In den vergangenen beiden Jahren saßen sie auf einmal auf 25.000 Festmetern Schadholz. Eigentlich wären diese Bäume erst in 20 Jahren erntereif gewesen.
„Unsere Rente liegt jetzt im Wald“, sagt von Beyme. Ganz kann er die 150 Hektar Kahlflächen, die sich bis jetzt gebildet haben, nicht wieder aufforsten. Zwischen 5.000 und 15.000 Euro würde das kosten – pro Hektar. Damit sich Wald entwickeln kann, braucht er aber Bäume im Bestand, die den Boden und das Wasser halten, Schatten spenden und die Luft kühlen. Auf Kahlflächen drohen Brombeerhecken und Erosion.
Der Betrieb liegt im südlichen Sachsen-Anhalt in einer der Regionen Deutschlands, in der es auch in den vergangenen Monaten kaum geregnet hat und die vom Waldsterben mit am stärksten betroffen sind. Auf den Karten des Dürre-Monitors des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung sind weite Teile des Südharzes dunkelrot gefärbt, der Farbton steht für „außergewöhnliche Dürre“. Die von Beymes können Fördergelder aus den Bund-Länder-Hilfen beantragen (siehe Kasten), aber das sei bürokratisch, „ein wahnsinniger Verwaltungsaufwand“, beklagen sie. Auch sei nicht sicher, ob für alle genug da sei.
Die wenigen Setzlinge, die von Beyme zurzeit in seinen Wald pflanzt, sind Douglasien. „Sie wachsen noch schneller als Fichte“, sagt der Betriebswirt, „dann kann in 30 Jahren wenigstens mein Sohn wieder die ersten Erträge erzielen.“ Der 17-Jährige möchte den Betrieb der Eltern übernehmen. Von Beyme ist klar, dass Douglasien in ihrer nordamerikanischen Heimat heftig mit Schädlingen zu kämpfen haben. „Es geht darum, dass wir unserem Sohn den Wald irgendwie erhalten“, sagt von Beyme.
„Es geht darum, in dieser Region den Wald als Ökosystem zu erhalten“, heißt das bei Axel Henke in Rheinland-Pfalz. Für ihn bedeutet das, den Wald nicht nur als eine Ansammlung von Bäumen zu sehen. Den meisten Kohlenstoff, sagt er, speichere der Wald in den Böden gesunder Mischwälder. Das bedeutet, dass nicht jeder Fichtenforstbetrieb Geld für Ökosystemleistungen beantragen könne, man müsse schon eine besondere Leistung erbringen. Aber würden dann nicht gerade die Betriebe leer ausgehen, die eine staatliche Förderung für den Waldumbau am dringensten bräuchten? „Das ist ein Problem, könnte aber über zusätzliche Anreizsysteme gelöst werden“, sagt Henke.
Welcher Wald wächst in 80 Jahren?
Er bewirtschaftet den Wald für das Land Rheinland-Pfalz und die Kommunen, denen es gehört. Er steht bisweilen klammen Städtchen gegenüber, die aus den Gewinnen von Holzverkäufen Feuerwehrhäuser bauen wollten oder Sportplätze. Mit der Natur arbeiten, das heißt für Henke: zu überlegen, was diese in den kommenden Jahrzehnten bereit hält. „Wird es 1,5 Grad wärmer oder 4 Grad?“, fragt er, „das ist ein gewaltiger Unterschied.“ Wenn es am Ende des Jahrhunderts 4 Grad wärmer wird, werde sich kein mitteleuropäischer Wald halten lassen, stellt der Forstwirt klar, bei 2,5 Grad Erwärmung könnte ein mediterraner Eichenwald mit Elsbeere und Baumhasel an den Rheinhängen oder ein Traubeneichen-Esskastanien-Wald in den Höhen herauskommen.
Also probieren sie jetzt in Boppard diese Baumarten aus, die in den Wärmeperioden nach der letzten Eiszeit schon einmal in Mitteleuropa zusammen mit der Eiche Wälder gebildet haben. Dazu setzen sie wärmeliebende Obstarten: Wildbirne und -apfel, Kirschpflaumen.
Er nehme, was er kriegen könne, sagt Henke, die Baumschulen seien ja derzeit vollkommen leer gekauft. Auf den riesenhaften 20.000 Hektar Wald, die von Boppard aus betreut werden, wachsen heute schon rund 80 Prozent Laubbäume und 20 Prozent Fichten, sehr wenig für einen deutschen Forst. 300 Hektar sind aus der Nutzung genommen, so schreibt es das FSC-Siegel vor (siehe Kasten). Dass das so ist, liegt an Henkes Vorgänger Gerd Loskant.
Förster haben, das unterscheidet sie gründlich von Nicht-Waldmenschen, nicht so sehr das Jetzt im Blick. Sie leben von der Vergangenheit und arbeiten für die Zukunft. Sie ernten das, was ihre Vorgänger vor 70 bis 300 Jahren gewusst, geplant, gedacht und gepflanzt haben, und sie versuchen zu ahnen, was ihre Nachfolger in 70 bis 300 Jahren brauchen werden.
Vorausdenkende Förster
Kurz nachdem der heute 67-Jährige Loskant 1988 seinen Dienst als Forstamtsleiter in Boppard antrat, fegte die Sturmserie die Pläne seiner Vorgänger vor 70 Jahren beiseite, den Boppardern am Ende des 20. Jahrhunderts gutes, preisgünstiges Bauholz zur Verfügung zu stellen. Denn genau darum hatten sie die Fichten auf die Hänge des Hunsrücks gepflanzt, an die sie natürlicherweise nicht gehören. Geschwächt durch den sauren Regen knickten sie nun wie Streichhölzer um.
Gerd Loskant verstand, dass nicht nur die Fichte auf diesem Standort keine Zukunft mehr hatte, sondern dass es der grundsätzlich falsche Ansatz sei, nur auf wenige Baumarten zu setzen. Mit der Natur arbeiten, das hieß für Loskant damals und heißt für Henke heute nicht, den Wald sich selbst zu überlassen. „Wenn wir nichts tun“, sagt Henke, „dann wächst uns hier ein Buchenwald.“ Im Moment kommen junge Buchen mit dem Klima noch zurecht, sie verdrängen alles andere. Doch alte Buchen leiden unter Trockenheit und Hitze genauso wie Fichten. Der Wald läuft hier – dieses schiefe Bild sei erlaubt – also in eine Sackgasse.
Naturverjüngung – die Aussaat von Bäumen im Wald – funktioniert nur, wenn die Bäume, die auch in 100 Jahren noch eine Chance haben, auch jetzt schon da sind, da sind sich die beiden Forstleute Loskant und Henke einig, und sie schimpfen, in einem deutschen Wald gehe das sowieso nicht. Um das zu demonstrieren, haben sie ihre Besucher in einen Eichenwald nahe der Autobahn 61 geführt.
Auf dem Boden raschelt eine Schicht hellbrauner Blätter, dazwischen, in etwa zehn Metern Abstand wachsen schmale bis dicke Eichen rank dem Licht entgegen. Mittendrin eine merkwürdige Fläche: sechs mal sechs Meter, mit einem hohen Holzgatter eingezäunt. Darin wuchern buschig, dicht an dicht, hüfthohe Eichen. Zehn Jahre sind sie alt, sie verdecken den Waldboden gänzlich. Wie das?
„Ha“, sagt Henke, „da drinnen, das wäre der Normalzustand.“ Bäume in allen Größen, so sähe der Wald aus, wenn nicht viel zu viele Rehe jede zarte kleine Eiche sofort abknabbern würden. Er stochert mit dem Fuß im Laub und zieht schwungvoll ein fingerlanges, knubbeliges Bäumchen aus dem Boden. „Ein Bonsai“, schnaubt er, „das ist genauso alt wie seine Kollegen im Gatter.“ Aber er werde immer wieder abgefressen. Naturverjüngung, das könnte also heißen: Die Bäume sämen aus oder, anders ausgedrückt, sie schmeißen mit genetischer Vielfalt um sich. Die widerstandsfähigsten, die am besten mit Trockenheit und Wärme klarkommen, überleben. Doch diese Selektion lassen die Rehe nicht zu. Und dann gebe es ja noch die damit zusammenhängenden Umstände.
Diese lassen sich auf dem Wertholzplatz des Forstamts begreifen. Auf dem Asphaltweg im Windschatten der Autobahn ruhen links und rechts mächtige Stämme wie aufgebahrt. Prachtstück ist ein Eichenstamm, 12 Meter lang, 82 Zentimeter Durchmesser, keine Äste, bestes Funierholz für Möbel oder Dielen. „Das ist Ergebnis von 250 Jahren forstlicher Kunst“, sagt Henke. Das heißt: Dieser Baum war stets so dicht umstanden, dass er keine breite, astreiche Krone bilden konnte; doch er hatte so viel Platz, dass er stattlich in die Höhe wachsen konnte. Der Preis für 250 Jahre Wachstum: 4.000 Euro. So viel hat der Stamm auf der Wertholzauktion im Winter gebracht.
„Die Abschusslizenz für einen Hirsch kostet 5.000 Euro“, sagt Henke. Dafür kann sich ein Jäger bei der Forstverwaltung das Recht kaufen, einen Hirsch mit beeindruckender Trophäe zu schießen. „Das ist eine verzwickte Lage für einige kommunale und private Waldbesitzer, die auf Einnahmen aus dem Wald angewiesen sind. Es kann passieren, dass dann der Zustand des Waldes hinter dem der Hirsche zurücktritt.“
Axel Henke, Leiter des Forstamts Boppard
Zusammengebrochen ist der Holzmarkt im vergangenen Jahr zwar erst durch Stürme und Hitze. Doch funktioniert hat er schon vorher nicht. Seit Jahren predigen alle Experten die Vorteile des Laubmischwalds, doch die Sägewerke bestehen auf Fichtenholz. Das stabile, robuste Bauholz lässt sich zwar nicht so einfach durch andere Sorten ersetzen, aber gehen würde es schon. „Es gibt viel zu wenig Forschung, Entwicklung und Umsetzungswillen in dem Bereich, in der Holz- aber auch in der Chemieindustrie“, sagt Henke. Wer weiß, vielleicht würden Bauteile künftig nicht mehr gesägt, sondern aus chemischen Holzbestandteilen wie etwa Lignin gegossen. Dann könnten auch andere Baumarten zum Zuge kommen als Fichten.
„Mit Holz haben wir hier einen heimischen Rohstoff, mit dem wir Erdöl und Baumaterial ersetzen können“, sagt von Beyme, „wenn wir kein Plastik und Beton mehr nutzen wollen, können wir den doch nicht brachliegen lassen.“ Er stellt sich 3D-Drucker vor, die Produkte aus holzbasierten Kunststoffen ausspucken; Henke erzählt von Batteriespeichern auf Ligninbasis. So verschieden die Ansichten von Henke im Rheinland und von von Beyme im Harz über den Wald als Gemeingut, als Lebensraum und als Kohlenstoffspeicher auch sein mögen – dass mit den Wirtschaftswäldern vor unseren Augen gerade eine der wichtigsten Ressourcen des Landes vernichtet wird, davor warnen sie beide.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Desaströse Lage in der Ukraine
Kyjiws Wunschzettel bleibt im dritten Kriegswinter unerfüllt
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt