Folgen von Inflation und Krieg: Krankheitsrisiko Armut
Wie viele Menschen infolge von Inflation unter Armut leiden werden, ist unklar. Klar ist aber: Die Folgen werden Generationen von Menschen belasten.
W enn ich Lebensmittelpreise sehe, frage ich mich, wie sich Menschen versorgen, die schon in normalen Zeiten ohne Inflation und Energieknappheit Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen. Laut dem „Paritätischen Armutsbericht 2022“ des Paritätischen Gesamtverbands leben in Deutschland 13,8 Millionen Menschen in Armut. Wie viel mehr Menschen durch die Folgen von Inflation und Krieg unter Armut leiden werden, kann niemand vorhersagen. In jedem Fall aber werden die Folgen Generationen von Menschen belasten. Denn Armut ist eines der größten Krankheitsrisiken.
Beispiel Pandemie: Laut RKI war die Zahl der mit Covid assoziierten Sterbefälle in der zweiten Welle in sozial benachteiligten Regionen 1,5-mal höher als in wohlhabenden, wobei Einflüsse wie Altersstruktur oder Bevölkerungsdichte bereits herausgerechnet sind. Es ist die sozioökonomische Benachteiligung, die einen signifikanten Einfluss auf die Sterberaten hat.
Grundsätzlich manifestiert sich Armut gesundheitlich auf verschiedenen Wegen. Zum einen leiden Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status häufiger an Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Krebs. Sie sterben auch früher: 13 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer aus der untersten Einkommensgruppe werden laut RKI keine 65 Jahre alt. In der höchsten Einkommensgruppe sind es 8 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer. Frühe Armutserfahrungen können bei Kindern lebenslang Beeinträchtigungen der Konzentration, des Gedächtnisses und des Lernverhaltens bewirken.
Aber auch die Krankheiten selbst laufen bei sozioökonomisch schlechter gestellten Menschen schlimmer ab. Ihr Zugang zu Gesundheitsaufklärung und damit ihr Wissen um Gesundheit und Krankheit ist eingeschränkt. Außerdem erfahren sie genau wie andere marginalisierte Gruppen im Gesundheitssystem Stigmatisierung und Diskriminierung. So weisen zum Beispiel die Krankheitsverläufe von Diabetes Typ 1 oder Brustkrebs soziale Muster auf, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schreibt.
US-amerikanische Studien zeigen außerdem, dass es bei von Armut betroffenen Menschen eine Marginalisierung in der Marginalisierung gibt. Unter armen Menschen haben Schwarze Männer die höchste Sterberate bei Prostatakrebs; Schwarze Frauen haben von allen ethnischen Gruppen das höchste Risiko, an Zervikal- oder Brustkrebs zu erkranken.
Währenddessen spricht der Finanzminister Christian Lindner in einem FAZ-Interview hinsichtlich des 9-Euro-Tickets von einer „Gratismentalität“, die nicht „zu effizientem Umgang mit Ressourcen“ führe. Das ist eines von vielen Beispielen dafür, dass Armut in Deutschland immer noch als etwas gesehen wird, woran die Menschen selbst schuld seien. Und genau deswegen wird sich an der katastrophalen Lage in absehbarer Zeit kaum etwas ändern.
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