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„Focus“ fällt auf „Titanic“-Satire hereinLinksradikale, die Feinstaub pumpen

Der Skandal, den der „Focus“ aufdeckte, war gar keiner: Eine Anleitung zur Manipulation von Abgasmessungen stammt vom Satiremagazin „Titanic“.

Kriminelle Machenschaften: Im Titanic-Video werden Autoabgase mit einem Blasebalg abgezapft Screenshot: titanicredaktion/Youtube

Es geschieht am hellichten Tag: Ein Vermummter bedient sich eines Blasebalgs, um die Abgase aus einem Autoauspuff zu sammeln. Dann erklimmt er die Abgasmessstation am Friedberger Platz in Frankfurt am Main und bläst Feinstaub und Stickoxide an die Sensoren der Station. Sein Ziel wird am Ende des Videos, das diese Tat dokumentiert, eingeblendet: „Autokonzerne bekämpfen. Diesellobby zerschlagen.“

Beim Focus wittert man einen Skandal, als man das gut einminütige Video zugespielt bekommt. Das Material stammt angeblich von einem aufmerksamen Bürger aus München, der zusätzlich einen Screenshot aus dem Internetportal Indymedia beifügt. Am Montagmorgen, 6:32 Uhr, stellt das Nachrichtenmagazin einen Bericht online: Linksradikale würden dazu aufrufen, Abgasmesswerte zu manipulieren, um Fahrverbote zu provozieren und die deutsche Automobilindustrie zu schädigen.

Die Junge Freiheit springt sofort auf und bringt ihrerseits einen Bericht, in dem sie sich auf den Focus bezieht: „Meßstationen manipulieren: Linksradikale veröffentlichen Anleitung.“ Der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Carsten Hütter teilt den Beitrag bei Twitter. Auch Die Achse des Guten schließt sich dem Sturm der Entrüstung an, der sich angesichts der Dreistigkeit autonomer Linker entfaltet.

Der Focus indes versucht, seine Leser zu beruhigen: Man habe sich mit Experten zusammengesetzt. Die hielten die im Video vorgestellte Methode für wenig effektiv, ihre Wirkung sei, so sie denn angewandt werde, zu vernachlässigen. Zwar heißt es im Titel des Berichts: „Autonome verbreiten Anleitung zur Manipulation von Feinstaub-Messstationen“, doch man versucht, abzuwägen. Eigentlich sähe das, was im Video angestellt werde, wie ein schlechter Scherz aus – jedoch scheine es den Machern durchaus ernst zu sein.

Video in wenigen Minuten gedreht und am Handy bearbeitet

Dabei gäbe es wesentlich einfachere Methoden, sagt ein Messexperte vom Karlsruher Institut für Technologie dem Magazin: Eine laufende Motorsäge oder eine brennende Kerze sei viel effektiver. Außerdem wären mehrfache, sprunghafte Anstiege der Messwerte zu auffällig, versichert man dem Focus beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie.

Also alles falscher Alarm? In der Tat. Denn kurz darauf teilt das Satiremagazin Titanic mit: Das Video sei eine simple Täuschung, der vermummte Linksradikale und der aufmerksame Münchner seien ein und derselbe Titanic-Redakteur. Moritz Hürtgen habe mit seinem Kollegen Leonard Riegel innerhalb weniger Minuten das Video gedreht und am Handy bearbeitet.

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Als eine Erwähnung des Films bei einem Vortrag nicht dazu geführt habe, dass das Video öffentliche Aufmerksamkeit erregt, verwandelte sich der Redakteur und Laien-Linksradikale Hürtgen kurzerhand in den fiktiven Münchner Michael Leitmayr. Mit einem ebenso kurzerhand gefälschten Screenshot sowie dem Video habe er sich an den Focus gewendet. Ein kurzes Telefonat genügte, um letzte Zweifel in der Redaktion des Focus auszuräumen.

„Mit großem Unbehagen“, erklärt Titanic in einer Pressemitteilung, „stellen wir bei Titanic fest, dass Focus online ohne zu zögern und exklusiv linksradikale Aufrufe teilt, die vorher nie online oder öffentlich einsehbar waren.“ Tatsächlich war das Video bis dahin zu keinem Zeitpunkt öffentlich im Internet zu finden.

Ein kurzes Telefonat genügt, um letzte Zweifel in der Redaktion des Focus auszuräumen.

Zaghafte Richtigstellung

Der Focus korrigiert sich auf seiner Website sofort. Anstelle des ursprünglichen Berichts findet man nun die Benachrichtigung, die Redaktion sei auf einen Scherz hereingefallen und bedauere das Missgeschick. Im neuen Artikel steht nun, zur Verteidigung, der Hinweis, die Vorgehensweise aus dem Video sei schließlich „rein theoretisch“ denkbar.

Der Bericht der Achse des Guten und der Tweet von Carsten Hütter sind weiterhin online. Die Junge Freiheit hat ihren Artikel zum linksautonomen Abgasskandal mit einem kurzen Hinweis versehen, es habe sich um eine Satireaktion gehandelt.

Zwar sorgt der Vorgang im Netz für Erheiterung, doch der Politikwissenschaftler Ismail Küpeli von der Uni Bochum äußerte auf Twitter Skepsis: Zehntausende Menschen, die die Berichte gelesen hätten, würden nun vielleicht gar nicht erfahren, dass die ganze Geschichte eine Fälschung war.

Ob eine kurze Richtigstellung der Berichterstatter verhindern kann, dass jene, die ohnehin gerne gegen Linke polemisieren, sich in ihrem zementierten Glauben noch bestärkt fühlen, ist fraglich. Für den Rest der Gesellschaft könnte Titanic einen wertvollen Denkanstoß geliefert haben, dass auch vermeintliche Skandale zunächst einmal stets sorgfältig auf ihre Richtigkeit überprüft werden sollten.

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12 Kommentare

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  • Und die Karoffelgelbwesten haben sich schon so gefreut über angeblich manipulierte Messstellen. Gemein das!

  • Diese Eigenschaft gehört nicht ausschließlich zu rechten oder sehr konservativen Menschen. Confirmation Bias plagt jeden, aber ich würde schon zustimmen, dass Menschen weiter ab von der Mitte eher daran glauben. Das gleiche ist kürzlich auch mit Jussie Smollett passiert, der behauptete, Opfer eines kaum vorstellbaren Hate Crimes von Trump-Supportern zu sein. Da hat auch niemand abgewartet, sondern direkt wieder gegen die andere Gruppe von Menschen gehetzt. Langsam stellt sich aber heraus, dass er das offenbar nur inszeniert hat. Habe bisher von niemandem, der Solidarität gebrüllt hat, eine Korrektur gelesen.

    Radikale Leute glauben immer, was sie glauben wollen. Egal ob rechts, links, Verschwörungstheoretiker, Impfgegner usw. Es muss nur ins eigene Weltbild passen.

  • Dem letzten Satz könnte ich nicht mehr zustimmen, allerdings solltet ihr dann auch nach dem Credo leben: "Für den Rest der Gesellschaft könnte Titanic einen wertvollen Denkanstoß geliefert haben, dass auch vermeintliche Skandale zunächst einmal stets sorgfältig auf ihre Richtigkeit überprüft werden sollten."

    Euer Artikel zu Jussie Smollett hat nach wie vor keine Updates zu den neuen Entwicklungen in seinem Fall, die sehr deutlich in die Richtung eines gestellten Überfalls deuten: www.taz.de/!5566855

  • Fokus nimmt es auch mit der Zuordnung von Fotos nicht so genau. Zum Text: "Aktivisten in (Name einer Stadt außerhalbs Deutschlands) verwendeten Sie ein Foto des CSD-Umzugs in Köln. Auf dem Foto waren ich und Freunde von mir zu sehen.

    • @rolff:

      Immer getreu der Devise des früheren Focus-Chefredakteurs Helmut Markwort: „Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken....“

      „Doch mit den Fakten nahm es der Focus manchmal nicht so genau, wie der damalige Talkshowmoderator Roger Willemsen in einem Interview mit Markwort im ZDF süffisant aufzeigte. Willemsen vernahm in seiner Sendung in geradezu inquisitorischer Weise Helmut Markwort und belegte, dass bei einigen Geschichten die Focus -Redaktion nicht gründlich genug recherchiert hatte. Die Kritik am Focus ist mittlerweile aber weitgehend verstummt.“ (Deutschlandfunk Kultur, Archiv-Auszug vom 14.01.2008)



      Die Gründe für Kritik am Focus sind damit aber offensichtlich nicht weggefallen - im Gegenteil.

  • Was wirklich passiert: Der Focus wird nicht an Glaubwürdigkeit einbüßen, denn "irgendwas wird schon dran sein" und dessen Leser möchten das Geschriebene glauben, da spielt die Wahrheit keine Rolle. Die Titanic glaubt einen weiteren Sieg für sich zu verbuchen, auf Leserseite fühlen sich die Doofen bestätigt und die Schlauen auch, weil sie doch all das durchschauen. Was für ein Circus.

  • 8G
    84935 (Profil gelöscht)

    Wenn Scheuer das mitbekommt, werden flächendeckende Manipulationen draus und der Grenzwert noch weiter hoch gesetzt, um das auszugleichen...

  • Eine sehr bemerkenswerte Eigenschaft rechter und sehr konservativer Menschen ist immer ihr Reaktionszwang.

    Wenn etwas ihre gefühlten Wahrheiten trifft, ist das wie Knöpfe drücken. Oder als ob man bei einem Hampelmann an der Schnur zieht: Sie hampeln dann und können gar nicht anders. Wenn sie erst überlegen würden und dann auch anders könnten, wären sie nicht rechts. Ich weiß nicht ob das angeboren oder erworben ist, aber das ändert sich später nur noch bei sehr wenigen Menschen.

    Das liegt letztlich daran, dass das ganze rechte Syndrom ursächlich darin besteht, dass Empfindung und Handeln unmittelbar verknüpft sind und Denken nur als Rationalisierung mittelbar daran hängt, aber nicht wirklich dazwischen steht (wie bei vernunftbegabten Menschen). Gedanken sind immer nur nachträgliche Ausrede, der Schluss steht schon vor jedem Gedanken fest.

    So ist das. Macht was draus. Es ist wirklich einfach, leider haben sie nur so wenige Tasten, dass die Melodien, die man darauf spielen kann, immer sehr eintönig klingen. Aber sie funktionieren sehr verlässlich!

    • @Mustardman:

      Das ist insofern erworben, als dass impulskontrolle nicht geübt wurde und in der Erziehung Wert aufs funktionieren gelegt wurde.

      Reflexhafte Reaktionen auf buzzworte finden sich aber in allen zirkeln fokussierter Blickrichtungen...

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Jan "ich war mal links" Fleischhauer ist auch drauf reingefallen bei der Lektüre der Jungen Freiheit.

  • Mich wundert nur, dass die Blöd-Zeitung nicht auf diese Idee gekommen ist.

  • Viva Titanic. Mehr davon