Verdacht der Vetternwirtschaft: „Handelsblatt“ zieht zurück
Teilweise revidiert die Zeitung ihre Vorwürfe gegenüber dem Verkehrsministerium. Sie hatte über Verflechtungen von Beruflichem und Privatem berichtet.
BERLIN taz | Das Handelsblatt hat seinen Filzverdacht gegenüber dem Bundesverkehrsministerium (BMDV) von Volker Wissing (FDP) und dessen Abteilungsleiter Klaus Bonhoff teilweise revidiert.
„Seit dem 28.07.2023 haben wir in mehreren Artikeln berichtet, dass der Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten am Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), Herr Prof. Dr.-Ing. Klaus Bonhoff, vermutlich mit einem bayerischen Unternehmer befreundet und mit diesem in einen gemeinsamen (Ski-) Urlaub gefahren sei“, schreibt die Zeitung in einer Klarstellung vom Mittwoch, die sie auch unter den Artikeln zum Thema auf ihrer Internet-Seite veröffentlicht hat.
„Wir haben darauf aufbauend den Verdacht verbreitet, dass die Vergabe von Fördermitteln auf Freundschaften und gemeinsame Urlaube von Herrn Prof. Dr.-Ing Bonhoff zu diesem Unternehmer zurückzuführen sei. An dieser Darstellung halten wir jedoch nicht weiter fest.“ Auch weitere Aspekte seines ursprünglichen Berichts kassierte das Medium, darunter vermeintliche Unstimmigkeiten beim Antrag für seine Honorarprofessur.
Die Berichterstattung des Handelsblatts war von etlichen Medien aufgegriffen worden, darunter von der taz. Das Verkehrsministerium selbst hatte eine interne Untersuchung eingeleitet. In einem Prüfbericht „konnte kein Fehlverhalten festgestellt werden“, sagte Staatssekretär Stefan Schnorr Ende August. Veröffentlicht wurde der Bericht allerdings nicht.
Lobbycontrol sieht den Fall weiter kritisch
Das Ministerium räumte auch einige Vorgänge ein, die allerdings nicht gegen die Verhaltensregeln des Hauses verstoßen würden. Einen Urlaub bei gleichzeitiger Zusammenarbeit habe es demnach mit dem Vorstand und dem Präsidenten des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verbands gegeben.
Der Verband habe sich auch mit Förderanträgen an Bonhoff gewandt. Der habe sie zwar an die zuständige Fachebene weitergeleitet, aber nicht die spätere Entscheidung getroffen.
Die Anti-Korruptions-Organisation Lobbycontrol findet den Fall denn auch „trotz Korrekturen an der Handelsblatt-Berichterstattung und Erklärung aus dem BMDV problematisch“, wie sie auf dem Kurznachrichtendienst X schrieb.
Leser*innenkommentare
Hannes Baldrian
Es ist erschreckend mitzuerleben, wie Vorteilsgabe im Amt abläuft. Es bleibt die stete Aufgabe der Presse, die Netzwerke der Politik, Verwaltung und deren Begünstigten im Auge zu behalten und unverdrossen über Übervorteilungen zu berichten. Auch auf kommunaler Ebene laufen Dinge ab, die eigentlich durch die Staatsanwaltschaft aufgeklärt gehören. Ist dann noch die Landespolitik mit involviert, bekommt die Staatsanwaltschaft kalte Füße und hält ihre eigene Karriereentwicklung für wichtiger und nutzt ihren Ermessensspielraum, hier nicht zu ermitteln. Nur durch eine kritische Presse bekommt auch die Staatsanwaltschaft genügend Rückendeckung aus der Gesellschaft, dem Klüngel entgegen zu wirken.