Fettes vor der Fastenzeit: Die Pfannkuchen-Frage
Erdbeermarmelade oder Pflaumenmus? Puderzucker oder Zuckerguss? Karneval fällt dieses Jahr zwar aus – Fettgebackenes gibt es aber trotzdem.
Karneval fällt dieses Jahr aus den bekannten Gründen aus. Nicht dass das die Berliner und Berlinerinnen besonders interessieren würde, die stehen dem verordneten Frohsinn eher kühl gegenüber. Aber in einer Sache sind sie dann doch an der „fünften Jahreszeit“ interessiert. Denn in dieser gibt es am Rosenmontag und Faschingsdienstag in fast jeder Bäckerei Berliner Pfannkuchen in Hülle und Fülle.
Karneval Am Donnerstag, den 11. Februar, war Weiberfastnacht. Am Montag, den 15. Februar, ist Rosenmontag. Mit dem Aschermittwoch am 17. Februar beginnt die bis Ostersonntag dauernde christliche Fastenzeit.
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Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz persönlich werden: Ich tat mich immer schwer mit den Berliner Pfannkuchen in Berlin. Da, wo ich herkomme (was soll’s: Ich bin Schwabe), nennt man den Berliner Pfannkuchen „Berliner“. Er ist in meiner Kindheitserinnerung so gut wie immer mit Erdbeer- oder Himbeermarmelade gefüllt und mit Puderzucker bestäubt. Als ich dann nach Berlin zog, in die vermeintliche Welthauptstadt dieser „Berliner“, nannte man die in Fett gebackenen Kugeln plötzlich Pfannkuchen und ich bekam sie viel zu oft mit Pflaumenmus gefüllt und mit Zuckerguss überzogen. Das war aber nicht so, wie sie für mich sein sollten.
Aber was soll das überhaupt: dort „Berliner“, hier „Pfannkuchen“? Erdbeermarmelade oder Pflaumenmus, was gehört rein in das Fettgebäck? Und warum sind die Dinger ausgerechnet an Karneval so beliebt?
Fangen wir mit der Etymologie an. Wie kam der Berliner Pfannkuchen zu seinen verschiedenen Namen? Bernd Kütscher, Direktor der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim, erklärt: „Die Geschichte des Gebäcks geht zurück bis ins 16. Jahrhundert. Die Herkunft ist wie bei vielen Traditionsgebäcken nicht mehr nachvollziehbar. Einer populären Legende nach soll ein Bäcker aus Berlin das Gebäck 1756 erfunden haben, der als Kanonier unter Friedrich dem Großen dienen wollte, sich als wehruntauglich erwies und stattdessen als Feldbäcker die Berliner als Nachbildung einer Kanonenkugel formte und backte. Dies ist aber nur ein Mythos, da das Gebäck schon 1715 erwähnt wurde, im ‚Frauenzimmer-Lexicon‘ von Amaranthes.“
Immerhin reichte dieser Mythos aus, um in den Hefekugeln, die sich im 18. und 19. Jahrhundert auch unter anderen regionalen Namen wie Krapfen oder Kreppel verbreiteten, eine aus Berlin stammende Spezialität zu sehen. Sie wurden im Großteil Westdeutschlands also aufgrund ihrer vermeintlichen Herkunft kurzerhand zu „Berlinern“. Die Universität Salzburg schreibt in ihrem „Atlas zur deutschen Alltagssprache“, dass das Gebäck in Berlin selbst dagegen „logischerweise“ ohne Benennung seines Ursprungsortes auskomme und deswegen „Pfannkuchen“ heiße. Weil der Rest der Welt unter „Pfannkuchen“ freilich wiederum etwas anderes versteht, nämlich eine dünn gebackene Mehlspeise, nennt der Berliner diese wiederum „Eierkuchen“. Es ist wirklich sehr kompliziert.
Berliininmunkki oder Bolas de Berlim
Auch international hat der Berliner Pfannkuchen Karriere gemacht. In Chile heißt er „Berlines“, in Norwegen „Berlinerboller“, in Finnland „Berliininmunkki“. In Portugal ist er als „Bolas de Berlim“ beliebt. Eine vor den Nazis geflohene Jüdin brachte ihn Ende der Dreißiger dorthin. Man füllt ihn mit „Creme pasteleiro“, einer Mischung aus Ei und Vanille, und isst ihn am liebsten im Sommer am Strand.
Warum aber wurde der Berliner Pfannkuchen zum Karnevalsklassiker? Hierzu weiß Bernd Kütscher zu berichten: „Vermutlich ist er eine Art Gegenstück zu den mageren Fastengebäcken, die in den Fastenzeiten vor allem an christlichen Feiertagen verzehrt werden mussten. In der Fastnachtszeit hat man sich mit reichhaltigen Schmalzgebäcken ein wenig Reserven für die folgende, magere Fastenzeit zugelegt.“
Marian Kalliske, Leiter der Bäcker-Innung in Berlin, glaubt, dass diese eben beschriebene Tradition immer noch wichtig ist für die Popularität des Berliner Pfannkuchens in der Hauptstadt. „Dafür verantwortlich sind auch die vielen Zuzügler, etwa aus dem Rheinland, wo eben noch Fastnacht gefeiert wird. Auch für die backen selbst die Berliner Betriebe, die mit Karneval nicht so viel zu tun haben, Pfannkuchen noch und nöcher.“ Rund achtzig Prozent der von seiner Innung vertretenen fast 70 Backhandwerksbetriebe würden ihn auch noch selber produzieren.
Als Beispiel dafür, dass da so einiges geht mit dem gefüllten Hefegebäck, nennt er die Friedrichshainer Manufaktur „Sugarclan“: „Die backen nur Pfannkuchen, und das ganz toll. Die sind sehr sehenswert und vom Geschmack her sowieso spitze.“
Man trifft Britta Sarnes, die Betreiberin des „Sugarclan“, in ihrem Laden. Vor eineinhalb Jahren hat sie ihre Manufaktur geöffnet. „Wir haben das gemacht, weil der Berliner Pfannkuchen ein Aushängeschild für Berlin ist. Kaum etwas anderes kann so gut sagen: Herzlich willkommen in Berlin“, sagt sie.
Diesen perfekt zu backen, sei eine Kunst für sich. Denn es sei sehr zeitaufwendig, mit frischer Hefe zu arbeiten. Und man könne viel falsch machen. Das bestätigt auch Marian Kalliske von der Berliner Bäcker-Innung: „Die Fettmenge muss stimmen, damit der Pfannkuchen beim Backen nicht zu viel Fett aufnimmt. Ebenso die Fetttemperatur. Sie darf nicht zu hoch sein, sonst werden sie zu schnell braun, sind aber nicht richtig durchgebacken. Ist sie zu niedrig, fallen sie ein, werden zu flach und so weiter.“ Es dürfe auch nur ein Bäckermeister Berliner Pfannkuchen backen, so Britta Barnes, anders sei das etwa bei Cupcakes. Sie selbst backt übrigens nicht, dafür hat sie eine festangestellte Bäckermeisterin.
Bleibt noch die Erdbeermarmelade- oder Pflaumenmus-Frage. Michael Isensee, Qualitätsprüfer für das Deutsche Brotinstitut, sagt: Es sei einfach so, dass sich in Westdeutschland eher die Marmelade als Füllung durchgesetzt habe, in Ostdeutschland dagegen das Pflaumenmus. Warum das so ist: „Keine Ahnung.“
So, wie ich sie am liebsten hätte, in der Erdbeermarmelade-Puderzucker-Kombi, gibt es die Berliner Pfannkuchen übrigens auch beim „Sugarclan“ nicht. „Wir verwenden keinen Puderzucker“, sagt Britta Sarnes, „weil man sich damit sofort die Klamotten versaut. Kommt Puderzucker auf einen Anzug, kann man den gleich in die Reinigung bringen.“ Es ist wirklich alles nicht so einfach mit den Berliner Pfannkuchen.
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