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Fernwärme Heizende doppelt benachteiligt

Wer mit Energie aus dem Wärmenetz heizt, zahlt oft viel und ist auf Monopolisten angewiesen. Hilft ein Preisdeckel?

Die Heizkosten sind zu hoch, bemängeln Verbraucherschützer Foto: Fabian Sommer/dpa

Auch mit der neuen Bundesregierung stehen viele Im­mo­bi­li­en­be­sit­ze­r:in­nen vor der Heizungsfrage. Sollen sie weiterhin auf Öl und Gas setzen oder zu Fernwärme, Wärmepumpe und Ökostrom wechseln? Vor diesem Hintergrund bemängeln die Verbraucherzentralen die teils zu hohen Kosten für Fernwärme und fordern eine bessere Regulierung dieser Heizenergie – was der Verband der Fernwärmefirmen wiederum ablehnt.

„Wärmenetze müssen verbraucherfreundlicher werden“

Florian Munder, vzbv

In gut jedem vierten Fernwärmenetz in Deutschland bezahlen die Privathaushalte – meistens Mietende, aber auch viele Ei­gen­tü­me­r:in­nen – 20 Cent pro Kilowattstunde und mehr. In etwa 10 Prozent der Netze liege der Preis pro Kilowattstunde Heizenergie gar bei 25 Cent oder darüber. Diese Zahlen stammen aus der aktuellen Auswertung von 576 Wärmenetzen durch den Verbraucherzentralen Bundesverband (vzbv).

Der mittlere Wert beträgt 17 Cent. Nicht zuletzt kritisiert der Verband die großen Unterschiede zwischen den Netzen: „Verbraucher:innen in einem typischen Mehrfamilienhaus zahlen bei einem Preis von 25 Cent im Vergleich zum Medianwert jährlich knapp 770 Euro mehr.“

Erdgas ist deutlich günstiger. Laut dem Vergleichsportal Verivox kostet die Kilowattstunde aktuell durchschnittlich etwa 12 Cent, wobei dieser Preis in den kommenden Jahren steigen dürfte. Schließlich schlägt hier die immer teurere Kohlendioxidbepreisung zu Buche. Eine Kilowattstunde Strom für Wärmepumpen kostet um die 27 Cent, wobei daraus aber etwa drei Kilowattstunden Heizenergie entstehen.

15 Prozent aller Wohnungen mit Fernwärme versorgt

Neben den höheren Kosten gibt es einen weiteren Nachteil: Fernwärmekunden haben keine Möglichkeit, einfach den Anbieter zu wechseln. Es gibt in der Regel nur einen lokalen oder regionalen Monopollieferanten. Überregionaler Wechsel funktioniert ebenfalls nicht, weil die einzelnen Netze nicht zusammenhängen. Außerdem gibt es bislang bei der Fernwärme keine Trennung von Netz und Verkauf. Wer also Heizwärme aus dieser Quelle bezieht, ist dem einzigen Anbieter und seinem Preis ausgeliefert.

Trotzdem sollen die Fernwärmenetze zumindest nach bisherigem politischen Willen künftig deutlich mehr Haushalte mit klimafreundlicher Heizwärme versorgen. Heute sind es etwa 15 Prozent aller Wohnungen, hauptsächlich in Städten im Osten und Norden der Republik.

Laut dem Gebäudeenergiegesetz der Ampel-Regierung müssen große Städte bis 2026, kleine bis 2028 eine Wärmeplanung vorlegen, damit die Immobilieneigentümer wissen, ob sie später mit klimaneutraler Fernwärme rechnen können oder sich selbst um eine ökologische Heizung kümmern sollten, die Öl- oder Gasbrenner ersetzt.

„Wärmenetze müssen verbraucherfreundlicher werden.“

Im Hinblick darauf sagt vzbv-Energie-Experte Florian Munder: „Wärmenetze müssen endlich verbraucherfreundlicher werden.“ Der Verband schlägt vor, dass eine Regulierungsbehörde – etwa die Bundesnetzagentur oder das Bundeskartellamt – eine Preisobergrenze festlegt, die die Fernwärmefirmen nicht überschreiten dürften.

Sie sollten zudem eine staatliche Förderung in ähnlicher Höhe erhalten, wie sie Wärmepumpen zugutekommt. „Ein Preisdeckel und eine verbesserte Transparenz sind absolut sinnvoll“, stimmt Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zu.

„Die Forderung der Verbraucherzentrale nach einer Preisregulierung gefährdet den politisch gewollten Ausbau der Wärmenetze und ganz konkret das Erreichen der Klimaziele in Deutschland“, betont dagegen der Verband der Fernwärmefirmen (AGFV). Denn „die Wärmewende erfordert immense Investitionen und andere, in der Regel teurere, Brennstoffe und Technologien“.

Auch der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW) betrachte den Vorschlag der Verbraucherzentralen kritisch: „Die Missbrauchsaufsicht durch die Kartellämter hat sich bewährt.“ Eine „starre Preisobergrenze“ lehne die Branche ab.

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15 Kommentare

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  • Würde bei Fernwärme, wie in Berlin, nicht weiterhin Gas (und Kohle) genutzt werden, dann wäre da keine CO2-Steuer, und Preis nicht abhängig vom Gaspreis.

    Ich selbst würde mal mit paar Ingenieuren und so reden wollen, ob es realistisch ist, z.B. Berlin mit E-Kesseln und Wärmespeichern warm zu halten, welche Strom z.B. nachts von Windrädern nutzen - und auch Großbatterie. Dazu dann spez. Zahlen, dazu wieviel Strom also benötigt, usw. (sowie auch ca. Kostenaufstellung des Investitionsbedarfs). Und wenn über den Daumen: 1 kWh Strom eine kWh Fernwärme, dann geht es an dem Punkt hauptsächlich um den Strompreis.

  • Der Vorteil der Fernwärme ist die Möglichkeit der Jahresspeicherung von Wärme, die im Sommer mit Solarenergie und teilweise auch mit Windenergie gewonnen wird.



    Bislang ist das fast nirgendwo der Fall.

  • Vor allem braucht es erleichterte Flächenausweisungen für solare Freiflächenanlagen, damit die Fernwärmebetreiber diese preiswerte Energie auch nutzen und in ihre Netze einspeisen können.

    Erst danach, bzw. wenn sie es trotz der Möglichkeit unterlassen, kann man über Preisobergrenzen nachdenken.

    Zusätzlich zu den hohen Verbraucherpreisen gibt es fr die Fernwärme übrigens auch Förderung für die Kraft-Wärme-Kopplung, auch bei Nutzung fossiler Energien. Das sollte zuerst weg.

    • @meerwind7:

      Man kann auch den Zoll auf Ananas senken, um Alaska zu helfen. Photovoltaik liefert 42 der Jahresarbeit in drei Sommer- und 7 % in drei Wintermonaten. Die Herbst- und Frühjahrsviertel fallen mit je 25 % durchschnittlich aus. Auch der Warmwasserbedarf sinkt im Sommer spürbar.

  • Fernwärme ist halt nicht die einzige Möglichkeit, die Kosten für den Wohnungsnutzer in die Höhe zu treiben. Es gab auch Vermieter und Eigentümergemeinschaften, die das Nachdenken üer die Heizung scheuten und die bzw. deren Betrieb an Externe verkauften (wo die Eigentumsverhältnisse nach mehreren Firmenaufkäufen auch nicht mehr nachzuvollziehen sind). Und nun läuft so ein Vertrag noch Jahre, obwohl sich die Rahmenbedingungen derweil so geändert haben, daß man Wohnungsinteressenten die aktuellen Kosten für Warmwasser und Heizung kaum noch beziffern mag ...

    • @dtx:

      Und es gibt Bauträger, die die Heizung gleich auslagern und wo die Käufer eine Immobilie ohne Heizung erwerben.

  • Die hohen Preise für Fernwärme stimmen. Sie haben einen Grund, die hohen Kosten. Die "Preisobergrenze" aus dem Werkzeugkoffer der Planwirtschaft bedeutet dann nur, daß nicht die Nutzer ihre Fernwärme bezahlen sondern alle anderen Steuer-, Gebühren-, und Beitragszahler.



    Die hier einfach so hingeschriebene "klimaneutrale Fernwärme" gibt es nicht und wird es nie geben. Ein zentrales Heizwerk muß sehr große Leistung auf engstem Raum liefern. Das geht nur fossil, dezentrale Quellen wie Bodenwärme scheiden komplett aus. Die hohe Vorlauftemperatur von mehr als 100 °C macht Brennwerttechnik unmöglich, die Verteilungsverluste kommen dazu. Wenn Gas, wird es für dieselbe Heizwärme also sehr viel mehr Gas mit sehr viel größerer Emission sein, als bei heutigen optimierten Etagenheizungen. Bei gut gedämmten Häusern wird der Anteil des Warmwassers wichtiger. In unserem Neubau stellt es 60 % des gesamten Wärmebedarfes. Schon eine zentrale Gebäudeheizung mit ihren 50 % Verteilungsverlust -- ein für Warmwasser typischer Wert -- sieht gegen die verbrauchernahen Etageneinheiten sehr alt aus, auch wenn sie wie bei uns von einer Wärmepumpe mit Bodensonden gespeist wird.

    • @Axel Berger:

      Es gibt jetzt schon Mittelwärmenetze, die mit Wärmepumpen funktionieren. Die Wärme stammt nicht aus der Luft, sondern aus Abwässern oder anderen ohnehin anfallenden Quellen, und werden mit Wärmepumpe soweit verdichtet, dass es für mittelgroße Netze ausreicht.



      Solche Wärmepumpen laufen mit konstanter Außentemperatur gleichmäßig durch, was sie nochmal effizienter macht als die Wärmepumpe, die jeder vor dem eignen Haus stehen haben würde.



      Solche Netze sind bisher sehr sehr selten. Fernwärme mit Gaskraftwerken ohne weitere Nutzung sind alles andere als Klimaneutral, da kann ihnen niemand widersprechen.



      Aber dass Fernwärme nur fossil möglich wäre, stimmt nicht.

  • @taz die Kosten für die Wärmepumpe sind nicht fair / vergleichbar dargestellt. Wenn alle anderen Energieträger pro kWh Wärme sind, ist es verwirrend, wenn der Preis bei Wärmepumpen pro 3 kWh angegeben wird und der Leser selbst umrechnen muss.



    Abgesehen davon ist der Faktor 3 recht Pessimistisch, ich kann mir vorstellen das der Durchschnitt eher bei fast 4 liegt - das spart viel Geld

    • @Solar4Life:

      Für Neubauten mit freier Grundstücksfläche haben Sie recht. Hier geht es um die Umrüstung im städtischen Bestand.

    • @Solar4Life:

      Der Vergleich ist natürlich völlig unfair. Bei dem einen hat man 1000 Euro Anschlusskosten, beim anderen 30.000 Euro. Da dann den reinen Centpreis pro Kilowattstunde ohne Anschlusskosten zu vergleichen geht natürlich in die Irre.^^

    • @Solar4Life:

      Wenigstens jetzt ist de Formulierung doch sehr verständlich:

      "Eine Kilowattstunde Strom für Wärmepumpen kostet um die 27 Cent, wobei daraus aber etwa drei Kilowattstunden Heizenergie entstehen."

  • Die Fernwärme ist ein schwieriges Thema. Allein schon die Anschlusspflicht für alle in Reichweite ist ein heikles Thema. Während Bürokratisierung Kosten verursacht, somit die engere Überwachung also keineswegs über jeden berechtigten Zweifel hinaus gut ist, ist das Monopoldasein eine Katastrophe für die Preisfestlegung. Da mag die Rechnung am Anfang noch so gut ausgesehen haben.

    Einen Tod wird man sterben müssen.

  • Solange die Monopolfragen und ihr Missbrauch nicht geklärt und gesetzlich gedeckelt sind, kann ich alle, deren Kommune Fernwärme plant, nur dazu aufrufen, dagegen aufzustehen und sich zu wehren.

    Fernwärme ist meistens eine kommunale Angelegenheit. Wenn man weiß, dass die Stadtwerke für die meisten Kommunen die Haupteinnahmequelle sind, wird klar, dass hier ein Zielkonflikt gegeben ist - egal ob die Kommune das Fernwärmenetz selber bewirtschaftet oder von einer Firma bewirtschaften lässt.

    Im Fall klammer Kassen ist dabei dem Bürgermeister immer das Stadtsäckel näher als seine Bürger und Wähler.

    Welches Missbrauchspotential in Fernwärme steckt, sah man 2022 in der Energiekrise, wo Aufschläge von 800 % keine Seltenheit waren, bis der Gesetzgeber eingriff. Wer sagt, dass solche Szenarien sich nicht wiederholen können?

    Bevor die Frage des Gemeinwohls bei Fernwärme nicht geklärt ist, sollte Bürgern die Wahlfreiheit nicht verweigert werden, wie es viele Kommunen tun, um ihre Investition durch Zwang abzusichern, siehe die Pläne von Mannheim.

    Vielleicht hilft ein Blick nach Osteuropa, wo Kommunen mehr Erfahrung mit Fernwärme haben - und es die hier bekannten Preisschocks nicht gibt.

    • @rakader:

      Staatliche Stützung mit dem Geld anderer Leute ist das Gegenteil von Gemeinwohl. Sie bestraft Sparer und belohnt Verschwender, zumal gerade im Heizungsbereich Sparen meist Aufwand und (Investitions-)Kosten bedeutet.



      Fernwärme *ist* ganz einfach teuer und der Preis spiegelt Aufwand und verbunden damit immer auch Emission wider. Dieses Preissignal zu verschleiern führt zwangsläufig zu Fehlallokation und dadurch zu mehr Emission, mehr Rohstoffverbrauch und weniger Nutzen für alle.