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Familienministerin bittet um EntlassungGiffey tritt als Ministerin zurück

Familienministerin Franziska Giffey gibt ihr Amt wegen Ungereimtheiten in ihrer Doktorarbeit auf. Sie bleibt aber SPD-Spitzenkandidatin in Berlin.

Konzentriert sich auf den Wahlkampf in Berlin: Ex-Familienministerin Franziska Giffey Foto: dpa

Berlin epd/rtr | Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) ist von ihrem Amt zurückgetreten. Das Ministerium bestätigte am Mittwoch in Berlin eine Meldung des Magazins Focus, wonach die 43-Jährige am Vormittag bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um ihre Entlassung gebeten hat. Sie trete weiterhin als Spitzenkandidatin der SPD für das Berliner Abgeordnetenhaus an, teilte Giffey mit. Darauf wolle sie sich nun konzentrieren.

Die Berliner SPD gehe „nun mit einer Spitzenkandidatin in den Wahlkampf, die sich mit ganzer Kraft auf ihre Herzenssache Berlin konzentriert“, erklärte Ko-Landesparteichef Raed Saleh am Mittwoch.

Hintergrund für Giffeys Rücktritt ist die Diskussion um ihren Doktortitel. Dem focus-Bericht zufolge steht Giffey eine Aberkennung des Titels durch die Freie Universität Berlin bevor.

Die Freie Universität Berlin habe ihr bis Anfang Juni Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die sie auch wahrnehmen wolle, teilte Giffey am Mittwoch mit. „Die Mitglieder der Bundesregierung, meine Partei und die Öffentlichkeit haben aber schon jetzt Anspruch auf Klarheit und Verbindlichkeit. Daher habe ich mich entschieden, die Bundeskanzlerin um Entlassung durch den Bundespräsidenten aus meinem Amt als Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu bitten.“

Franziska Giffey ist seit März 2018 Bundesfamilienministerin. Seit November 2020 ist Giffey die Vorsitzende der SPD Berlin und deren Spitzenkandidatin für das Amt des Regierenden Bürgermeisters.

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19 Kommentare

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  • Das „Schauspiel“ von Frau Giffey und der Berliner SPD halte ich für unmoralisch und unangemessen.



    Der „erschwindelte“ Doktortitel hat Frau Giffey Türen geöffnet und berufliche Vorteile gebracht.



    Wenn der Dotortitel rückwirkend aberkannt wird, sollte sie auch auf alle erhaltenen Vorteile rückwirkend verzichten und sich nicht mit Unterstützung der Landes SPD noch einen gut bezahlten Job im Abgeordnetenhaus sichern.



    Das wäre ein Schlag ins Gesicht für jede/n Arbeitnehmer*innen, die wegen kleinerer „Schummeleien“ in Job-Bewerbungen nachträglich ihre Jobs verlieren oder aus ihren festen Arbeitsverträgen entlassen werden.



    Denkt Frau Giffey, sie sei etwas Besseres als Berliner „Arbeitnehmer*innen?



    Was ist das für eine sogenannte Arbeiterpartei, die diese Sache auch noch schön redet und unterstützt?



    Noch schlimmer - Frau Giffey und die SPD möchten nun, dass die Wähler*innen über Ihre Verfehlung entscheiden. Soll das verantwortungs- und vertrauensvolle Politik sein?

  • Weshalb müssen Volksvertreter überhaupt einen Doktortitel haben? Oder ist der Doktortitel vielleicht als späterer Lobbyist in der Wirtschaft hilfreicher? Vor einigen Jahren wurde ja schon mal der Vorschlag gemacht, dass man nur noch die "harten" Studiengänge, also die MINT-Fächern, promovieren lassen sollte. Wäre vielleicht gar nicht mal so schlecht, denn Mathematik kann man nicht einfach mal "zitieren", die muss man selbst machen. *LOL*

    Ein Volksvertreter soll ja eigentlich das Volk vertreten und dazu benötigt man keine akademischen Weihen, besonders, wenn der Doktortitel nur als Karrieresprungbrett dient, aber ansonsten für das Wohl des Bürgers total egal ist - jedenfalls, wenn es sich um einen echten Volksvertreter handelt. Gibt es eigentlich noch echte Volksvertreter oder sind die schon ausgestorben?

  • 6G
    6120 (Profil gelöscht)

    Zu dem Plagiatsvorwurf mag man stehen wie man will. Auch die generellen politischen und menschlichen Qualitäten von Frau Giffey will ich gar nicht in Abrede stellen.

    Eines aber möchte ich festhalten. Nun weiss ich endlich, dass "ein bisschen schwanger sein" doch möglich ist: Als Bundesministerin wegen des Plagiatsvorwurfs zurücktreten - und gleichzeitig als Berliner Kandidatin politisch weitermachen!

    Ich glaube, für den Job als Wahlkampfhelfer bzw. Wahlkampfhelferin für die SPD in Berlin würde ich jetzt Schmerzensgeldzuschlag von der SPD verlangen wollen.

  • Dabei ist doch Verkehrsminister Andreas Scheuer eigentlich lange vorher schon für einen Rücktritt fällig gewesen. Sieht so aus, als würden sich die Frauen in der Politik neuerdings vordrängeln.

  • Was nirgends diskutiert wird, auch in dieser Zeitung nicht, ist das strukturelle Problem, hinter solchen regelmäßig auftretenden Skandalen. Die Fragen, die die Medien eigentlich stellen müssten, sind: Wie ist es möglich, dass so häufig Doktorarbeiten von Politikern wissenschaftlichen Standards nicht genügen? Ist das ein Problem, dass bei Titelträgern außerhalb der Politik genau so oft auftritt? Und wenn nicht, welche Gefälligkeiten erhoffen sich Professoren, wenn sie angehenden Jungpolitikern Doktortitel hinterher werfen? Warum wird den verantwortlichen Professoren nicht die Lehrerlaubnis entzogen oder zumindest das Recht Doktoreltern zu sein? Wird so etwas auf der Seite der Professoren überhaupt irgendwie sanktioniert?

    • @Ruediger:

      Die Antwort ist eigentlich einfach. Die Prüfung war - zumindest in der Vergangenheit - faktisch nicht möglich. In meiner (eher kurzen Doktorarbeit) sind mind. 200 Werke zitiert und knapp 1000 Fußnoten enthalten. Dies kann von einem Doktorvater/mutter wenn überhaupt nur stichprobenartig geprüft werden. Es kommt hier darauf an, dass der Doktorand sich selbst der Bedeutung bewusst ist.

      Die aktuelle Möglichkeit zur Überprüfung ist nur aufgrund der deutlich leistungsstärkeren EDV und dem Umstand möglich, dass immer mehr Werke digital vorhanden sind. Daher prüfen Unis mittlerweile anhand von Software, ob es Plagiatsstellen gibt. Das war vor ca. 2010 aber gar nicht möglich.

      Daher: Die Doktorväter und -mütter werden hier genauso hinter das Licht geführt.

      • @Strolch:

        Frau Giffey hat ihre Doktorarbeit nicht irgendwann in grauer Vorzeit auf der Schreibmaschine geschrieben, sie hat ihren Titel in 2010 brkommen, kurz bevor Guttenberg zurücktreten musste.

        • @Ruediger:

          Ja, nach Guttenberg wurden die erste Software an Universitäten eingeführt. Wenn Sie sich erinnern, kam in dieser Zeit das Plagiat suchen auf. Das verdanken wir, dass damals auf einen Schlag viele Personen/Politiker/Prominente am Pranger standen, von „Laien“ überführt. Früher gab es das nicht, da die Kontrolle von Fußnoten per Hand Wochen dauert.

    • @Ruediger:

      Gute Fragen. Schließlich muss doch der Doktorvater (oder die Doktormutter?) die Arbeit geprüft haben, oder?

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Nachdem die FU im Jahr 2019 eine



    2. Überprüfung der Arbeit vorgenommen und eine Entscheidung auf NICHTaberkennung des Titels getroffen hatte, wurde das Verfahren im Jahr 2020 erneut aufgerollt.



    ==



    ==



    Dies geschah über ein Jahr nach dem abschließenden und rechtskräftigen Verwaltungsakt aus dem Jahr 2019.



    ==



    ==



    Giffey steht weiterhin zu Ihrer Aussage die Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben zu haben – und zwar so wie die wissenschaftliche Begleitung der Arbeit / Professur / FB Politikwissenschaft/OSI/ FU es mit Giffey abgestimmt hatte.

    Giffey im Original:



    „Ich bedauere, wenn mir dabei (Beim Schreiben der Diss.) Fehler unterlaufen sind. Sollte die FU in ihrer nunmehr dritten Überprüfung meiner Arbeit zu dem Ergebnis kommen, mir den Titel abzuerkennen, werde ich diese Entscheidung akzeptieren.“

    ==

    Abgesehen von der Frage wie es möglich ist, eine rechtsgültige Entscheidung aus 2019 zu kippen -- bei der die Einspruchsfrist schon lange abgelaufen war, hat sich die FU nicht mit Ruhm bekleckert.

    Auch eine Methode Existenzen und Karrieren möglichst sinnfrei zu zerstören.

    Was bleibt ist Giffey alles Gute und viel Glück zu wünschen in Ihrem neuen Job in Berlin.

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @06438 (Profil gelöscht):

      Vermutlich wurde der Kommission mit Vroni Plag gedroht und der Druck der Printmedien und der Foristen tut sein Übriges.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Wie das möglich ist? AfD und CDU haben dort Hand in Hand gearbeitet und behauptet für die Rüge welche die FU ausgesprochen hat gäbe es keine Rechtsgrundlage.



      Am Ende hat sich der misogyne Hass der Rechtsparteien durchgesetzt, die es nicht ertragen können wenn ein Frau als Akademikerin und Politikerin erfolgreich ist.

  • Ach, als Ministerin tritt sie zurück, aber für das kaputte Berlin, das seit einiger Zeit der internationalen und oft anonymen Immobilienlobby zum Fraß vorgeworfen wird, ist sie gut genug?

    Canan Bayram will ein neues Gesetz einbringen, dass auch Mietobergrenzen beim Gewerbe vorsieht. Das ist der richtige Ansatz,



    man kann nur die Leute noch unterstützen, die sich nach dem Aus für den Mietendeckel für die Rekommunalisierung von Wohnungen engagieren, oder das Vorkaufsrecht in den Bezirken wahrnehmen.

  • ENDLICH !!

    • @Günter Witte:

      Also ich finde, da sollten ganz andere Minister und Politiker zurücktreten wegen Politikversagen.

  • 9G
    92293 (Profil gelöscht)

    Wer übernimmt nun das Ministerium, wird wohl bei der spd bleiben. Chebli Ernst oder doch jemand aus dem Bundestag

  • Oje. Ich finde sie so sympathisch. Auch ihre Entscheidung spricht für sie. Hoffentlich nicht das Ende ihrer politischen Karriere...

    • @Jossi Blum:

      Voll. Der Rücktritt im Vorfeld der bevorstehenden Aberkennung und der damit verbundenen Schlagzeilen wirkt auf mich auch einfach nur mutig! Eine erwachsene und altruistische Entscheidung ...

    • @Jossi Blum:

      Ja, sympathisch ist sie schon. Das ist schon mal deutlich mehr als Andi Scheuer so als Mensch vorzuweisen hat. Und sonderlich viel kaputt gemacht hat sie auch nicht - wieder besser als Scheuer. Aber viel bleibt von den etwa drei Jahren im Ministerium nicht