Faeser will keine Verlängerung: Wieder Debatte um Grenzkontrollen
Mit Ende der EM laufen die verschärften Grenzkontrollen wieder aus. Union und FDP aber wollen eine Verlängerung. Faeser ist dagegen.
Auch die CDU-Abgeordnete Julia Klöckner forderte, die Grenzkontrollen fortzusetzen. „Der Migrationsdruck auf die europäischen Außengrenzen ist noch immer viel zu hoch, die Kommunen sind finanziell und organisatorisch nach wie vor extrem überlastet“, erklärte sie am Sonntag.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sprach sich ebenso für eine Verlängerung der Kontrollen aus. Diese führten dazu, „dass wir sehr effektiv diejenigen aufgreifen, die illegal ins Land kommen wollen“, sagte Dürr den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die Entscheidung darüber liegt allerdings beim Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) – und dieses wies den Vorschlag zurück. Faeser hatte bei der Europäischen Union wegen der EM an allen Grenzen Kontrollen bis zum 19. Juli angemeldet – danach laufen diese wieder aus. Das Turnier endet am Sonntagabend mit dem Finale zwischen England und Spanien. Wie vorher schon wird es danach aber weiter temporäre Kontrollen an den Grenzen zu Österreich, der Schweiz, Tschechien und Polen geben.
„Nur eine ultima ratio“
Die Kontrollen an den deutschen Grenzen während der EM seien „nur zeitlich begrenzt und als ultima ratio“ gedacht gewesen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der „Bild am Sonntag“. Weitere bundesweite Kontrollen müsste Deutschland bei der EU anmelden. Dies sei aber nicht geplant. Bis zu 22.000 Bundespolizistinnen und Bundespolizisten sind laut Faeser während der EM täglich im Einsatz – an den Grenzen und auch in den Spielorten des Turniers.
Ein Sprecher des Innenministeriums hatte vor wenigen Tagen Zahlen der temporären Grenzkontrollen für den Zeitraum vom 7. bis 27. Juni publik gemacht. Demnach wurden rund 600 offene Haftbefehle vollstreckt und rund 150 Schleuser vorläufig festgenommen. In rund 3.200 Fällen habe es „Einreise verhindernde Maßnahmen“ gegeben. Eine vorläufige Bilanz für den gesamten EM-Zeitraum will das Ministerium am Montag ziehen.
Laut Bundespolizei waren rund ein Drittel der unerlaubten Einreisen an den Grenzen zu Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlanden, Dänemark sowie im See- und Luftverkehr festgestellt worden. Dort werde die Bundespolizei in Zukunft „das Instrument der Schleierfahndung einsetzen, um mit gezielten Kontrollen gegen grenzüberschreitende Kriminalität vorzugehen“, hieß es dem „BamS“-Bericht zufolge aus dem Bundesinnenministerium. Die Bundespolizei kann dort dann keine Zurückweisungen an der Grenze mehr vornehmen.
FDP-Fraktionschef Dürr hingegen empfahl die Beibehaltung der Grenzkontrollen als Überbrückungsmaßnahme bis zur Umsetzung des geplanten EU-Asylsystems. „Wenn wir ein System haben, das die europäischen Außengrenzen komplett schützt, kann man die Kontrollen der Binnengrenzen wieder abschaffen“, sagte er den Funke-Zeitungen. „Aber vorläufig ist das ein sehr effektives Instrument.“
Die Union lobte Dürr. Der FDP-Politiker habe „verstanden, dass die Sicherheitslage es erforderlich macht, die deutschen Grenzen über die Fußball-EM hinaus stärker zu kontrollieren“, erklärte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU). Die Zahlen der festgenommenen Schleuser und verhinderten, unerlaubten Einreisen belegten „auf eindrucksvolle Weise den Wert der Grenzkontrollen“. Auch kontrollierte Grenzen „bleiben ja trotzdem offene Grenzen“, fügte Throm hinzu.
CSU-Mann Huber betonte, dass für eine Verlängerung der Grenzkontrollen die Zahl der Polizeibeamten massiv erhöht werden müsse, wie es in Bayern seit Jahren geschehe. „Die bayerische Grenzpolizei ist Vorbild für ganz Deutschland. Dass Bundesinnenministerin Faeser die Faktenlage ignoriert und Deutschlands Sicherheitslage so verschlechtert, zeigt, dass sie eine Fehlbesetzung ist.“
Auch Polizei ist gegen eine Verlängerung der Kontrollen
Widerspruch zur Verlängerung der Grenzkontrollen kommt dagegen von der Bundespolizei. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, sieht dafür keine personellen Voraussetzungen. „Die Grenzkontrollen haben während der EM zu 100 Prozent funktioniert“, sagte Roßkopf dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es sei aber „nicht auf Dauer durchhaltbar, die Grenzen in dieser Intensität zu schützen“.
Auch der Koalitionspartner Grüne lehnte den Vorstoß ab. Bisherige Erfahrungen mit Grenzkontrollen hätten gezeigt, „wie gigantisch der Aufwand und wie gering der Effekt ist“, sagte der Grünen-Innenexperte Marcel Emmerich dem „Tagesspiegel“. Der besondere Umstand der Fußball-EM habe die Kontrollen gerechtfertigt – mehr sei aber nicht drin, sagte der Grünen-Politiker. „Es ist eine Sache, mit temporären Grenzkontrollen den Kontrolldruck auf Hooligans, potenzielle Terroristen und andere Kriminelle zu erhöhen, und eine andere, mit stationären Kontrollen an 2000 Kilometern Binnengrenze jahrelang zu versuchen, die Migration zu reduzieren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül