Extremwetterkongress und Klimawandel: Flutrisiko verdoppelt

Experten warnen, dass sich der Klimawandel bereits exponentiell verstärkt, schnell voranschreitet. Die Gründe dafür sind vielseitig.

Eine überflutete Landschaft in Brandenburg

Das Hochwasser der Oder hat bereits weite Teile des Odervorlandes in Brandenburg bis zum Deich überflutet Foto: Patrick Pleul/dpa

BERLIN taz | Der Extremwetterkongress 2024 in Hamburg begann mit einer klaren Ansage: „Der Klimawandel verläuft nicht mehr linear, sondern exponentiell“, bilanzierte Frank Böttcher, Vorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft, am Mittwoch. 80 Jahre habe es gedauert, bis sich die Erde um 0,5 Grad aufheizte, die Erwärmung um ein weiteres Grad dauerte 23 Jahre. „Die nächsten 0,5 Grad folgen schon in 12 Jahren“, sagte der Meteorologe. Und: „Wir können nicht mehr ausschließen, dass es Mitte des Jahrhunderts bereits 3 Grad sein werden.“

Die Folgen dieses Temperaturanstiegs dürften immer verheerender werden, das belegt das „Faktenpapier 2024 des Deutschen Wetterdienstes“, das passend zum Kongress veröffentlicht wurde: „Die Extreme werden häufiger und intensiver“, erklärt Tobias Fuchs, Klima-Vorstand beim Deutschen Wetterdienst DWD. Nie seit Beginn der Messungen im 19. Jahrhundert habe es binnen 12 Monaten in Deutschland so viel Regen gegeben wie zwischen den Julimonaten 2023 und 2024.

2022 war das zunächst wärmste Jahr seitdem, 2023 übertraf dessen Temperaturen allerdings bereits. „2024 ist schon wieder auf Rekordjagd“, so Fuchs. „Wir hatten Glück, dass es keine neue Hitzewelle gab. Aber der Februar war beispielsweise 6 Grad wärmer als jeder Februar der Referenzperiode 1961 bis 1990.“

Eckart von Hirschhausen, Wissenschaftsjournalist

„Jahrhundertflut? Wir leben in einem Flutjahrhundert“

„Hört auf, von Jahrhundertfluten zu reden, wir leben in einem Flutjahrhundert“, fordert der Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen. Er verweist darauf, dass die Oder in Brandenburg gerade die Hochwasserstufe vier erreicht hat – und fragt: „Wie kann es sein, dass 30 Prozent der Brandenburger eine Partei wählen, die den Klimawandel leugnet?“

Klimawandel als Gesundheitsrisiko

Von Hirschhausen, der eine „Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ gegründet hat, konstatiert eine fehlende Verknüpfung zwischen abstrakter Meteorologie und Gesundheit: „Jeder will gesund bleiben“, so von Hirschhausen, der früher selbst als Arzt tätig war.

Das aber gefährde der Klimawandel: Ab 42 Grad Celsius gerinnt das menschliche Eiweiß, der Tod ist unausweichlich. „41,2 Grad ist bislang die Höchsttemperatur in Deutschland“, warnt DWD-Experte Fuchs. Auch er geht davon aus, dass bereits Mitte des Jahrhunderts die 42 Grad in Deutschland überschritten werden.

Wie stark die Wetterextreme durch den Klimawandel beeinflusst werden, lässt sich mittlerweile wissenschaftlich sehr gut auswerten. Dazu gibt es die sogenannte Attributionsforschung. Auf dem Hamburger Extremwetterkongress stellte Klaus Haslinger vom österreichischen meteorologischen Dienst Geo­sphere die Ergebnisse einer Untersuchung vor, die zeigen, wie die gestiegene Globaltemperatur das großräumige Hochwasser in Polen, Tschechien, Österreich und Rumänien der vergangenen Tage beeinflusst hat.

Ursache für Extremwetter

„Der Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit für ein derartiges, großräumiges Ereignis verdoppelt“, sagte Haslinger. Die Wissenschaftler-Initiative World Weather Attribution erklärte, die Niederschläge des Sturms „Boris“ vom 12. bis 15. September entsprächen dem bisher stärksten Vier-Tage-Regen, den es in Mitteleuropa seit Beginn der Aufzeichnungen 1940 gegeben habe.

Dass solche Extreme zunehmen, sagt die Wissenschaft seit 30 Jahren. „In der Klimakommunikation ist etwas schiefgelaufen“, sagt Meteorologe Böttcher. Von Hirschhausen macht dabei etwa ein fehlendes Tempo­limit als Problem aus. Einer der Gründe dafür nach seinen Worten: „Die fossile Mafia verdient jeden Tag 3 Milliarden Euro.“

„Jeder Euro, der heute nicht in Klimaschutz investiert wird, kostet uns 2 bis 7 Euro, um die Folgen der Extremwetter zu beseitigen“, warnte der ARD-Meteorologe Sven Plöger. Er sprach davon, dass es auch „Wohlstandsängste“ gebe, die die Deutschen daran hinderten, mit echtem Klimaschutz zu beginnen: „Wer Angst hat vor dem, was kommt, klammert sich an das, was sich bewährt hat.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben