Extremismus in Westafrika: Der Terror rückt an die Küste vor
Mali, Niger und Burkina Faso werden von islamistischem Terror heimgesucht. Nun rechnen auch die Elfenbeinküste, Togo und Benin mit zunehmender Gewalt.
Laut Armee sollen Gruppierungen der dschihadistischen „Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime“ (JNIM) aus Mali für den Überfall verantwortlich sein. Vor Ort wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass es sich auch einfach um Banditen handeln könnte.
Porga ist kein Einzelfall. Vor einem halben Jahr warnte das niederländische Clingendael Institute bereits: „Nordbenin ist in Gefahr. Gewaltbereite extremistische Organisationen durchqueren regelmäßig das beninische Territorium, und es gibt mindestens drei Gebiete, in denen ihre vorübergehende Anwesenheit sehr häufig ist.“ Genannt werden Malanville, Kalale und der Pendjari-Park.
Einen weiteren Überfall gab es vor rund zwei Wochen in Banikoara östlich des Pendjari. Auch der Norden Togos ist betroffen, ebenso die Elfenbeinküste. Dort werden im Norden seit Langem regelmäßig kleine Überfälle beobachtet. All diese Gebiete grenzen an Burkina Faso, wo die Ausbreitung des dschihadistischen Terrors über den Großteil des Landes mittlerweile Massenproteste und die Auswechslung der Regierung zur Folge gehabt hat.
Im September besuchte Stephen Townsend, Kommandant des US-Afrika-Kommandos Africom, Togo und Benin. Er sagte, man wolle den Partnerländern helfen, ihre nördlichen Grenzgebiete besser zu schützen und die Sicherheitszusammenarbeit in der gesamten Region zu verbessern. „Alle sind besorgt über die Entwicklung“, sagt Mathias Hounkpé, Analyst der Open Society Initiative West Africa (OSIWA) mit Hauptsitz in Senegals Hauptstadt Dakar.
Terroristen und bewaffnete Banditen sind seit über einem Jahrzehnt in Westafrika aktiv, von islamistischen Untergrundkämpfern in Mali bis zu Boko Haram in Nigeria. „Seit einigen Jahren beobachten wir eine geografische Expansion“, sagt William Assanvo, Analyst des südafrikanischen Instituts für Sicherheitsstudien (ISS).
Sorglosigkeit in den Küstenstaaten
Aus Sicht von Analysten wirkten die Regierungen der Küstenstaaten bisher einigermaßen sorglos. „Man hat immer gedacht, es sei möglich, niemand konnte es sich aber konkret vorstellen“, so Hounkpé. Dabei starben bereits im März 2016 19 Menschen bei einem Terroranschlag in Grand Bassam, ein beliebter Ausflugsort am Atlantik nahe Abidjan in der Elfenbeinküste. Und in der Nacht zum 1. Mai 2019 wurde im Pendjari-Park in Benin erstmals ein Touristenführer ermordet und zwei Franzosen wurden entführt.
Häufig, sagt Assanvo, würden solche Angriffe und Attacken als rein externes Phänomen abgetan, das vor allem Nachbarstaaten wie Burkina Faso angehe. Gerade Burkina Faso würde jedoch zeigen, wie schnell aus von außen hereingetragenen Entwicklungen dauerhafte Probleme im Land werden.
Ungeschützte Grenzen
Dazu tragen ungeschützte Grenzen bei, die leicht überquert werden können. Dass die Terroristen ausgerechnet jetzt in Richtung Süden drängen, liegt laut Hounkpé auch an Machtkämpfen zwischen JNIM, das al-Qaida nahesteht, und dem rivalisierenden „Islamischen Staat in der Großen Sahara“ (ISGS). Nicht immer ist jedoch klar, ob Gewalt tatsächlich von Dschihadisten ausgeht oder ob lokale Milizen Übergriffe begehen oder bewaffnete Kriminelle am Werk sind, die durch die Region Drogen und Menschen schmuggeln wollen.
Für William Assanvo ist die Präsenz der Dschihadisten mittlerweile ausreichend belegt. Gleichzeitig sei aber auch Bandenkriminalität eine Realität. „Mitunter beobachten wir, dass diese sich verringert, wenn dschihadistische Gruppen vor Ort sind.“
Für mehr Sicherheit in den Küstenstaaten müsse es bessere Überwachungsmechanismen geben, sagt Assanvo. Zentral sei auch, dass es Burkina Faso gelinge, sein Staatsgebiet wieder unter Kontrolle zu bringen. Neben dem Norden des Landes, der nach Mali offen ist, betrifft Gewalt zunehmend den Südwesten, durch den die wichtigen Handelsrouten Richtung Elfenbeinküste verlaufen. Mit Nadiagou hat JNIM Ende November wohl zum ersten Mal ein Dorf im Süden von Burkina Faso besetzt, nahe Togo und Benin.
„Gerade zwischen diesen drei Ländern muss die Zusammenarbeit verbessert werden“, sagt Assanvo. Wichtig sei außerdem, dass der Staat in Grenzregionen angemessene Lebensbedingungen für die Bewohner*innen herstellt: Zugang zu Bildungsangeboten, bezahlte Arbeit und Gesundheitsversorgung.
Frankreich unter Druck
Auch die französische Armee, die im Rahmen ihrer Antiterrormission Barkhane noch über 5.000 Soldat*innen in Mali stationiert hat, steht unter großem Druck. Sie wird in Mali, Niger und Burkina Faso von Teilen der Bevölkerung offen angefeindet und zieht gerade mehrere Tausend Soldaten aus Mali ab. Ihre Basen in Tessalit, Kidal und Timbuktu, von denen aus sie Antiterroroperationen durchführte, hat sie bereits der weniger kampffähigen malischen Armee übergeben.
Frankreich, das in der Elfenbeinküste eine ständige Militärbasis unterhält, konzentriert sich jetzt mehr auf die Sicherheit der Küstenstaaten und setzt darauf, dass die Militärs dieser Länder enger zusammenarbeiten.
Westafrikanische Armeen haben in den vergangenen Wochen mehrere gemeinsame Operationen durchgeführt. An „Koudanlgou 4“ nahmen 5.720 Angehörige der Streitkräfte aus Burkina Faso, der Elfenbeinküste, Ghana und Togo teil. „Taanli“ heißt eine burkinisch-nigrische Mission, die zwei Camps von Terroristen entdeckt sowie rund hundert verhaftet oder getötet haben soll.
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