Extreme Rechte in Zeiten des Coronavirus: Die AfD blamiert sich in der Krise
Mit ihrem Verhalten isoliert sich die sächsische Rechte im Landtag. Für keinen noch so lachhaften Vorstoß zum Corona-Virus ist sie sich zu schade.
Vergeblich hatten CDU, Linke, Grüne und SPD zuvor versucht, die turnusmäßige Landtagssitzung auf die Größenordnung eines Notparlaments zu reduzieren, um sich und andere vor der Verbreitung des Coronavirus zu schützen. Nur etwa ein Sechstel der Abgeordneten wäre dann noch zusammengekommen. Dieses so genannte Pairing-Modell praktiziert der Bayerische Landtag mit Zustimmung der AfD. In Dresden aber bestanden die extrem Rechten darauf, den gesamten Landtag mit seinen 119 Parlamentariern zusammenzurufen.
Die AfD begründete ihre Ablehnung damit, dass ein Rumpfparlament nicht mehr beschlussfähig wäre, wenn nur ein einziger Abgeordneter widerspricht. In logisch nicht mehr nachvollziehbarer Weise aber hatte sie ihrerseits Landtagspräsident Rößler zuvor gedrängt, ein Notparlament zusammenzurufen. Sie wollte damit indirekt ihre Forderung nach Ausrufung des Katastrophenfalls durchsetzen. „Wir haben eine ernste Krise, aber keine Katastrophe“, hatte dies Innenminister Roland Wöller (ebenfalls CDU) am Dienstag bereits abgelehnt.
„Die AfD bleibt verantwortungslos und spielt mit der Gesundheit anderer Menschen“, attackierte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion Stephan Meyer. Er verwies auf die hohe Zahl der für die Sitzung zu mobilisierenden Fraktions- und Landtagsmitarbeiter
Kein Applaus von den Rechten
Drei AfD-Abgeordnete waren zu ihrem eigenen Schutz zu Hause geblieben, eine trug einen Atemschutz. Keiner ihrer Mandatsträger applaudierte, als Ministerpräsident Kretschmer und Gesundheitsministerin Petra Köpping dem medizinischen Personal und den Dienstleistern des Alltags dankte, die im angesicht der Corona-Krise weiterarbeiten müssen.
In den Dank stimmte auch die oppositionelle Linke ein. Ihre Sprecherin Susanne Schaper beschränkte ihre Kritik auf generelle Verwerfungen in einem marktorientierten Gesundheitssystem und auf die Feststellung, dass „die laufenden Maßnahmen zum Krisenmanagement richtig, aber lückenhaft“ seien.
Der AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Jörg Urban hingegen referierte nur längst bekannte Fakten und forderte Maßnahmen, die schon lange eingeleitet worden waren. Was ihn nicht hinderte, das apokalyptische Bild einer darniederliegenden medizinischen Versorgung zu zeichnen und der Regierung zu unterstellen, sie habe „die Gefährdung von Senioren billigend in Kauf genommen“.
Urban ritt darauf herum, dass das Kultusministerium Schülern und Schulen eine zweitätige Übergangsfrist bis zur endgültigen Schließung am Mittwoch gewährt habe. Für helle Empörung und laute Rufe sorgte dann das vom übrigen Haus als demagogisch empfundene plötzliche Angebot Urbans, in der aktuellen Krise „den Graben zuzuschütten, der Gutmenschen und angebliche Nazis trennt“.
Trotz Corona – AfD will Großübung der Polizei
An die AfD gerichtet, hatte zuvor Ministerpräsident Kretschmer „keinerlei Verständnis für die forcierte Panik und Drastik“ geäußert und auf das besonnene schrittweise Handeln der Staatsregierung verwiesen. „Sie haben sich so weit radikalisiert, dass Sie nicht mehr erreichbar sind für rationale Argumente“, warf er der Alternative vor. Mit ihrer Hybris mache sie sich mitverantwortlich für eine mögliche Eskalationen der Lage.
Einen „völlig falschen Zeitpunkt für politischen Klamauk“ unterstellte CDU-Fraktionschef Christian Hartmann der AfD. Die bestätigte ihn ungewollt und stimmte in Thüringer Täuschungsmanier zum Schluss der Debatte einem Entschließungsantrag der Linken zu.
„Der dunkle Zauber des Populismus ist nichts weiter als Verweigerung“ sagte SPD-Fraktionschef Dirk Panter. Die AfD sei an Lügen und Infamie nicht zu überbieten, setzte Innenpolitiker Valentin Lippmann von den Bündnisgrünen noch eins drauf.
Nicht zu überbieten war allerdings ein AfD-Antrag, den sie auf der ursprünglichen Tagesordnung belassen hatte. Darin fordert sie eine „unverzügliche Großübung“ der Bereitschaftspolizei an den sächsischen Außengrenzen möglichst unter Einbeziehung der polnischen und tschechischen Nachbarn, um eine „illegale und unkontrollierte Einreise“ zu verhindern. Corona hätte sich gefreut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei