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Ex-Mitglied über Strukturen des BSW„Man hat zu gehorchen“

Kurz vor der Gründung in Schleswig-Holstein tritt Frank Hamann aus dem Bündnis Sahra Wagenknecht aus. Er rechnet mit undemokratischen Verfahren ab.

„Von außen dirigiert“: Gründung des BSW-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern in Parchim Foto: Markus Scholz/dpa
Jan Kahlcke
Interview von Jan Kahlcke

taz: Herr Hamann, am Sonntag gründet sich der BSW-Landesverband in Schleswig Holstein und Sie sind nicht dabei. Warum?

Frank Hamann: Ich sehe in dem Ganzen keinen Sinn mehr und bin am Donnerstag aus der Partei ausgetreten. Ich engagiere mich seit vielen Jahren, seit 15 Jahren auch parteipolitisch, zuerst bei der SPD und dann bei den Linken, und habe einen politischen, moralischen Kompass. Der wird im Augenblick gerade erheblich verbogen durch das Verhalten des Parteivorstandes.

taz: Wodurch?

Hamann: Ich bin im Herbst letzten Jahres bereits in den Verein Sahra Wagenknecht eingetreten, die Vorstufe der Partei, war dann buchstäblich Mitglied der ersten Stunde und auch auf dem Gründungsparteitag im Januar dabei. Dann kam sehr schnell der Europawahlkampf. Wir haben uns dann hier in Schleswig Holstein reingestürzt, erhielten aber kaum Unterstützung aus dem Bundesvorstand. Und so haben dann einige beherzte Mitglieder hier in Schleswig Holstein die Sache in die Hand genommen und den Wahlkampf organisiert.

Bild: privat
Im Interview: Frank Hamann

Frank Hamann

59, ist „Privatier im Leistungs­bezug“. Bis 2023 saß er für Die Linke im Flensburger Stadtrat. Er engagiert sich als ehrenamtlicher Betreuer und in einem Straßenkinder-Projekt. Den roten Hut haben ihm Bürger seines Stadtteils Achter de Möhl verliehen.

taz: Das klingt nach normalen Geburtswehen einer jungen Partei.

Hamann: Klar. Da hat sich sehr schnell ergeben, wer offen und konstruktiv mitarbeitet. Diese Kerntruppe hat mich, da es in Richtung Gründung eines Landesverbandes ging, als Co-Vorsitzenden gesehen. Wir wollten eine Doppelspitze machen, einen erfahrenen und einen Neuling. Ich bin der Meinung, ein Landesverband kann nur funktionieren, wenn die Basis sorgfältig und konsensual aufgebaut wird; erst auf den Knopf drücken, wenn alle sagen: Ja, so finden wir das gut.

taz: Und wie läuft es in Wirklichkeit?

Hamann: Der Bundesvorstand kam zu einer vorbereitenden Sitzung, hat sich gewundert und hat gesagt: Wir ziehen das an uns. Bei der nächsten vorbereitenden Sitzung in Kiel wurden uns dann die Namen derjenigen vorgestellt, die der Bundesvorstand im Landesvorstand sehen wollte. Das waren die bisherige Regionalbeauftragte Andrea Kunz, die sich bereits als überfordert erwiesen hatte, und eine Unbekannte, die bis dato noch nicht mal Parteimitglied war. Die wurde nun auf einmal Mitglied, vorbei an einer großen Vorschlagsliste von Personen, die sich hier schon bewährt und engagiert haben, aber nicht aufgenommen wurden. Und dann gleich als Co-Vorsitzende vorgeschlagen.

taz: Wie waren die Reaktionen?

Hamann: Da fing der Unmut an, und dann hat die stellvertretende Bundesvorsitzende Friederike Benda gesagt: „Wir“, also der Bundesvorstand, „wollen einen Landesverband, auf den wir uns verlassen können.“ Das klingt nicht nach den „demokratischen Mitbestimmungsweiten“, die uns in der Präambel des Parteiprogramms versprochen wurden, eher nach Kadergehorsam. Dann wurde es noch abstruser: Benda sagte: „Der Landesverband hat sich in allen Belangen mit dem Bundesvorstand abzustimmen.“ Das widerspricht meinem Verständnis von einer föderalen, demokratischen Parteistruktur. Für mich ist eine Partei ohne Basisdemokratie keine demokratische Partei. Die Kraft fließt immer von unten nach oben.

taz: Und beim BSW?

Hamann: Der Bundesvorstand besteht aus alten, linken Seilschaften, die alle unbedingt in den Bundestag wollen. Dementsprechend wird dort agiert. Das ist auch in anderen Landesverbänden so, in Mecklenburg-Vorpommern wurde bei der Gründung des Landesverbandes von außen dirigiert. In Sachsen und Brandenburg ist es das Gleiche. Es brodelt überall und der Bundesvorstand versucht, da den Deckel drauf zu halten.

taz: Die Presse ist vom Gründungsparteitag auch ausgeschlossen.

Hamann: Das finde ich völlig unmöglich. Die Presse ist die vierte Gewalt im Staat. Die hat bei solchen Veranstaltungen dabei zu sein. Und wenn einem nicht gefällt, was die Presse schreibt, muss man halt seine Handlungsweisen ändern. Ich meine, wenn die Presse schreibt: Das ist eine Kaderpartei – so what? Wenn Sie recht haben, dann können Sie das doch schreiben.

taz: Stehen die vom Bundesvorstand vorgeschlagenen Kandidatinnen am Sonntag zur Wahl?

Soweit ich weiß, hat Andrea Kunz hingeschmissen. Und es gibt Leute, die Kampfkandidaturen erwägen. Aber es gibt keine offizielle Liste, das kann sich bis zur letzten Sekunde noch ändern. Das ist absolut intransparent. Die Redezeit wurde auf eine Minute beschränkt. „Mein Name ist Franz. Ich bin Mitglied. – Komm bitte zum Ende. Deine Redezeit ist vorbei.“ Bislang müsste es 40 Mitglieder geben. Es kann aber gut sein, dass wie in Thüringen auf einmal 20 neue dazukommen. Hier geht es darum, ganz neue, gezielte Mehrheiten zu kriegen.

taz: Warum sind Sie nicht angetreten?

Hamann: Ich habe meinen Hut frühzeitig aus dem Ring genommen, bereits im Sommer dieses Jahres, als ich merkte, wo die Reise hingeht. So wie der Bundesvorstand sich verhält, wird sich dort nichts ändern bezüglich einer anderen Politik. Das ist alter, ekliger Wein in neuen Schläuchen. Das habe ich alles bei den Linken hinter mir. Ich hatte auf eine andere Diskussionskultur beim BSW gehofft. Das komplette Gegenteil ist der Fall.

taz: Warum waren Sie im vorigen Jahr bei der Linken ausgetreten?

Hamann: Unsere kommunalpolitischen Erfolge wurden nicht gewürdigt. Deshalb bin ich mit dem Ende der Wahlperiode ausgetreten. Bis dahin wollte ich noch einige Projekte durchziehen: 30 Prozent bezahlbarer Wohnraum in jedem neuen Bauplan, ein Sozialticket, eine namentliche, städtische Beerdigung. Bei uns im Rat werden andere Meinungen akzeptiert, man versucht, im demokratischen Diskurs Lösungen zu finden.

taz: Klingt idyllisch.

Hamann: Ja, und das ist bei Frau Wagenknecht und ihrer Truppe leider ganz anders. Das zentrale Polit-, Verzeihung, Parteibüro gibt die Linie vor und man hat gefälligst zu gehorchen. Wir haben eine große Parteivorsitzende, die zur Heiligen stilisiert wird; ein zentrales Parteibüro, in dem alle Fäden zusammenlaufen sollen und das mittlerweile in den Landesverbänden Spitzel hat, um zu horchen, was da überhaupt los ist, wo man gegen angehen muss. Das ist unterste Schiene. Der Parteivorstand vertraut niemandem.

taz: Was haben Sie sich politisch vom BSW erhofft?

Hamann: Eine andere Gesprächskultur. Wir haben Regionaltreffen veranstaltet, Unterstützer gewonnen. Da habe ich gemerkt: Es existiert hier in Deutschland ein wunderbarer Schatz an Meinungen, an Bereitschaft, sich einzubringen, an Lust auf Politik. Das ist wirklich toll, wer da mitmacht, vom Studenten bis zum Rentner, alle gesellschaftlichen Schichten. Und alle sind dem BSW-Parteiprogramm zugeneigt, also nicht der Partei. Ich unterscheide da schon ziemlich deutlich.

taz: Sie sehen sich das nur noch aus der Entfernung an.

Hamann: In meinem Austrittsschreiben habe ich geschrieben, dass die Wähler sich genau überlegen sollten, ob sie das BSW wählen. Das Parteiprogramm klingt ja sehr schön. Aber was kann ein einfacher Wähler von einer Partei erwarten, wenn schon die eigenen Mitglieder hintergangen, ausgenutzt, belogen und betrogen werden? Da kann ich doch keine Wahlempfehlung aussprechen. Ich werde hier den SSW wählen. Das Privileg habe ich in Flensburg.

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1 Kommentar

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  • SSW ist schon eine brauchbare Wahl. Aber:

    "Das habe ich alles bei den Linken hinter mir. Ich hatte auf eine andere Diskussionskultur beim BSW gehofft. Das komplette Gegenteil ist der Fall."

    Nachdem klar ist, wo das Problem bei der Linkspartei lag - nicht bei den "woken Lifestyle-Linken", sondern bei Wagenknechts ruschistischem Ubootgeschwader -, kann der Genosse ja wieder eintreten.