Euro pari zum Dollar: Tiefster Stand seit 20 Jahren
Ein Euro ist genauso viel Wert wie ein US-Dollar – und die Talfahrt könnte weitergehen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Spüren Verbraucherinnen und Verbraucher etwas vom Wertverlust des Euro?
Die Abwertung wirkt sich nur in wenigen Fällen direkt auf die Verbraucher aus. So bekommen zum Beispiel Urlauber, die in die USA reisen, beim Umtausch weniger Dollar als noch vor einem Jahr. Für einen Euro gibt es aktuell etwa einen Dollar in der Wechselstube. Die Ferien in Amerika werden also teurer. Indirekt spüren die Konsumenten die Folgen allerdings auch hierzulande. Denn für die Einfuhr von Waren, die in US-Dollar abgerechnet werden, müssen deutsche Unternehmen mehr Euro bezahlen. Das ist zum Beispiel beim Erdöl der Fall. Diese höheren Kosten geben die Importeure an ihre Kunden weiter. So steigen tendenziell der Spritpreis an der Zapfsäule oder die Preise für Produkte, die auf der Basis von Öl hergestellt werden.
Warum sinkt der Eurokurs?
Dafür gibt es vor allem zwei Gründe. So bekämpft die amerikanische Notenbank Fed die starke Inflation in den USA durch kräftige Zinserhöhungen. Investoren erhalten dadurch für Anlagen in Amerika höhere Zinsen als in Europa. Deshalb ziehen Anleger ihr Geld hier ab und legen es in Übersee wieder an. Das steigert die Nachfrage nach Dollar und als Folge davon legt der Kurs der Währung zu.
Ein weiterer Grund ist die unsichere politische und wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Angesichts des Krieges und der explodierenden Energiekosten droht Rezession. Da bringen Investoren ihr Kapital verstärkt im vermeintlich sicheren Hafen USA unter. „Da fällt es auch nicht ins Gewicht, dass die US-Wirtschaft selbst mit einem Bein schon in der Rezession steckt“, stellen die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) fest.
Gab es so eine Entwicklung schon einmal?
Schwankungen bei Wechselkursen sind normal. Sie hängen von vielen Faktoren ab, wie Inflation, Konjunkturentwicklung oder auch von politischen Krisen. Der Euro hat sich dabei nach einer anfänglichen Schwächeperiode nach seiner Einführung 1999 als sehr stabil erwiesen. Zunächst ging es mit dem Wert damals kräftig bergab.
Den Tiefstand erreichte der Wechselkurs zum Dollar im Oktober 2000, als man für einen Euro nur 0,83 US-Dollar bekam. Aber es ging auch zeitweise in die andere Richtung. 2008 erreichte der Wert seinen bisherigen Höhepunkt, als für einen Euro 1,60 Dollar bezahlt wurden, also fast doppelt so viel. Selbst wenn die Abwertung anhält, ist der Euro momentan noch weit von seinen historischen Tiefstständen entfernt.
Hat die Abwertung auch Vorteile?
In einer exportorientierten Wirtschaft wird eine Abwertung der eigenen Währung unter normalen Umständen gerne gesehen. Denn die Ausfuhren der Unternehmen gewinnen an Wettbewerbsfähigkeit. Die Produkte und Dienstleistungen verbilligen sich für ausländische Käufer. Die Nachfrage danach steigt dann an. So lässt sich durch eine bewusste herbeigeführte Abwertung der Währung die heimische Konjunktur ankurbeln. Die Zeiten sind jedoch aktuell nicht normal. Gestörte Lieferketten, der Krieg in der Ukraine sowie die dadurch explodierenden Energiekosten belasten die Wirtschaft. Das zeigt sich unter anderem am Außenhandelsdefizit, das Deutschland im Mai erstmals seit langer Zeit wieder verzeichnet hat.
Droht jetzt eine neue Euro-Krise?
Die aktuelle Abwertung hat mit der Euro-Krise nach 2008 nichts gemein. Damals drohte die hohe Verschuldung von Euro-Ländern, insbesondere der Griechen, die Währungsgemeinschaft zu gefährden. Eine ähnliche Gefahr befürchten Pessimisten in diesen Tagen zwar auch. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Zinsen zur Bekämpfung der Inflation anheben. Dann müssten hoch verschuldete Länder wie Italien mehr Zinsen für ihre Kredite bezahlen. Doch das hat mit der aktuellen Wechselkursentwicklung nichts zu tun.
Wie geht es weiter?
Da sind sich die Experten uneins. Mit einem weiteren Wertverfall deutlich unter die Parität ist zu rechnen. Eine aktuelle Analyse der LBBW zeigt das Ausmaß der Unsicherheit: „Nach unserer Prognose wird die EZB in den kommenden Monaten mehrere Leitzinserhöhungen größeren Ausmaßes vollziehen“, schreiben die Analysten. Dies dürfte eine Erholung des Euro gegenüber dem US-Dollar bewirken. „Sollte es jedoch tatsächlich zu einem Ausfall der russischen Gaslieferungen kommen, werde dies auch unser Prognosebild komplett verändern.“
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