Ethereum-Blockchain spart Strom: Grüner Umbruch in Krypto-Branche
Die nach Bitcoin wichtigste Blockchain Ethereum hat auf ein stromsparendes Verfahren umgestellt. Das erhöht den Druck auf Bitcoin.
Sogar Google kam irgendwann nicht mehr vorbei an der Aufregung. In seine Suchmaschine baute der Konzern vor ein paar Tagen einen Countdown ein: Wer etwa nach „Ethereum Merge“ googelte, bekam vor der üblichen Ergebnisliste angezeigt, wie viele Tage, Stunden und Minuten es noch dauern würde, bis die Blockchain Ethereum ihre Umstellung auf einen stromsparenden Mechanismus abgeschlossen haben würde. Ein Countdown zum Stromsparen. Denn auch wenn erst mal alles technisch klingt – es ist längst nicht nur ein Tech-Ding, um das es hier geht.
Für alle, an denen die Aufregung vorbeigegangen ist: Ethereum ist die nach Bitcoin wichtigste Blockchain. Auf den ersten Blick haben beide unterschiedliche Spezialitäten: Bitcoin ist mit seiner Kryptowährung populär, Ethereum hat sich vor allem mit Smart Contracts einen Namen gemacht. Dabei handelt es sich um automatisiert abgeschlossene Verträge.
Momentan werden sie beispielsweise genutzt, um aus einer beliebig kopierbaren Datei – zum Beispiel einem selbst aufgenommenen Foto – ein Unikat zu machen, das sich dann verkaufen lässt. Perspektivisch sollen die Anwendungen deutlich breiter werden: So könnte eines Tages ein voll geladenes Solarauto einem mit leerem Akku gestranden Fahrzeug etwas Strom verkaufen. Die Ökobilanz der Blockchain dahinter ist also durchaus relevant.
Doch beide Blockchains hatten bislang auch etwas gemeinsam: So baute Ethereum in der Vergangenheit und Bitcoin immer noch auf einem sehr stromintensiven Rechenmechanismus auf. Der heißt Proof of Work und soll sicherstellen, dass niemand etwas an der Blockchain herummanipulieren kann und sich alle Teilnehmer:innen auch ohne zentrale Instanz vertrauen dürfen. Man spricht daher von einem Konsensmechanismus.
Aus der Zeit gefallen
Technisch gesehen ist der Proof of Work durchaus eine sichere und sinnvolle Architektur. Wenn es aber angesichts der Klimakrise darum geht, fossile Energien massiv herunterzufahren und die verfügbaren Erneuerbaren möglichst sinnvoll zu verteilen, dann ist das stromintensive Verfahren vor allem eines: ziemlich aus der Zeit gefallen.
Kryptowährungen und Smart-Contract-Blockchains, die so viel Strom verbrauchen wie ganze Nationen, geraten also unter Rechtfertigungsdruck. Zumal es längst stromsparende Mechanismen gibt. Ethereum konnte mit diesem Druck immer gut umgehen: Der Schöpfer der Blockchain, Vitalik Buterin, hat schon vor Jahren dafür geworben, auf das stromsparende Proof-of-Stake-Verfahren umzustellen. Statt mit energieintensiven Rechenoperationen arbeitet dieses unter anderem mit einem Zufallsalgorithmus. Weil aber eine Blaupause für einen solchen Umstieg fehlte, zog und zog sich das Ganze – so dass es mittlerweile fast zum Running Gag wurde. Wann räumst du endlich dein Zimmer auf? Wenn Ethereum auf Proof of Stake umgestellt hat. Sorry, Nerd-Humor.
Vitalik Buterin, Ethereum-Schöpfer
Energiebedarf um 99 Prozent reduziert
Dass das Ganze Merge heißt, was eher Verschmelzung bedeutet, liegt an einem Detail: Technisch gesehen wurde nicht ein Schalter von „Friss Strom“ auf „Spare Strom“ umgelegt. Sondern es geht um die Verschmelzung zweier Blockchains, die lange vorbereitet und getestet wurde.
Seit Donnerstagfrüh ist jedenfalls klar: Es hat geklappt. Expert:innen gehen davon aus, dass der Energiebedarf damit in einer Größenordnung von 99 Prozent reduziert wird. „Die Verschmelzung wird den weltweiten Stromverbrauch um 0,2 Prozent reduzieren“, twitterte Buterin nach dem Abschluss.
Mit Spannung war vorher erwartet worden, wie viele Ethereum-Teilnehmer:innen nicht mit umstellen – Schätzungen gingen davon aus, dass der Anteil um die 15 Prozent des gehandelten Wertes ausmachen wird. Nun sind es aber nur 1,5 Prozent. Das macht es für Einzelne unattraktiver, weiter an der abgesplitteten Blockchain mit dem alten Verfahren festzuhalten.
Ungemütlich für Bitcoin
Für Bitcoin heißt das: Es wird ungemütlich. Denn wenn ein Umstieg technisch machbar und ökologisch überfällig, aber von der Community nicht gewollt ist, rückt eine Frage in den Mittelpunkt: Warum sollte das stromintensive Verfahren noch erlaubt bleiben? Produzenten kleiner Elektronikgeräte werden schließlich auch zu einheitlichen Ladekabeln verpflichtet. Smartphone-Hersteller sollen perspektivisch einen Reparatur-Index ausweisen müssen und Glühlampen sind in der EU ja schon seit Jahren nicht mehr im Verkauf. Verschiedene Cloud-Anbieter setzen von selbst auf erneuerbare Energien und Apple hat zumindest mitbekommen, dass Verbraucher:innen das Thema Reparierbarkeit wichtig ist. In Teilen der Tech-Branche ist also zumindest ein Bewusstsein für die Klimakrise da – und ein paar Ideen, wie man damit umgeht. Dass die Umsetzung häufig weniger überzeugt, liegt auch daran, dass Klimaschutz sich nicht unbedingt finanziell lohnt. Was auch ein Problem ist.
In der EU ist das Thema Bitcoin-Stromverbrauch jedenfalls präsent, inklusive seiner möglichen Regulierungsoptionen: Das Mining verbieten? Dann würde sich der ohnehin kleine Teil an Bitcoin-Erzeugung, der noch in Europa stattfindet, in andere Länder verlagern. Den Handel mit Bitcoins untersagen? Das wäre ein sehr invasiver Eingriff. Darauf setzen, dass sich mit der Zeit Öko-Bitcoins etablieren, die etwa mit der Solaranlage vom eigenen Dach erzeugt wurden? Könnte kniffelig werden, das in jedem Fall sauber nachzuweisen.
Ob am Ende die Bitcoin-Miner:innen oder die Politik schneller sind? Vielleicht wäre ein Countdown gut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?