Eskalierter AfD-Bürgerdialog in Seesen: Pack schlägt sich (fast)
Gewaltdrohungen und Pöbeleien auf offener Bühne: Ein AfD-Bürgerdialog in Goslar eskaliert und bietet Einblicke ins Innere der extrem rechten Partei.

Mitglieder des Kreis- und Landesvorstands sowie Abgeordnete aus Bundestag und Landtag stritten sich auf offener Bühne, brüllten sich an, drohten sich gegenseitig und forderten sich auf, doch mal die „Fresse zu halten“. Kurz stand am Samstagabend sogar im Raum, ob man die Dinge nicht gewaltsam vor der Tür klären solle. Einig war man sich nur im gegenseitigen Vorwurf von „parteischädigendem Verhalten“.
Unter Buhrufen sowie Vorwürfen der AfD-Basis aus dem Zuschauerraum und vor den Augen von mehreren tausend Menschen im Livestream eines extrem rechten YouTubers, der selbst für die AfD im Kreistag sitzt, zeigte die Partei in Niedersachsen unfreiwillig einen Einblick in ihr Innenleben: Und der Maschinenraum der AfD war kein schöner Anblick.
Der Bundestagsabgeordnete und Landesvorstand Micha Fehre warf seinem Kreisvorstand Main Müller vor, Mehrheitsbeschlüsse zu ignorieren, was er gleich in seinem Eingangsstatement „aufs Tiefste“ missbillige. Und so wurde zur Abwechslung mal nicht gegen Flüchtlinge gehetzt, sondern gegeneinander. Kreisvorstand Müller wiederum warf seinen Widersachern vor, eine Schmierenkampagne „mit der Presse“ und „mit gefälschten E-Mails“ und zusammengeschnittenen Sprachnachrichten gegen ihn zu fahren und ließ drei Kreisvorstände gar nicht erst zum „Bürgerdialog“ rein. Zur Durchsetzung hatte er gleich rund ein Dutzend Ordner vor Ort, der Betreuungsschlüssel war also gut. Das Mikro wurde ihm dennoch nach wenigen Minuten abgedreht.
Tumulte, Beschimpfungen, Drohungen
Darauf folgten Tumulte: Beide Seiten beschimpften sich über zwanzig Minuten lang gegenseitig auf der Bühne, und auch die AfD-Basis hielt es vor Wut kaum auf den Stühlen im Jacobsonhauses in Seesen im Landkreis Goslar. Mittendrin auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Brandes. An einem Punkt erreichte die Veranstaltung dann Vorschulniveau (beispielhaft: „Ihr habt doch damit angefangen!“ – „Nein, Du lügst!“) – ging dann aber eigentlich noch deutlich weiter runter: Der AfD-Landtagsabgeordnete Omid Najafi gab folgende Zitate zum Besten: „Halt du die Fresse!“, „drohst du mir gerade?“ und „wollen wir rausgehen?!“
Auch die Vermittlungsversuche des AfD-YouTubers scheiterten kläglich. Immerhin lieferte er einen interessanten Einblick in das Innenleben der Partei, in der sich immer wieder Kreis- und ganze Landesverbände heillos zerstreiten.
Auch der Streit in Goslar wird weitergehen. Am Ende sagte Kreisvorstand Müller, dass er bei der Vorstandswahl am 1. November erneut kandidieren wolle und drohte: „Wenn ich die Beweise, die ich habe, auf den Tisch lege, dann ist die AfD zu Ende.“
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