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Eskalierter AfD-Bürgerdialog in SeesenPack schlägt sich (fast)

Gewaltdrohungen und Pöbeleien auf offener Bühne: Ein AfD-Bürgerdialog in Goslar eskaliert und bietet Einblicke ins Innere der extrem rechten Partei.

Streitet sonst gerne hinter verschlossenen Jalousien: die extrem rechte AfD Foto: Sascha Steinach/imago

Berlin taz | Es war ein seltener Einblick in den viel zitierten „gärigen Haufen“, als den der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland seine extrem rechte Partei mal bezeichnet hat. Der niedersächsische AfD-Kreisverband Goslar hat sich in den letzten Wochen und Monaten derart zerstritten, dass nun eine als öffentlicher Bürgerdialog gelabelte Veranstaltung in Seesen eskalierte.

Mitglieder des Kreis- und Landesvorstands sowie Abgeordnete aus Bundestag und Landtag stritten sich auf offener Bühne, brüllten sich an, drohten sich gegenseitig und forderten sich auf, doch mal die „Fresse zu halten“. Kurz stand am Samstagabend sogar im Raum, ob man die Dinge nicht gewaltsam vor der Tür klären solle. Einig war man sich nur im gegenseitigen Vorwurf von „parteischädigendem Verhalten“.

Unter Buhrufen sowie Vorwürfen der AfD-Basis aus dem Zuschauerraum und vor den Augen von mehreren tausend Menschen im Livestream eines extrem rechten YouTubers, der selbst für die AfD im Kreistag sitzt, zeigte die Partei in Niedersachsen unfreiwillig einen Einblick in ihr Innenleben: Und der Maschinenraum der AfD war kein schöner Anblick.

Der Bundestagsabgeordnete und Landesvorstand Micha Fehre warf seinem Kreisvorstand Main Müller vor, Mehrheitsbeschlüsse zu ignorieren, was er gleich in seinem Eingangsstatement „aufs Tiefste“ missbillige. Und so wurde zur Abwechslung mal nicht gegen Flüchtlinge gehetzt, sondern gegeneinander. Kreisvorstand Müller wiederum warf seinen Widersachern vor, eine Schmierenkampagne „mit der Presse“ und „mit gefälschten E-Mails“ und zusammengeschnittenen Sprachnachrichten gegen ihn zu fahren und ließ drei Kreisvorstände gar nicht erst zum „Bürgerdialog“ rein. Zur Durchsetzung hatte er gleich rund ein Dutzend Ordner vor Ort, der Betreuungsschlüssel war also gut. Das Mikro wurde ihm dennoch nach wenigen Minuten abgedreht.

Tumulte, Beschimpfungen, Drohungen

Darauf folgten Tumulte: Beide Seiten beschimpften sich über zwanzig Minuten lang gegenseitig auf der Bühne, und auch die AfD-Basis hielt es vor Wut kaum auf den Stühlen im Jacobsonhauses in Seesen im Landkreis Goslar. Mittendrin auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Brandes. An einem Punkt erreichte die Veranstaltung dann Vorschulniveau (beispielhaft: „Ihr habt doch damit angefangen!“ – „Nein, Du lügst!“) – ging dann aber eigentlich noch deutlich weiter runter: Der AfD-Landtagsabgeordnete Omid Najafi gab folgende Zitate zum Besten: „Halt du die Fresse!“, „drohst du mir gerade?“ und „wollen wir rausgehen?!“

Auch die Vermittlungsversuche des AfD-YouTubers scheiterten kläglich. Immerhin lieferte er einen interessanten Einblick in das Innenleben der Partei, in der sich immer wieder Kreis- und ganze Landesverbände heillos zerstreiten.

Auch der Streit in Goslar wird weitergehen. Am Ende sagte Kreisvorstand Müller, dass er bei der Vorstandswahl am 1. November erneut kandidieren wolle und drohte: „Wenn ich die Beweise, die ich habe, auf den Tisch lege, dann ist die AfD zu Ende.“

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16 Kommentare

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  • Das wundert mich nicht, dass die gewalttätige Sprache der Partei auch in innerpatteilichen Konflikten genutzt wird, um mit Gegnern und Feinden abzurechnen. Karl Schmidt hat das ja als den Kern der Politik beschrieben, wer ist mein Freund, wer ist mein Feind.

    Zumindest in diesem Punkt waren sich alle dann dort irgendwie einig, jeder hatte ausgemacht, wer gegen ihn war oder ist.

    Nun kann man einer eher neuen Parteien turbulente Versammlungen nicht unbedingt vorhalten, aber die AfD ist nicht nur zerstritten, sie lebt auch in gewalttätigen Szenarien, wo Menschen selektiert und deportiert werden spllen, wo ein Staat die maximale Durchsetzungskraft hat, wo man für Gendern oder Hautfarbe gleich abgeschoben wird oder wenn das nicht geht, wahrscheinlich inhaftiert wird.



    Und wenn Menschen sich für solche Ideen verbinden, dann machen sie auch intern nicht voneinander halt.



    Aussteiger der Neonaziszenne werden immer irgendwann verprügelt. Wer nicht passt, der erfährt, wie gewalttätig solche Gruppen sind. und hier ist auch nicht das letzte Kapitel erreicht. Einiges wird wahrscheinlich vor Gericht landen.



    Die Welt mondäner, neoliberaler Tennisvereine hat die AfD eben hinter sich gelassen ...

  • Um den Titel zu ergänzen....



    ... Pack verträgt sich (immer)

  • Seesen liegt zwar im Landkreis Goslar, ist aber nicht Goslar. Also ist der Streit nicht in Goslar sondern in Seesen eskaliert

  • So sieht also alternativer Regierungsstil aus.



    Man müsste lachen, ob der öffentlich vorgetragenen Selbstdemontage, wenn es nicht so traurig wäre, dass genau dieses Grundschülerniveau bewusst gewählt wird.



    Offensichtlich bestehen örtliche Führungskreise der AfD nur aus Krawallbrüdern denen man im privtwirtschaftlichen Bereich bestenfalls das entleeren von Mülleimern und säubern von Rinnsteinen anvertraut hätte.



    Jetzt habe ich eine leise Vorstellung davon wie der ständig stotternde Chrupalla, Co-Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, agiert, wenn Kameras und Mikrofone abgeschaltet sind. Möge doch bitte so viel Verstand auf AfD-Wähler niederregnen, dass sie zur Besinnung kommen. Mit dieser Krawalltruppe käme jede Regierungsarbeit zum erliegen.

  • Freut euch nicht zu laut, sonst einigen die sich noch.

  • Dann wollen wir doch mal hoffen, dass er die Beweise schleunigst auf den Tisch legt. Aber im Ernst: Auch die N***P war letztlich nur ein Haufen verkrachter Existenzen und hat es doch an die Regierung geschafft

    • @PeterArt:

      Jetzt verharmlosen Sie aber die NSDAP. Es gab zahlreiche Mitglieder und spätere Täter aus den Reihen der Juristen, der Ärzte, der Industrie, der Evangelischen Kirche - ja sogar des ehemaligen Hochadels.

    • @PeterArt:

      :-)



      Wollte ich auch gerade schreiben



      (Ihren ersten Satz)

    • @PeterArt:

      Völlig richtig, mindestens so hasserfüllt und bösartig geht man miteinander um wie mit dem politischen Widersacher.



      Ist ja auch kein Wunder: das sind die Leute, die bei der Union als zu rechts rausgeflogen sind.



      Die AfD war noch nie eine geeinte Partei, hat ihr leider aber nie geschadet, unstreicht noch die nihilistische Krawalligkeit, die der Wähler ja mehr und mehr goutiert. Lösungen interessieren offenbar gar nicht mehr.

  • Das soll einer mal sagen das in meiner Nachbarschaft nichts los ist.



    Wird aber auch hier kaum jemand davon abhalten AfD zu wählen



    wenn er das Gedankengut teilt.

  • Hoffentlich legt Kreisvorstand Müller die Beweise auf den Tisch.

  • Ich bin beruhigt, im Saal 80 AfD-Hansel und draußen 450 Bürger, die Widerstand leisten. Im Harz gibt es also einen aktiven und wachsamen Widerstand. Hut ab!

  • Sind das die Politiker, die uns führen sollen?

  • Ist wie immer: Der größte Feind jedes Radikalen ist der gleichgesinnte Radikale. Zeigt sich in jeder Organisation, unabhängig von Alter, Geschlecht und Ausrichtung.

    • @vieldenker:

      Da sind die Grünen leider auch nicht besser - ich erinnere nur an Stefan Gelbhaar der mit kriineller Energie abgesägt von "Parteifreunden" abgesägt wurde.

    • @vieldenker:

      Ja so ist es. Im totalitären Denken ist jeder Abweichler ein Feind.