Ermittlungen in München: Sechs Afghanen unter Verdacht
In der bayerischen Hauptstadt soll ein Mädchen Opfer mehrerer Sexualdelikte geworden sein. Die Behörden sind zurückhaltend.
MÜNCHEN taz | In München ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sechs junge Männer wegen des Verdachts, an einer minderjährigen Frau Sexualdelikte vorgenommen zu haben. Die Männer sind laut dem Bayerischen Rundfunk (BR) anerkannte Asylbewerber aus Afghanistan, fünf von ihnen sitzen in U-Haft, nach einem fahndet die Polizei noch. Sie sollen 20 bis 25 Jahre alt sein.
Der Fall erfährt auch deshalb große öffentliche Aufmerksamkeit, weil derzeit so wenig Konkretes darüber bekannt ist. Polizei und Staatsanwaltschaft halten sich vollkommen bedeckt. Die Vorwürfe wiegen schwer, doch es besteht offenbar noch erheblicher Klärungsbedarf, ob etwas, was als Sexualstraftat zu werten ist, begangen wurde, und wenn ja, was genau.
Die Polizei sagt lediglich, dass ein Ermittlungsverfahren wegen Vorfällen läuft, die sich im Herbst ereignet haben sollen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft meint gegenüber der taz: „Wir wollen zum jetzigen Zeitpunkt das Ermittlungsverfahren nicht gefährden.“
Laut BR handelt es sich bei dem Opfer um ein 15-jähriges Mädchen, das von insgesamt sechs Afghanen „sexuell missbraucht“ worden sein soll. Einer von ihnen soll der Ex-Freund der jungen Frau sein. Die Taten hätten jeweils einzeln in verschiedenen Wohnungen stattgefunden. Dies bedeutet, dass es keine Gruppenvergewaltigung oder Ähnliches gegeben hat.
Das Geschehen, sagt BR-Polizeiexperte Oliver Bendixen, sei nicht mit dem Fall in Freiburg vergleichbar. Dort soll eine 18-Jährige vor zwei Wochen in einer Diskothek betäubt und von acht Männern vergewaltigt worden sein – sieben Syrern und einem Deutschen.
Das mutmaßliche Münchner Opfer ist laut Abendzeitung Schülerin, wohnt in einer betreuten Einrichtung und stammt aus schwierigen familiären Verhältnissen. Erst kürzlich soll sie einer Betreuerin von den Geschehnissen erzählt haben. Der BR vermutet, das Mädchen könnte von den Männern so eingeschüchtert worden sein, dass es sich aus Angst nicht gegen die sexuellen Handlungen gewehrt habe.
Keine Vergewaltigung
Polizei und Staatsanwaltschaft betonen im Gespräch, dass aufgrund des vor zwei Jahren geänderten Sexualstrafrechts ermittelt werde. Kern des Gesetzes ist der Grundsatz „Nein heißt Nein“. Ein Übergriff ist demnach nicht erst strafbar, wenn sich das Opfer gewehrt hat, sondern schon, wenn es deutlich gemacht hat, dass es keine sexuellen Handlungen will. Den Begriff „Vergewaltigung“ verwenden Polizei und Staatsanwaltschaft nicht.
„Gerade bei Sexualdelikten gibt es häufig zwei Versionen“, sagt der Sprecher der Ermittlungsbehörde. Das weitgehende Schweigen – im Münchner Polizeibericht gab es keine Meldung dazu – begründet er damit, dass die „jugendliche Zeugin“ nicht durch Medienberichte in ihren Aussagen beeinflusst werden soll. Eine „Aussagekonstanz“ sei wichtig. So werde etwa überprüft, was sie anderen Personen gegenüber geäußert hat. Jugendliche Zeugen seien „per se nicht einfach“, in diesem Fall gebe es zusätzlich „problematische Aspekte“.
Das Geschehen, das ermittelt werde, sei „komplex von den geschilderten Abläufen“ her. Ein solcher Fall wäre wesentlich klarer, erläutert der Sprecher an einem Beispiel, „wenn etwa zwei Beschuldigte gestehen und die anderen schweigen würden“. So ist es aber demnach nicht, offenbar bestreiten sie die Taten.
Laut BR stellen sie sich auf die Position, dass einvernehmlicher Sex stattgefunden habe. Der Staatsanwaltschaftssprecher sagt: „Mit einer Bewertung des Geschehens sind wir derzeit zurückhaltend.“ Ob und wann es von offizieller Seite mehr Informationen geben wird, ist offen.
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