Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns: Minimal mehr Mindestlohn
Sozialverbände hatten einen großen Sprung auf 14 Euro gefordert. Nun soll das gesetzliche Minimum nur um 82 Cent steigen. Und auch das nur in zwei Schritten.
Der Vorschlag der Mindestlohnkommission muss von der Bundesregierung noch per Verordnung verbindlich gemacht werden. Normalerweise ist das Formsache. Wie es vor dem Hintergrund dieses Abstimmungsergebnisses läuft, blieb am Montag zunächst unklar.
„Die Beschlussfassung fällt in eine Zeit schwachen Wirtschaftswachstums und anhaltend hoher Inflation in Deutschland, die für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen große Herausforderungen darstellen“, heißt es im Beschluss der Mindestlohnkommission. Die Mehrheit der Kommission halte es im Rahmen einer Gesamtabwägung für vertretbar, den Mindestlohn in diesem Umfang zu erhöhen.
Die Mindestlohnkommission habe gegen die Stimmen der Gewerkschaften einen absolut nicht zufriedenstellenden Beschluss gefasst, teilte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit. Vorstandsmitglied Stefan Körzell, der auch Mitglied der Mindestlohnkommission ist, sagte am Montag in Berlin: „Für eine Anpassung lediglich im Cent-Bereich konnten wir auf keinen Fall unsere Hand reichen.“ Mit dem Beschluss erlitten die fast sechs Millionen Mindestlohnbeschäftigten einen enormen Reallohnverlust. „Um einen Mindestschutz und einen Ausgleich der Inflation zu gewährleisten, hätte der Mindestlohn zumindest auf 13,50 Euro steigen müssen. Die Arbeitgeber und die Vorsitzende der Kommission haben sich dem verweigert.“
Schwierige Verhandlungen
Die Positionen hätten sehr weit auseinander gelegen, sagte die Vorsitzende der Mindestlohnkommission, Christiane Schönefeld, bei einer Pressekonferenz in Berlin. Die Verhandlungen dauerten ihren Angaben nach bis in den frühen Montagmorgen.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte den Mindestlohn zuletzt zum 1. Oktober 2022 ausnahmsweise per Gesetz von 10,45 Euro auf 12 Euro angehoben. Vor allem die SPD hatte sich im Bundestagswahlkampf 2021 dafür eingesetzt. Der aktuelle Erhöhungsschritt soll nun wieder wie üblich auf Vorschlag der Kommission zustande kommen.
Inflation übersteigt die Erhöhung deutlich
Mit der Inflation kann die Anhebung aber nicht mithalten. Die liegt aktuell bei rund 7 Prozent. Die jetzt diskutierte Mehrbetrag entspräche einer Steigerung von weniger als 3,5 Prozent pro Jahr. Sie bedeutet also faktisch eine Reallohnkürzung.
Angesichts stark gestiegener Verbraucherpreise hatten sich unter anderem Sozialverbände für eine Anhebung um 2 Euro auf 14 Euro ausgesprochen und auch darauf verwiesen, dass höhere Löhne später zu höheren Renten führen. Aus der Wirtschaft kamen dagegen Warnungen: „Eine zu deutliche und zu schnelle Erhöhung des Mindestlohns wäre für viele Handelsunternehmen nur sehr schwierig zu stemmen“, sagte etwa der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth.
Den gesetzlichen Mindestlohn gibt es seit 2015 in Deutschland. Zum Start lag er bei 8,50 Euro die Stunde und ist seitdem mehrfach erhöht worden. Nach dem Mindestlohngesetz muss eine aus jeweils drei Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern, zwei Wissenschaftlern und einer oder einem Vorsitzenden besetzte Kommission alle zwei Jahre unter Berücksichtigung der Tarifentwicklung im Land einen Vorschlag für die künftige Höhe der Lohnuntergrenze machen. Stimmberechtigt sind die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter. Kommt es zum Patt, kann der oder die Vorsitzende mit seiner Stimme eine Mehrheit herstellen. Das war dieses Mal der Fall.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes profitierten von der letzten Erhöhung im vergangenen Herbst rund 5,8 Millionen Beschäftigte, die vorher weniger als 12 Euro die Stunde verdienten. Arbeitgebern, die gegen die Lohnuntergrenze verstoßen, drohen Bußgelder bis zu 500 000 Euro.
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