Ergebnisse des EU-Gipfels: Nicht alle wollen aufrüsten
Beim EU-Gipfel gab es Kritik an dem Verteidigungspaket der Kommission. Die Finanzierung bleibt unklar.

Auf dem Tisch lagen zwei Vorschläge: Der Plan von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur „Wiederbewaffnung“ der Europäischen Union – und ein Vorstoß der Außenbeauftragten Kaja Kallas, die mehr Waffen und Munition für die Ukraine fordert. Bei von der Leyen geht es um bis zu 800 Milliarden Euro, bei Kallas um bis zu 40 Milliarden.
Beide Vorschläge sind nur durch eine massive Neuverschuldung und das Aushöhlen der bereits weitgehend leeren nationalen Armeebestände umzusetzen. Deutschland sagte Unterstützung zu, es ist wohl das einzige Land, das die EU-Pläne aus eigenen Mitteln bestreiten kann – vor allem wegen der geplanten Aufhebung der Schuldenbremse für die Verteidigung.
Deutschland sei jetzt schon mit Abstand der größte Hilfsgeber für die Ukraine, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem wohl letzten EU-Gipfel. Wenn der Bundesrat am Freitag zustimmt, könne die deutsche Militärhilfe für die Ukraine nochmals von 4 auf 7 Milliarden Euro aufgestockt werden.
Spanien äußert Skepsis
Anders äußerte sich der spanische Regierungschef Pedro Sanchez. Ihm gefalle das Wort „Wiederbewaffnung“ nicht. „Die Herausforderungen, mit denen wir in der südlichen Nachbarschaft konfrontiert sind, unterscheiden sich ein wenig“ von der Lage im Osten. Die EU müsse mehr gegen die irreguläre Migration und den Terrorismus tun.
Demgegenüber fordern viele Osteuropäer, die Hilfe für die Ukraine auszuweiten. „Wenn sie stärker auf dem Schlachtfeld ist, ist sie auch stärker am Verhandlungstisch“, betonte Kallas. Der finnische Ministerpräsident Petteri Orpo und der litauische Präsident Gitanas Nauseda forderten, das Land noch vor 2030 in die EU aufzunehmen.
Einigen Osteuropäern gehen auch die Pläne zur Aufrüstung nicht weit genug. Doch auch hier fehlt das Geld. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis forderte deshalb eine Diskussion über eine gemeinschaftliche Verschuldung auf EU-Ebene für Verteidigungsausgaben.
Die Pläne aus Brüssel sehen bisher vor allem mehr Schulden bei den Mitgliedsstaaten vor. Von den bis zu 800 Milliarden Euro sollen nur 150 Milliarden aus einem neuen Finanztopf kommen – allerdings nur als rückzahlbare Darlehen, nicht als dauerhafte Zuschüsse. Weitere EU-Schulden, etwa in Form von Eurobonds, lehnt Deutschland ab.
EU kritisiert Verhandlungen ohne ihre Beteiligung
Unzufriedenheit gab es beim EU-Gipfel auch mit Blick auf die Gespräche zwischen den USA und Russland über eine Friedenslösung in der Ukraine. Die EU müsse mit am Verhandlungstisch sitzen, hieß es. Bisher haben die Europäer aber keinen eigenen Plan. Scholz betonte, dass eine Waffenruhe nur auf Basis der ukrainischen Vorschläge möglich sei.
Scharfe Kritik kam aus dem Kreml in Moskau. „Die Signale aus Brüssel und den europäischen Hauptstädten betreffen größtenteils Pläne zur Militarisierung Europas“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Dadurch sei Europa zu „einer Art Kriegspartei“ geworden. Dies passe nicht zu den russischen Gesprächen mit den USA über eine Waffenruhe.
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