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Erderhitzung von 1,52 GradÜber der gefürchteten Marke

Zum ersten Mal lagen die Temperaturen ein ganzes Jahr lang über der 1,5-Grad-Grenze des Klimaabkommens von Paris. Was das für die Zukunft bedeutet.

Vergeblicher Protest: Im vergangenen Jahr lagen die weltweiten Temperaturen mit 1,52 Grad über dem, war normal gewesen wäre Foto: Boris Roessler/dpa

„2024 hat mit einem Rekordmonat begonnen – nicht nur war es der wärmste Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, sondern wir haben auch zum ersten Mal eine Spanne von 12 Monaten erlebt, die über 1,5 Grad heißer war als das vorindustrielle Niveau“, warnte Samantha Burgess, Vizechefin von Copernicus, dem Erdbeobachtungsdienst der Europäischen Union, am Donnerstag.

Die vergangenen zwölf Monate waren viel zu heiß – die weltweiten Temperaturen lagen laut Copernicus durchschnittlich 1,52 Grad über dem, was vor der klimaschädlichen Industrialisierung normal gewesen wäre.

Die 1,5 Grad sind eine gefürchtete Marke. Jenseits von ihr wird es immer wahrscheinlicher, dass die Klimakrise unkontrollierbar wird. Im Pariser Weltklimaabkommen haben die Regierungen 2015 versprochen, „Anstrengungen zu unternehmen“, die Erderhitzung dort zu stoppen. Ist das nun schon gescheitert?

Wie man es nimmt: Wenn gemeint ist, ob es nie wieder einen Monat geben wird, der etwas kühler ist, dann eher nicht. Wetter ist chaotisch, es schwankt. Beim Klima spricht man deshalb über langjährige Durchschnitte – nicht nur über zwölf Monate, sondern oft über drei Jahrzehnte hinweg.

Fossile Rekorde befeuern die Erhitzung

Hinzu kommt, dass es in den vergangenen Monaten neben der menschengemachten Klimakrise auch ein natürliches Klimaereignis gab, das deutlich temperatursteigernd gewirkt hat: El Niño. Dabei verändert sich die Zirkulation von Wind und Wasser im Pazifik, mit globalen Folgen. Laut Copernicus schwächt sich das Phänomen langsam wieder ab. Der dauerhafte Einstieg in die 1,5-Grad-Welt steht also wahrscheinlich noch aus.

Aber: Dass die Menschheit ihn noch abwendet, ist unwahrscheinlich. Im Jahr 2018 hat der Weltklimarat IPCC einen großen Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel herausgegeben. Demnach müssten die CO2-Emissionen sich bis 2030 weltweit fast halbieren, um bis 2050 praktisch bei null zu landen.

Das Gegenteil ist passiert: Global gesehen ist der Ausstoß an Treibhausgasen sogar noch gewachsen, 2023 hat die Verbrennung fossiler Kraftstoffe laut der Forschungsinitiative Global Carbon Project zu mehr Emissionen geführt als je zuvor. Solange die fossilen Rekorde anhalten, werden das auch die Temperaturrekorde tun.

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16 Kommentare

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  • Der Ausreißer nach oben ist höchst beunruhigend, da nur zum Teil durch El Nino und die zeitgleich abgestiegene Sonnenflecken-Aktivität zu erklären. In ca. vier bis sechs Monaten wird der nächst gleitende 12-Montasmittelwert schon deutlicher über 1,5 Grad liegen, erst danach besteht Hoffnung auf einen Rückgang im Rahmen der üblichen Schwankungen.

  • Irrtum im Artikel: "Solange die fossilen Rekorde anhalten, werden das auch die Temperaturrekorde tun."

    Die mehrjährigen Mittelwerte der Temperaturen steigen weiter, solange ueberhaupt massiv fossile Energie verbraucht wird. Z.B. auch bei einer Halbierung der Emissionen, dann halt nur noch ca. halb so schnell. Deshalb ja das Ziel der Nullemission.

    Die Badewanne wird ja auch weiterhin voller, wenn der Zulauf reduziert wird.

  • Nicht zu vergessen ein Krieg mitten in Europa, der die CO2-Emissionen Belgiens zusätzlich freusetzt, den Hunger in der Welt mehrt, die Priiritäten hierzulande (zurecht) verschiebt und im vom Klimawandel stark betroffenen Süden auch noch nicht zu knapp Unterstützung finden.



    Herr, lass Hirn vom Himmel fallen!

  • Ich frage mich echt, wo die vielen gebildeten Menschen hierzulande sind. Auf Buchmessen ? In der Politik und an der Wahlurne jedenfalls nicht, wenn alle zuschauen wie interessierte Logenplatzbesitzer, wie der lange vorhergesagte Klimakatstrophe ihren Lauf nimmt. Ist eine CDU, die spätestens seit Gruhl und Merkel ihren Auftrag, Schaden vom deutschen Volk (und der Welt) abzuwenden, so gröblich vernachlaässigt hat, (noch) eine verfassungstreue 'Partei' ? Gilt das Primat der Politik im Grundgesetz noch, wenn hierzulande die klimaschädigenden Unternehmen fröhliche Urständ feiern, im Gegenteil, noch abgefunden werden, wenn sie nicht mehr Kohle , die eigentlich der Allmende gehören auch noch abgefunden werden aufgrund ausbleibender Profite, statt sie zu verdonnern, für die Umweltverbrechen zu entschädigen.... Igendwie habe ich den Eindruck, dass insbesondere in den 'demokratisch' organisierten Ländern die Intelligenz zweckentfremdet wird, wo die Katastrophe überall sichtbar wird und alle immer noch weiter Autos kaufen, vergiftete Lebensmittel von Nestle & Co konsumieren und fast unbekümmert so tun, als ob es uns immer noch nicht gut genug gehen könnte, insbesondere in Zeiten, in denen Computer uns das Denken abgewöhnen.



    Einfach grottig, auch bei der taz und den 'Grünen' !

  • Tatsache ist, dass die gemessenen Co2 Werte steigen und zwar immer schneller obwohl sich die Kurve nach dem Klimaabkommen schon abflachen müsste. Das lässt nichts Gutes erwarten.

  • taz: "... der Weltklimarat IPCC einen großen Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel herausgegeben. Demnach müssten die CO2-Emissionen sich bis 2030 weltweit fast halbieren, um bis 2050 praktisch bei null zu landen. Das Gegenteil ist passiert: Global gesehen ist der Ausstoß an Treibhausgasen sogar noch gewachsen, ..."

    Die Täter, die seit Jahren den Klimawandel aus Profitgier mit CO2 füttern, kennt man doch. Der 'Guardian' hatte nämlich aufgedeckt, dass große und mächtige Konzerne weltweit viele Milliarden US-Dollar in neue Projekte fließen lassen, mit denen sie die Erderwärmung ohne Skrupel weiter beschleunigen werden.

    Wenn der Klimawandel irgendwann die große Keule herausholt, dann werden die Menschen sich bestimmt fragen, weshalb sie sich in den 2020'er Jahren lieber darüber aufgeregt haben, dass besorgte Klimaschutzaktivisten Bäume und Dörfer besetzten, Straßen blockierten oder alte Ölbilder mit Kartoffelbrei "verzierten", anstatt endlich mal die Verursacher des Klimawandels zu stoppen und zur Verantwortung zu ziehen. Ja, ich weiß, jetzt kommt wieder jemand, der sagt, dass "Wir alle" den Klimawandel mit CO2 füttern. Das stimmt natürlich, aber der kleine Bürger macht doch nur das, was man ihm eingetrichtert hat – 'Konsumieren bis zum Umfallen', damit die arme Wirtschaft nicht schwächelt. Politiker (und das weltweit), und leider auch viele Bürger, haben anscheinend immer noch nicht begriffen, dass die CO2- Wirtschaftswachstums-"Party" jetzt zu Ende ist.

  • Ja Danke. Endlich wird anerkannt das sogar mehr fossile Treibstoffe verbrannt werden als je zuvor.

    Die ganzen Klimakonferenzen waren und sind wirkungslos. Es sind PR-Veranstaltungen/Wohlfühlveranstaltungen des selbstverliebten Homo Fossilus ohne jeglichen Nutzen für das Klima.

    Es regiert auch 2024 immer noch das fossile Imperium mit seinen mafiösen Strukturen. Planetenweit.

    • @Goldi:

      Der gemeine Urlaubsflieger und Sinnlos-Spazierfahrer - am liebsten mit sinnlosen Spaßfahrzeugen - wird niemals zur Einsicht kommen. Einstein und Hannes Jaenicke bringen es deutlich zum Ausdruck.



      Viele kennen allerdings die Fakten und setzen ihr destruktives Verhalten wider besseres Wissen aus grenzenlosem Egoismus fort.

  • @UWE KULICK

    Oder es wird (in Westeuropa) kälter [1].

    Wir wissen es noch nicht genau. Gemütlich wird es jedenfalls nicht -- und je mehr wir jetzt herumeiern (oder uns von irgendwelchen Geldfetischisten herumeiern lassen) desto ungemütlicher wird's.

    [1] www.theguardian.co...-point-study-finds

  • Ende letzten Jahres war nur noch die Rede von einem besonders regenreichen 2023. Vergessen war die bis in den Juli hineinreichende Dürre, eine außergewöhnliche Regenarmut über viele Wochen.

    Wenn und El Nino also ein Probejahr mit über 1,5 Grad mehr Durchschnittstemperatur geliefert hat, dann hat es auch anschaulich gemacht, was das für Deutschland bedeuten könnte:

    Das Land gerät regelrecht in eine andere Klimazone, in der sich das Wetter regelmäßig das Jahr über in extreme Trockenzeit und extreme Regenzeit gliedert. Verhältnisse also wie in Indien, Bangladesh, Serengeti?

    • @Uwe Kulick:

      Zeiten der Erinnerung werden immer kürzer. Beim Klima beschreiben Sie ein Jahr, bei der Regierung hört die Erinnerung beim letzten Regierungswechsel auf.

  • Zur 'Klimamaschine' und ihren derzeit irren MaschinistInnen.



    Die Wissenschaft war nicht untätig, sondern die Politik.



    20.10.2015



    "Die Entwicklung des Klimas bis zum Ende dieses Jahrhunderts lässt sich überzeugend mit Klimamodellen simulieren. Sie sagen – je nach Energienutzung und damit Kohlendioxidemission – im Mittel eine Temperaturerhöhung von 1,7 bis 4,0 Grad Celsius voraus. Daraus folgt ein Anstieg des Meeresspiegels um 28 bis 43 Zentimeter. Derzeit erscheinen die höheren Werte wahrscheinlicher, weil sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre weiter rasant nach oben bewegt."



    Von Prof. Dr. Peter Lemke, Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven



    www.klimafakten.de...e-eine-einfuehrung

  • Derweil pinkelt die FDP in den Sandkasten. Und schmeisst mit Eimerchen und Schäufelchen -- ganz technologieffen um sich.

    Makabres Schauspiel.

  • Ob die in Pariser Klimaabkommen gesetzte 1.5 °C Grenze tatsächlich überschritten ist, weiß derzeit niemand, auch wenn dem Mensch - von Natur nur zu reflexartigen Kipp-Beurteiligen fähig - diesen Eindruck haben mag. Schließlich handelt es sich bei besagter "Grenze" um einen mehrjährigen Mittelwert, der obendrein recht noch willkürlich gesetzt wurde. Jetzt gibt es einen Datenpunkt. Statistik kann man damit nicht betreiben. In fünf Jahren wird man in der Rückschau eine verläßlichere Aussage machen können. Und selbst dann ist noch alles drin.Es liegt an uns.



    Zum Verzweifeln ist es jedenfalls deutlich zu früh !

  • DANKE!