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Erderhitzung durch TreibhausgaseExxon wusste alles – und zwar genau

Der Ölkonzern spielte die Risiken seines Geschäfts jahrzehntelang herunter. Derweil waren seine Ex­per­t:in­nen der sonstigen Fachwelt sogar voraus.

Raffinerie von Exxon im us-amerikanischen Montana Foto: Matthew Brown/ap

Potsdam AFP | Kli­ma­for­sche­r:in­nen der Harvard University und des Potsdam-Instituts für Klimaforschung (PIK) machen dem Ölkonzern Exxon Mobil schwere Vorwürfe. Das US-Unternehmen habe die globale Erderwärmung als Folge des Ausstoßes von Treibhausgasen seit Ende der 1970er Jahre genau vorhergesagt, schreiben die For­sche­r:in­nen in einem Artikel im Fachmagazin Science. Zugleich habe das Unternehmen diesen Zusammenhang jahrzehntelang systematisch heruntergespielt.

Dass Exxon schon lange von der Bedrohung durch die globale Erwärmung wusste, war bereits grundsätzlich bekannt. Die Kli­ma­for­sche­r:in­nen werteten nun die dem Unternehmen intern vorliegenden Daten und darauf basierenden Prognosen von 1977 bis 2003 aus – das Ergebnis nannten sie „verblüffend“.

Die Exxon-Expert:innen waren der Klimaforschung offenbar weit voraus: „Wir stellen fest, dass die meisten ihrer Projektionen eine Erwärmung vorhersagen, die mit späteren Beobachtungen übereinstimmt“, heißt es in dem Bericht. „Ihre Vorhersagen stimmten auch mit denen unabhängiger akademischer und staatlicher Modelle überein und waren mindestens so gut wie diese.“

Die Prognosen waren demnach deutlich besser als die, die der Nasa-Wissenschaftler James Hansen 1988 dem US-Kongress vorlegte. Hansen gilt als Pionier der modernen Klimaforschung und warnte in den 1980er Jahren als einer der ersten vor den Gefahren der globalen Erwärmung.

Exxon widersprach öffentlich den eigenen Ergebnissen

„Eine Exxon-Projektion sagte sogar schon 1977 korrekt voraus, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe ein ‚kohlendioxidinduziertes Superinterglazial‘ verursachen würde“, erklärte Stefan Rahmstorf vom PIK, Ko-Autor der Studie. „Das ist eine Warmzeit, die nicht nur viel wärmer ist als alles in der Geschichte der menschlichen Zivilisation, sondern sogar wärmer als die letzte Warmzeit vor 125.000 Jahren.“

Die Analysen von Exxon hätten auch „genau vorausgesagt, wann die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zum ersten Mal in den Messdaten festgestellt werden würde“. Sie berechneten demnach sogar recht präzise ein „Kohlenstoffbudget“ für eine Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad.

In öffentlichen Erklärungen habe das Unternehmen „seinen eigenen wissenschaftlichen Daten“ jedoch systematisch widersprochen, kritisieren die Forscher:innen. Exxon Mobil habe „Unsicherheiten übertrieben, Klimamodelle kritisiert, den Mythos globaler Abkühlung verbreitet und Unwissenheit darüber vorgetäuscht, wann – oder ob – die vom Menschen verursachte globale Erwärmung messbar sein würde“, erklärte der Hauptautor der Studie, Geoffrey Supran von der Harvard University.

Heute ist der Klimawandel bereits so weit fortgeschritten, dass For­sche­r:in­nen die Erde auf dem Weg zu der zuvor genannten Rekordwarmzeit sehen – mit all ihren katastrophalen Folgen. ExxonMobil könne daher mit Recht der „bewussten Klimavergehen“ beschuldigt werden, schloss Supran.

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20 Kommentare

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  • Dass Exxon Bescheid wusste, ist schon länger bekannt.



    Haribo weiß aber auch, dass Süsskram sehr schädlich ist.



    Die Zigarettenhersteller versprachen Freiheit und Abenteuer. Lungenkrebs auf der Intensivstation waren die Folge.

  • Ein bisschen wohlfeil ist das doch, immerhin war eine der ersten, wenn nicht die erste wirkliche politische Größe, die sich dazu vor Weltbühne effektvoll einließ eine selbst studierte Naturwissenschaftlerin und eiserne Lady dazu. Nein nicht Merkel, die richtige. Margaret Thatcher, ungefähr 30 Jahre früher. Würde mich nicht wundern, wenn sie das aus ganz ähnlichen Kreisen auch schon aufgeschnappt hätte, aber die behielt auch immer'n guten Draht in die Wissenschaft. Neolibereal heißt lange nicht doof und noch viel weniger von gestern, aber natürlich musste man besonders schnell alarmiert sein, wo Wachstum die so ziemlich einzige Idee ist. Thatcher war dann eben ehrlicher und natürlich gerne klug. Was hat es geändert? Eine viel wirkmächtigere und was das angeht auch glaubwürdigere Botschafterin konnte es gar nicht geben. Und wo schon sie abprallte, wäre Exxon wohl kaum auf mehr Vertrauen gestoßen. Aber weiter schlafen (oder AKW blockieren) war ja auch bequem. Wie frech, dass ein paar nüchtern blieben ohne den Schnarchnasen mal eben noch die Welt zu retten. Dafür wurden Exxon & co aber auch nie bezahlt.

  • Tja. Und jetzt?

    Wer lässt deswegen jetzt sein Auto stehen, nutzt sein Mobiltelefon nen Jahr länger als bisher oder reduziert seinen Fleisch– oder Milchkonsum?

  • Naja... beim Nikotin war es ähnlich. Beim Zucker ist es ähnlich.



    Beim Nikotin logen Vertreterinnen vor Untersuchungsausschüssen in den USA.

    (In anderen Ländern vergessen Politikerinnen wichtige Details...)

    Dass die, die das meiste Geld damit verdienen, die Faktenlage duch eine rosafarbene Glasziegel-Brille sehen wollen...



    Wen wundert das?



    Schlimmer ist, dass man Ihnen glaubt.

    Gut, sie finanzieren Forschung, sie finanzieren Lehrstühle, sie finanzieren Politik...



    Sie arbeiten also bisweilen perfide.

    Ich frage mich, wie weit die deutsche Kohleindustrie am Erfolg bestimmter Parteien ggf. beteiligt ist.

    Wie es der deutschen Wirtschaft gelingt, ein möglichst wirtschaftsfreundliches Klima zu schaffen.

    Sicher nicht nur, in dem Vorstand X seinen Wahlzettel ausfüllt.

    Wer also hat den aktuellen Kohlekompromiss mitgetragen? Einige.

    Wer aber muss ihn aktuell so verteitigen, weil sich offensichtlich Wählerinnen über den Tisch gezogen fühlen..



    Und warum sind Politikerinnen dieser Partei(en) (noch) im Amt. Wer hat sie dort hinein-begleitet. Und mit welchen Mitteln..?

    Kohle dürfte hier nur ein kleines Beispiel sein, für die Manipulierbarkeit demokratischer Wahlprozesse.

    • @Zweitkorrektur:

      "Beim Nikotin logen Vertreterinnen vor Untersuchungsausschüssen in den USA."



      Nein, haben sie nicht. Die Frage war nur falsch gestellt. Nikotin in Abwesenheit von weiteren Bestandteilen der Tabakverbrennung macht nicht süchtiger als Coffein. Die Frage hätte lauten müssen, ob Zigaretten abhängig machen. Deshalb hat Fagerström seinen Test auch in "Test auf Zigarettenabhängigkeit" umbenannt. Nicht das Nikotin ist das Problem, sondern die Verbrennung von Tabak und die damit entstehenden Stoffe. Insofern gibt es schon eine Parallele zur Ölindustrie.

  • Ist ja schön, dass alle paar Jahr das Dokument von 1977 ausgegraben wird. Wissen tut man das schon seit Anfang der 60er Jahre, Exxon hat es nur mal ausgerechnet.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Kappert Joachim:

      Wo steht's denn?

    • @Kappert Joachim:

      Man weis das seit Anfang des 20ten Jahrhunderts.

  • Wenn es denn so ist, dann wäre es nur gerecht, solche Konzerne für die jetzt entstehenden klimabedingten Schäden zur Kasse zu bitten.

    Doch noch machen diese Konzerne riesige Gewinne, so daß es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht dazu kommt, daß diese von finanzstarken deutschen Konzernen "übenommen" werden, wodurch es wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht dazu kommen wird, daß diese Konzerne spürbar zur Kasse gebeten werden.

  • Die gleiche Situation wie bei der Tabakindustrie. Die war auch schon Jahre vor der Öffentlichkeit bestens informiert über die Schädlichkeit des Rauchens und des Passivrauchens - und behauptete öffentlich dennoch immer das Gegenteil.

    Die Dinge wiederholen sich also, was lernen wir daraus?

    • @Eric Manneschmidt:

      Und als Fortsetzung gibt es das Gleiche in Gegenrichtung bei der Tobacco Harm Reduction, wobei die Akteure in diesem Fall meist (und für viele meist unerwartet) andere sind. Alles, was den Profitinteressen bestimmter Interessengruppen zuwiderläoft, wird gnadenlos bekämpft, egal, was und wer dabei auf der Strecke bleibt. Die Erkenntnis ist nun nichts Neues, aber wird im Allgemeinen gern verdrängt, weil dadurch einiges an der Lebens- und Wirtschaftweise stark in Frage gestellt wird.

    • @Eric Manneschmidt:

      Dass Menschen lügen um mehr Geld zu verdienen.

      • @Fabian Wetzel:

        So ist das wohl.



        Und dummerweise gilt bei uns ein Ethos, nach dem (möglichst viel) Geld zu verdienen eigentlich immer gut ist. Wenn nicht sogar das Wichtigste im Leben.

        Meines Erachtens wäre eines sinnvoller, bei dem Tätigkeiten danach beurteilt werden, inwieweit sie dem Gemeinwohl zuträglich (oder schädlich) sind.

  • So so.

    Aufgrund "interner Daten" wusste Exon bereits 1977 vor allen anderen davon, dass es einen Klimawandel gibt. Eine bereits 200 Jahre existierende Klimaforschung hat offensichtlich nie existiert und Exon hat offensichtlich bereits seit einer Ewigkeit Klimaforschung betrieben.

    ROFL

    • @Rudolf Fissner:

      RTFA

      "In 2017, for instance, we demonstrated that Exxon’s internal documents, as well as peer-reviewed studies published by Exxon and ExxonMobil Corpscientists, overwhelmingly acknowledged that climate change is real and human-caused."

      And now it comes:

      "Bycontrast, the majority of Mobil and ExxonMobilCorp’s public communications promoted doubt on the matter."

  • Das ist noch nicht die Spitze des Eisbergs.



    Geschätze 120 000 000 Tote durch das Blei im Benzin...Das hat Exxon auch gewusst. Und alle anderen auch.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Bolzkopf:

      Die nachweislich schleichende Verblödung der "Überlebenden" über die Generationsgrenze hinaus kommt noch dazu. Vielleicht mag das manches erklären.

      • @31841 (Profil gelöscht):

        Ja, Blei macht dumm.



        Oder wissenschatlicher formuliert:

        Es beeinträchtigt nachhaltig die kognitiven Fähigkeiten.

        de.wikipedia.org/wiki/Tetraethylblei

  • Es wird immer deutlicher: Manager und Konzernvorstände befördern und nehmen wissentlich in Kauf, daß die Menscheit in ihre größte Katastrophe abgleitet.

    Zeit diese Entscheidungsträger ins Licht der (großen) Öffentlichkeit zu ziehen..und sie zu fragen, wie sie zu ihrer Verantwortung stehen...

  • vor 15 jahren gab es dazu ein dossier von greenpeace, dass - hie rnicht explizit erwaehnt - die genauen investitionen in thinktanks (sogenannte) und zahlungen an wissenschafter belegten, die den zweck hatten, genau das gegenteil der ergebnisse der klimaforschung zu postulieren und unsicherheit in der wissenschaft und bevoelkerung zu erzeugen. von daher lag der tatbestand der perfidie und vorsatz immer vor