Energieverbrauch senken: Effizienzgesetz steckt fest
Bei seinem AKW-Machtwort hatte der Bundeskanzler ein Gesetz für einen geringeren Energieverbrauch angekündigt. Aber es kommt einfach nicht.
Den hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seinen Kabinettskolleg:innen nämlich schon vor Monaten zur sogenannten Ressortabstimmung vorgelegt. Und dort liegt er nun, eine Einigung der Bundesregierung steht aus. Das bestätigte das Wirtschaftsministerium auf Anfrage. Es gebe noch „Gesprächsbedarf“.
Dabei wurde das Projekt schon an prominenter Stelle angekündigt. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Oktober sein Machtwort zum Streckbetrieb der Atomkraftwerke sprach, sicherte er den enttäuschten Grünen auch einen Erfolg zu: Es solle ein Energieeffizienzgesetz geben, wie Habeck es zum Unmut der FDP bereits in Planung hatte.
„Es wird ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz vorgelegt“, hieß es in einem Schreiben von Scholz an Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), die sich in der Atomdebatte gegenüberstanden. Umweltverbände fordern ein solches Gesetz schon lange. Und die aktuelle Energiekrise mit ihren unliebsamen Atom-, Gas- und Kohle-Deals brachte nun den politischen Schwung: Energie, die man eingespart hat, muss man schließlich nicht erst aufwändig beschaffen.
Die AKWs laufen, das Effizienzgesetz hängt fest
Dass die Atomkraftwerke noch bis Mitte April laufen dürfen, war dann im November beschlossene Sache. Das Energieeffizienzgesetz hingegen kommt einfach nicht auf den Weg.
„Seit drei Monaten hängt dieses zentrale Gesetz nun fest, und das in einer Zeit, in der alles darangesetzt werden muss, die Verbräuche für die kommenden Winter zu senken“, sagt Christian Noll, Chef der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz. Ihr gehören mehr als 200 Unternehmen aus verschiedenen Branchen an, die besonders auf Energieeinsparung und Klimaschutz achten wollen. „Die Bundesregierung verschenkt weiter unnötig viel Zeit.“
Den Energieverbrauch zu senken, ist aber nicht nur wegen der aktuellen Energiekrise und kurzfristig nötig. Es ist auch Voraussetzung dafür, dass der Klimawandel nicht zur permanenten Energiekrise wird.
Das zeigt zum Beispiel die Studie „Klimaneutrales Deutschland 2045“ im Auftrag der Denkfabrik Agora Energiewende und der Stiftung Klimaneutralität. Darin gehen die Expert:innen davon aus, dass sich bis zum Jahr 2045 der Primärenergieverbrauch halbiert, also der Energiegehalt aller in Deutschland direkt oder indirekt genutzten Energieträger. Alles andere würde eine unrealistisch Anzahl von Windrädern und Solaranlagen erfordern – oder eben zu einem Energiemangel führen.
Im Entwurf für einen Gesetzentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium ist denn auch eine Senkung des Primärenergieverbrauchs um 57 Prozent die Rede. Inklusive Vorgaben für große Unternehmen mit hohem Energieverbrauch zum Beispiel. Dem Erstentwurf nach müssten sie Umweltmanagementsysteme einführen und bestimmte Maßnahmen umsetzen. Rechenzentren etwa müssten die entstehende Abwärme nutzen – Energie, die derzeit einfach ungenutzt in die Umgebung entweicht.
Aus zivilgesellschaftlichen Beobachterkreisen ist zu hören, dass die FDP-geführten Ministerien für Finanzen und Verkehr Einwände haben. Die Neoliberalen sind bekanntermaßen keine Fans von Vorgaben für Unternehmen. Wenn das Gesetz, wie von Habeck vorgesehen, alle Wirtschaftssektoren betreffen soll, wäre eventuell sogar die Automobilwirtschaft betroffen. Dort ist der jahrelange Trend: Die Motoren werden effizienter, aber die Autos größer und schwerer. So werden theoretisch mögliche Energieeinsparungen wieder zunichte gemacht.
Auch das SPD-geführte Bauministerium sei nicht begeistert, ist zu hören. Dort dürfte der Knackpunkt eher woanders liegen, etwa bei Vorgaben für Bundesländer zur Pflichtsanierung öffentlicher Gebäude.
Dabei beruft sich das Bauministerium an anderer Stelle bereits auf das geplante Gesetz: Weil der Gebäudesektor im Jahr 2021 die gesetzlichen CO2-Vorgaben gerissen hat, mussten Bau- und Wirtschaftsministerien als zuständige Regierungsressorts ein Sofortprogramm vorlegen. Dort wird ein Energieeffizienzgesetz schon als Maßnahme angeführt.
Auch die Deutsche Umwelthilfe wartet ungeduldig auf das neue Gesetz. Aber bislang werde auch die Konsultation der Verbände, bei der die Umwelthilfe zu Rate gezogen würde, von Woche zu Woche geschoben, beklagt Elisabeth Staudt, Energie- und Klimaexpertin bei der Organisation. „Es kann sich kein Wirtschaftssektor mehr um dieses Thema herumwinden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe