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Energiegewinnung der ZukunftTräumen von der Kernfusion

Im Forschungsausschuss des Bundestages äußern sich Experten positiv zu der Kernfusion. Doch die Probleme sind zahlreich.

Bettina Stark-Watzinger beim Besuch der Kernfusions-Forschungsanlage „Wendelstein 7-x“ in Greifswald im August 2022 Foto: Stefan Sauer/picture alliance

Berlin taz | Deutschland hat im Rennen um die Kernfusion als Energiequelle der Zukunft gute Karten, aber es ist ein langer Weg dorthin. Diese Auffassung vertraten am Mittwoch acht wissenschaftliche Experten in einer Anhörung im Forschungsausschuss des Bundestages, die von der Unionsfraktion beantragt worden war. Überwiegend wurde ein funktionierender Fusionsreaktor zur Energiegewinnung frühestens in 20 Jahren erwartet.

Das Bundesforschungsministerium hatte kürzlich ein Förderprogramm von 370 Millionen Euro für die neue Variante der laserinduzierten Kernverschmelzung gestartet. Bei einer weiteren Technik, der Kernfusion mittels Magnetfeldern, habe sich Deutschland mit dem „Stellarator“-Versuchsreaktor in Greifswald eine weltweite Spitzenstellung erarbeitet, berichtete der Leiter des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, Thomas Klinger.

Der Direktor der Bundesagentur für Sprunginnovationen, Rafael Laguna, verwies darauf, dass jüngste Fortschritte bei Supercomputern, Laserdioden oder Hochtemperatursupraleiter dazu geführt hätten, der Fusionsforschung den Weg aus der Grundlagenforschung in die Anwendung zu ebnen. Daran sei auch die Wirtschaft interessiert: „Weltweit haben 43 Fusions-Start-ups über sechs Milliarden Dollar von privaten Investitionen eingesammelt und arbeiten sehr zielgerichtet auf wettbewerbsfähige Fusionskraftwerke hin.“

Darunter befinden sich auch vier Gründerfirmen aus Deutschland, wie das Münchner Start-up Marvel Fusion, das seinen ersten Prototypen eines Laser-Fusionsreaktors für 130 Millionen Dollar in USA errichten wird. In Deutschland fanden sich keine Finanziers dafür.

Mindestens 20 Milliarden Euro an Investitionen

Nach Auffassung der Experten im Bundestag braucht es in Deutschland für die nächsten 20 Jahre ein Investment von 20 Milliarden Euro, um Forschungskapazitäten und ein funktionierendes „Innovations-Ökosystem“ zwischen Wissenschaft und Wirtschaft aufzubauen. So gebe es an deutschen Hochschulen keinen einzigen Studiengang für Fusionstechnologie.

Die Bundesagentur für Sprunginnovationen fördert laut Laguna die Entwicklung von Lasertechnologie für die Fusionsenergiegewinnung mit insgesamt 90 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren. Nach Aussage des SPD-Abgeordneten Holger Mann könnten in ferner Zukunft weltweit 5.000 Fusionskraftwerke benötigt werden, um den steigenden Strombedarf zu decken.

Doch die Technologie birgt zahlreiche noch ungelöste Probleme, wie etwa der Fusionsreaktor Iter in Frankreich zeigt. So fehlt es beispielsweise an einem geeigneten Material für die innerste Reaktorschicht. Außerdem ist Tritium, eines der zwei Ausgangsisotope der Kernfusion, knapp. Wie sich die Fusionsförderung zum Ausbau der erneuerbaren Energien als zentralem Hebel für die Energiewende verhält, wurde von Wissenschaftlern und Politikern im Ausschuss nicht diskutiert.

Auffallend war, dass FDP-Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger am Vortag eine Imagekampagne zu den „Zukunftsenergien“ grüner Wasserstoff und Fusion gestartet hatte. Vergleichbare Kampagnen für die verstärkte Forschung zu Solar- und Windenergie, von deren schneller Verbreitung die Klimaziele der Bundesregierung abhängen, gibt es dagegen nicht.

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15 Kommentare

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  • Bundesagentur für SprungInnovation = schau. Forschung ist amtlich doch am besten. ZdA

  • Über 40 Start-ups und erstmals steigen private Investoren im großen Stil ein. Das stimmt optimistisch.

    "Außerdem ist Tritium, eines der zwei Ausgangsisotope der Kernfusion, knapp."

    Tritum kann man leicht mit Hochtemperaturreaktoren herstellen.

  • Ein alter Witz unter Kernphysikern lautet:

    "wann wird es einen funktionierenden Kernfusionsreaktor geben? - in 30 Jahren"

    der Witz ist allerdings schon 50 Jahre alt..

    -------

    O.k. und jetzt so:

    "wann wird es einen funktionierenden Kernfusionsreaktor geben? - in frühestens 20 Jahren"..

    ...wow..geht ja jetzt richtig schnell voran...

    ....Technologieoffenheit for ever.!

    (Satire)

    • @Wunderwelt:

      So ist es! "frühestens in 20 Jahren" ist nahe am Märchen.

  • "Vergleichbare Kampagnen für die verstärkte Forschung zu Solar- und Windenergie [...] gibt es dagegen nicht."

    Ich bin kein Experte, aber könnte das nicht eventuell daran liegen, dass diese Bereiche schön ziemlich ausführlich erforscht sind? Wundern wurde es mich nicht. Im Vergleich zu Kernfusion und Fusionsreaktoren, kommen mir sowohl die Physik als auch die Technik von Wind- und Solarenergie einigermaßen banal vor.

    • @Fairchild670:

      "dass diese Bereiche schön ziemlich ausführlich erforscht sind? "



      Naja, in Freiburg gibts ein Institut für Solare Energiesysteme mit über 1000 Beschäftigten. Die sind jetzt nicht alle mit Däumchendrehen beschäftigt...

      Die konnten neulich die Kontaktflächen in Silber durch Kupfer ersetzen, Silber ist deutlich seltener und würde bei einem Solarboom nicht lange ausreichen.

      Dann wird geforscht an besserer Effizienz, an Hochtemperaturzellen mit Linsen, an Modulen in verschiedenen Farben, um sie architektonisch besser einsetzen zu können, an Energiespeichern, an der Simulation des Stromnetzes, Robustheit und Lebensdauer, Recycling... gibt genug Forschungsgebiete.

    • @Fairchild670:

      Wozu soll bitte ein Studiengang Fusionstechnologie gut sein? Das braucht man doch frühestens, wenn man rausgefunden, hat, wie Kernfusion technisch nutzbar ist und zahlreiche Anlagen gebaut werden. Bis dahin braucht man gute PhysikerInnen und IngenieurInnen, die zusammen die schwierigen technischen Probleme lösen.

      Was soll eine gelernte FusionstechnologIn denn machen, wenn sie keine von den wenigen Stellen an einem Forschungsreaktor bekommt?

    • @Fairchild670:

      Bei Wind- und Solarenergie gibt es auch noch viel zu forschen, um sie effizienter zu machen. In Solarzellen steckt eine Menge Physik, um sie zu verstehen und vielleicht noch bessere Materialien zu finden. Bei Windrädern fällt mir spontan die Forschung zur Wechselwirkung nebeneinanderstehender Windräder ein. Außerdem werden Windräder künstlich auf bestimmte Geschwindigkeitsstufen gebremst, da sonst die Stromtransformation schwierig wird. Vielleicht lässt sich da auch noch was verbessern. Alles praxisnahe Forschung, die unmittelbar hilfreich sein kann.

      Zum Vergleich: Verbrennungsmotoren funktionierten auch vor 50 Jahren schon recht gut, aber trotzdem wurde ihre Effizienz seitdem mit viel Forschungsaufwand deutlich verbessert. Dass diese Verbesserung dann hauptsächlich dafür genutzt wurde, Autos größer und schwerer zu machen anstatt sparsamer, ist ein gesellschaftliches Problem.

      Kernfusion ist eine vielversprechende Technik, aber daran wird seit vielen Jahrzehnten geforscht und seitdem wird in 10 bis 20 Jahren der große Durchbruch erwartet. Meiner Meinung nach, sollte man weiter dran forschen, aber den Rest nicht dafür vernachlässigen.

      • @Biks:

        Natürlich kann man an allem beliebig viel forschen. Nur stellt sich ab einem gewissen Erforschtheitsgrad die Frage, in wie fern noch große Durchbrüche zu erwarten sind. Sie scheinen in Sachen Wind- und Solarenergie relativ optimistisch zu sein. Um wie viele Zehnerpotenzen würden Sie sagen ließe sich die Effizienz wohl noch steigern? Sagen wir in 20 Jahren mit 20 Milliarden staatlicher Forschungsförderung.

        Ich will hier übrigens keine Lanze für Kernfusionstechnik brechen. Das ewige vertrösten auf 20 Jahre in der Zukunft sollte einem schon skeptisch machen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass der Autor hier etwas nebelkerzigen Whataboutism betreibt. Es ist schließlich nicht so, dass in Deutschland zu erneuerbaren Energien nicht geforscht würde.

    • @Fairchild670:

      Zum Beispiel wäre es doch vorstellbar, Windräder zu entwickeln, die keine Vögel töten und nicht so laut sind, dabei noch mehr Strom erzeugen. Und bei der Speicherung der erzeugten Strommengen gibt es ja auch noch einigen Verbesserungsbedarf.



      Aber wir wissen ja, dass FDP oder auch CSU sich in Sachen Energieerzeugung, Verkehr und Digitalisierung niemals irren können und immer die Nase vorn haben. - Ironie aus -

      • @mwanamke:

        Das ist jetzt amüsant. Die Naturschutzverbände befürworten die Windenergie, während die Konservativen angebliche Umweltschäden durch die Windenergie hervorkehren.



        In der Tat ist der Vogeltod durch Verkehr und vor allem durch Glasscheiben ein vielfaches des durch Windenergie verursachten.

  • - Warum nur zucke ich immer zusammen, wenn ich "die Wirtschaft" lese?

    - Warum weckt bei mir "Innovations-Ökosystem zwischen Wissenschaft und Wirtschaft [1]" als erstes die Assoziation "Filz"?

    Und oh, das mit dem knappen Tritium. Aus welcher dubiosen Presseerklärung kommt das schon wieder?

    Dss wird, so weit ich weiss, aus Lithium (gerne Lithium-6, aber auch Lithium-7 (weit billiger!), wenn die Neutronen genug Wumms haben) durch Neutronenbestrahlung gemacht [2], was beim Stellarator oder auch beim Tokamak im Mantel passiert, wenn da Lithium drinsteckt. Keine Ahnung, wie es die Laserfuzzis machen (diese Technik halte ich eher für eine Investorengeld-Senke, aber hey).

    Neutronenstrahlung heisst aber auch verstrahltes Material (des Containments). Wenn Euch also die Technik als sauber verkauft wird, dann bindet Euch jemand einen Bären auf. Es wird nicht so viel wie bei der Fission, aber auch nicht nichts.

    [1] Die Wirtschaft hört ja auf die Wissenschaft nur dann, wenn's ihr in den Kram passt. Sonst müssten sich ja keine Menschen auf die Strasse kleben.



    [2] Genau wie bei den "moderneren" "H-Bomben".

  • Lassen sie mich raten:



    Sollte deutschen Forschern ein Durchbruch gelingen, findet die Kommerzialisierung trotzdem in den USA oder Asien statt - wir entwickeln, andere verdienen.



    Das hatten wir doch schon bei Windenergie und Photovoltaik so gemacht.



    Bedenkt man, wie wenig Fläche wir nur bräuchten um die ganze Welt mit Strom zu versorgen, wäre Speichertechnologie noch wichtiger als Fusionsenergie.



    Die Grafik zeigt es sehr beeindruckend: energiespeicher.bl...-und-speicher.html

  • Technisch mag man davon halten was man will, aber das Finanzierungsproblem von Startups sieht man da auch wieder. In Deutschland gibt es staatliche Förderung, aber die kann mit dem viel größeren und flexibleren amerikanischen Venture Capital Umfeld nicht mithalten. Superreiche Privatinvestoren wie Gates und Bezos sind sehr wichtig für Innovationen.

    www.wiwo.de/untern...-usa/29307070.html

  • [...]wurde ein funktionierender Fusionsreaktor zur Energiegewinnung frühestens in 20 Jahren erwartet.

    Ok. Funktionierendes Prinzip/ Modell in frühestens 20 Jahren. Weitere 10 Jahre Minimum bis zur "Serienreife". Bauzeit nochmal mindestens 10 Jahre.

    Und ersetzt man den Optimismus der Fachleute durch Realismus, wird man vermutlich bei 50 Jahren landen

    Und was meinte die Forschungsministerin neulich noch?

    10 Jahre bis zum Betrieb eines funktionierenden Reaktors

    www.riffreporter.d...ter-focused-energy

    Nee, schon klar 😆😆😆😆😆