Energie-Speicherprojekte auf der Kippe: Wasserstoff kommt nicht auf grünen Zweig
Während EWE in Emden am Aufbau eines Elektrolyseurs im Industriemaßstab arbeitet, zieht sich die Firma Statkraft aus einem ähnlichen Projekt zurück.
Solche Elektrolyseure spielen eine entscheidende Rolle bei der Energiewende, indem sie helfen, grünen, also CO2-frei erzeugten Strom zu speichern. Mit Strom aus Wind und Sonne spalten sie Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Mit dem Wasserstoff lassen sich dann wiederum Flugzeuge betanken, Chemiefabriken versorgen oder Stahlwerke betreiben, ohne dass zusätzlich das Klima belastet wird.
Die deutsche Küste gilt als besonders günstiger Standort für Elektrolyseure, weil hier schon an Land viel Windkraft erzeugt wird und gerade sehr leistungsfähige Windparks in der Nordsee gebaut werden. Dementsprechend versuchen alle norddeutschen Bundesländer, diese Chance zu nutzen.
Große Projekte in Emden geplant
Zwei besonders große Projekte sind derzeit im ostfriesischen Emden geplant. Die Firma EWE hat gerade bekannt gegeben, dass sie bei ihrem vom Bund und Land geförderten Vorhaben Clean Hydrogene Coastline einen Schritt weitergekommen ist. Der Regionalversorger beauftragte die Firma Neumann und Esser mit dem Bau eines Verdichters für ihren 280-Megawatt-Elektrolyseur von Siemens Energy, der ab 2027 grünen Wasserstoff erzeugen soll. Der Verdichter komprimiert das Gas so, dass es in eine Pipeline eingespeist und abtransportiert werden kann.
Zwei deutlich kleinere Projekte dagegen hat in der vergangenen Woche das Unternehmen Statkraft infrage gestellt. Statkraft ist nach eigenen Angaben „international führend in Wasserkraft und Europas größter Erzeuger erneuerbarer Energie“. Wie die Firma mitteilte, hat sie beschlossen, „die Entwicklung neuer Projekte im Bereich grüner Wasserstoff aufgrund der zunehmenden Unsicherheit im Markt zu stoppen“.
Elektrolyseur als Pilotanlage
In Emden plant Statkraft einen Elektrolyseur als Pilotanlage mit zehn Megawatt Leistung. Dazu kommt ein Elektrolyseur mit 200 Megawatt, der etwas später in die Planung ging und für den es öffentliche Förderzusagen von mehr als 100 Millionen Euro gibt. Trotz der Förderung ist Statkraft das Projekt zu wenig kalkulierbar. Das Unternehmen spricht von einer „sich weiter verzögernden Profitablilitätserwartung“.
Die Förderung ist dem Unternehmen zufolge projektbezogen. Statkraft prüft die Möglichkeit, die Projekte weiterzuentwickeln, um sie dann an Investoren zu verkaufen. Realisieren müsste die Vorhaben dann der Investor.
Ungeachtet solcher Bedenken will EWE seine eigenen Wasserstoff-Vorhaben weiter vorantreiben. „Wir nehmen die Entscheidung von Statkraft zur Kenntnis“, teilte EWE auf Anfrage mit. „Sie verdeutlicht einmal mehr, wie herausfordernd die aktuellen Rahmenbedingungen für Investitionen in grüne Wasserstoffprojekte sind.“
Die Bundesregierung müsse langfristig stabile Bedingungen für die Wasserstoffwirtschaft schaffen, forderte EWE-Vorstandschef Stefan Dohler. Dazu müssten die erneuerbaren Energien zügig ausgebaut werden, es müsse viel Fördergeld gezahlt und pragmatisch reguliert werden. Vor allem müsse sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die EU ihre Strombezugskriterien ändert.
Derzeit müssen Elektrolyseurer ihren Strom exakt zur gleichen Zeit und am gleichen Ort wie ein Wind- oder Solarpark beziehen, statt günstige Angebote am Markt nutzen zu können. Das schränke die Wasserstoffproduktion unnötig ein und mache sie teuer. „Gerade in Regionen wie Emden mit jährlich rund 500.000 Megawattstunden abgeriegeltem Windstrom ist das nicht nur ineffizient, sondern auch volkswirtschaftlich fragwürdig“, findet Dohler.
Stade und Hamburg auch dabei
Weitere große Elektrolyseure im Norden mit jeweils zunächst 100 Megawatt Leistung sollen in Stade und Hamburg entstehen. Die Anlage in Stade soll 2028 fertig sein und sukzessive auf 500 Megawatt ausgebaut werden.
In Hamburg war zuletzt die Frage aufgekommen, ob sich die für 2027 geplante Fertigstellung verzögern würde, weil der Elektrolyseur am Standort des ehemaligen Kohlekraftwerks Moorburg entstehen soll. Die dafür nötige Sprengung eines Kesselhauses gelang erst im zweiten Anlauf mit mehrwöchiger Verzögerung.
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