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Ende des Ukraine-GetreidedealsErpressung jetzt nicht nachgeben

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Ob mit Hilfen für Syrien oder Exporten aus der Ukraine: Russland erpresst durch Gewaltandrohung. Sicherheit muss anders geschaffen werden.

Weizenernte in der Ukraine Foto: Alexander Ermochenko/reuters

V or einer Woche ließ Russland das UN-Mandat für grenzüberschreitende humanitäre Hilfe in Syriens Rebellengebiet per Veto auslaufen. Nun läuft auch die „Schwarzmeer-Initiative“ zum sicheren Export ukrainischen Getreides durch das Schwarze Meer ab, weil Russland ihrer Verlängerung nicht zustimmt. In beiden Fällen verlangt Moskau, bestehende UN-Vereinbarungen im russischen Sinne zu verändern, damit sie weiter gelten dürfen. Es ist reine Erpressung. Bisher hat sie immer funktioniert. Sie darf nicht mehr funktionieren.

Denn es geht Russland eigentlich überhaupt nichts an, ob jemand aus der Türkei Lebensmittel und Decken über die Grenze nach Nordwestsyrien fährt oder ob Frachtschiffe durch internationale Gewässer ukrainisches Getreide transportieren. Anders als weithin dargestellt ist Syrien-Hilfe auch ohne UN-Beschluss legal und ukrainische Exporte sind auch ohne Getreidedeal zulässig. Die Vereinbarungen dienen einzig dem Schutz vor dem skrupellosen Gewaltakteur Russland, der politisches Entgegenkommen allein dafür verlangt, zivile Transporte in Syrien nicht zu bombardieren und zivile Schiffe im Schwarzen Meer nicht zu versenken.

Konkret sollen russische Banken wieder in internationale Zahlungssysteme aufgenommen und damit der russische Zugang zu Devisenmärkten wiederhergestellt werden. Der syrische Staat soll die Hoheit über ausländische Hilfe für Menschen in den Gebieten seiner Gegner und damit die faktische Macht dort erhalten. Dem darf man nicht nachgeben, Einen Verbrecher für Stillhalten belohnen macht ihn bloß stark.

Vielmehr muss Sicherheit anders hergestellt werden. Die Türkei schlug vorige Woche vor, Handelsschiffen im Schwarzen Meer Geleitschutz durch die eigene Marine anzubieten. Die Präsenz der türkischen Armee im syrischen Rebellengebiet dient dort bereits faktisch als Schutz vor Putin und Assad. Es ist bezeichnend, dass außer der Türkei, deren Präsident an erster Stelle egoistische Machtinteressen verfolgt, niemand den Mut aufbringt, aktiv zu werden, damit Russlands Erpressung scheitert.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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17 Kommentare

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  • @AJUGA

    An diesem Bahnhof standen wir auch letztes Jahr [1]. Und das Jahr davor. Und davor (können Sie sich noch an den Arabischen Frühling 2011 erinnern)?

    Der politische Wille fehlt, den Zug zu nehmen.

    Damit Sie und ich den Flieger nach Malle mit etwas weniger CO2 nehmen können (wenn's überhaupt hinkommt!) verhungern anderswo Leute.

    Biofuels sind eine Monstrosität.

    [1] www.newscientist.c...-from-ukraine-war/

  • Jetzt gilt es mit dem Sturz des Putin-Kremls Ernst zu machen.



    sonst werden die weltweit wirksamen Terrorangriffe Russlands niemals aufhören.

    • @Land of plenty:

      Praktische Vorschläge, die sich realisieren lassen?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Jede Menge F-16 und andere Kampfflugzeige, dazu modernste Flugabwehr um die Lufthoheit zu bekommen. Einen klaren, verbindlichen Fahrplan zur Aufnahme der Ukraine in die Nato.

        • @maestroblanco:

          "Jede Menge..."

          ...ist in absehbarer Zeit nicht verfügbar.

          Dazu kommt, dass auch Leute gebraucht werden, die das alles bedienen und unterhalten. Die Ressourcen sind endlich.

  • Erpressung ist als Straftatbestand definiert als die Drohung mit einem empfindlichen Übel oder die Anwendung von Gewalt.

    Das "empfindliche Übel" kommt oben gar nicht vor, die FAZ:

    》Putins Blockade im Schwarzen Meer trifft die ganze Welt

    Bis Ende Juli [2022] dauerte es, dass die Vereinten Nationen und die Türkei ein Abkommen erreichten, in dem Russland den Export ukrainischen Getreides aus Tschornomorsk, Odessa und Piwdennyj zugestand.

    Seither wurden nach UN-Daten 32,9 Millionen Tonnen Getreide ausgeführt, davon 725.000 Tonnen durch das Welternährungsprogramm (WFP) für unterentwickelte Länder wie Äthiopien, Somalia oder Jemen. Das war mehr als die Hälfte des vom WFP 2022 verschifften Getreides – und macht die Bedeutung des Korridors schlagartig klar. Die 1004 Frachter, die bis Sonntag unter dem Schutz der Getreideinitiative gefahren sind, transportierten 17 Millionen Tonnen Mais, 9 Millionen Tonnen Weizen und 4 Millionen Tonnen Ölsaaten《:

    Es geht um Menschen, denen der Hungertod droht.

    Wan sollte vielleicht doch erwähnen, worum es geht, wenn wan, wie Sie, Prinzipientreue - "Dem darf man nicht nachgeben, einen Verbrecher für Stillhalten belohnen macht ihn bloß stark" auf (derartige) Kosten Dritter fordert.

    Möglicherweise oder sogar wahrscheinlich ihre Leben.

    Nicht hier in Europa, sondern in Ländern des globalen Südens.

    • @ke1ner:

      Putin schert sich einen Dreck um Hungertote. Sonst wären wir niemals an dem Punkt angekommen, wo wir jetzt sind.

      Dem geht es einzig und allein um eine Sache: aus dem Leid unschuldiger Dritter einen maximalen Profit herauszuschlagen.

      Geht man auf ihn ein, ist die nächste, um so dreistere Erpressung vorprogrammiert. Die Geschichte des Getreideabkommens zeigt das ja.

      Was man stattdessen tun müsste: Produktionsüberschüsse in der EU (und anderen Verschwenderländern wie USA) aufkaufen, und die Lücke die durch Putins Kündigung entsteht, zu schließen.



      Das würde auch die polnischen Bauern erfreuen - und den unter diesen verbreiteten Hass auf die EU, den die Mini-Putins der PiS schüren, verringern.

      Und es ist nicht so, dass diese Idee neu wäre. Nur kriegt die EVP den Arsch nicht hoch, und die anderen Parteien können dagegen auch nicht viel ausrichten.

      Und so bleibt nur wieder das Fazit: Rechte Ideologien (und da ist explizit der Konservativismus mit eingeschlossen) sind Massenmordideologien.

      • @Ajuga:

        》Putin schert sich einen Dreck um Hungertote《 - aber wir tun es, oder?

        Wertegeleitet bedeutet eben nicht Prinzipienreiterei, die auch in Zynismus endet: es abzulehnen, eine russische Bank wieder in das Swift-System aufzunehmen, um künftige Erpressungen zu verhindern, dafür aber massenhaft Hungertote in Kauf zu nehmen, ist ein Machtkampf auf Kosten von Menschen, die völlig unschuldig sind: so spielt wan Putins Spiel mit, in der Hoffnung, es nach seinen Regeln - in denen Menschenleben nichts gelten - zu gewinnen. So übernimmt wan aber auch diese Haltung ein Stück weit.

        Dieses Muster zieht sich insgesamt durch die Reaktionen des Westens. Seien es die Geflüchteten an der Grenze Polen/Belarus, denen nicht geholfen wird, weil sie von Lukaschenko instrumentalisiert werden, oder die Schattenflotte von maroden, nicht versicherten Tankern, mit denen Russland die Ölsanktionen umgeht oder neuerdings der Einsatz von Streubomben durch die Ukraine, die den Osten des Landes, die Zivilisten dort, auf Jahrzehnte bedrohen wird: es ist eine whatever it takes - Kriegslogik, die der Angreifer vorgegeben hat.

        Die eben entsetzliche Folgen für Dritte, Menschen und Umwelt, in Kauf nimmt, die eigentlich unter allen Umständen inakzeptabel sind - wir schießen auch nicht durch Geiseln durch, wenn Terroristen sich z.B. in einem Kindergarten verschanzt haben und erklären das dann zur notwendigen Maßnahme, um Wiederholungen oder noch schlimmeren Aktionen in der Zukunft einen Riegel vorzuschieben!

        • @ke1ner:

          Ah ja! Nach Ihrer Logik macht sich also derjenige schuldig, der einer Erpressung nicht nachgibt. Interessant auch, wie Sie mit Ihrer Analogie des Geiselnehmers quasi Schuldumkehr betreiben möchten.

          Nur, wie Sie ja immerhin selber erkannt haben, ist Erpressung und Geiselnahme Unbeteiligter ja eine der Grundlagen Putinscher Politik. Wenn er auf diese Weise ein Ziel erreicht hat, wird er sich das nächste einfallen lassen.

          Natürlich kann man einem skrupellosen Aggressor immer wieder nachgeben. Bekanntlich ist das aber schon mal schiefgegangen.

    • @ke1ner:

      Ergänzend dieses Interview hier mit Martin Rentsch, "seit 2021 Sprecher des Berliner Büros des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP). Zuvor arbeitete er sieben Jahre beim Flüchtlingshilfswerks der UN" im Tagesspiegel www.tagesspiegel.d...rise-10161730.html

      Zitat: 》345

      Millionen Menschenleiden nach WFP-Angaben akut an Hunger.

      Entscheiden die Getreideexporte über Leben und Tod?



      Absolut, denn die globale Ernährungskrise ist nicht vorbei. Konflikt, Klimakrise und hohe Kosten sind die Treiber des Hungers. Keiner davon hat sich abgeschwächt, eher im Gegenteil. Schon vor dem Ausbruch des Kriegs waren Nahrungsmittelpreise weltweit auf einem Zehn-Jahres-Hoch.

      Es ist zu befürchten, dass sie nun wieder steigen. Wer sich vielleicht sein täglich Brot gerade so leisten kann, das sind 345 Millionen Menschen, kann es mit gestiegenen Preisen vielleicht nicht mehr. Hunger ist immer die Folge《

  • Ich finde es auch bezeichnend, dass man nichts davon hört, dass Infrastruktur gebaut würde, um mehr Getreide per Bahn nach Europa und in der Folge zu Häfen an Ostsee oder Adria zu bringen.



    Hätte ich eigentlich erwartet, nachdem soviel davon in Polen rumliegt, dass es den dortigen Bauern die Preise verdirbt. Oder Russland schon bei der ersten Verlängerung solche Forderungen stellte.

    • @metalhead86:

      An der Ukraine scheitert das nicht. Es scheitert an der EU.

  • Die Gebiete in Syrien, die hier extrem verharmlosend als "Rebellengebiete bezeichnet werden, sind doch die Gebiete, wo der IS immer noch sein terroristisches Unwesen treibt. Oder meint Herr Johnson ein anderes Gebiet als rund um Idlib?

    • @Rolf B.:

      Sie wissen ganz genau dass es sich bei ihrer Aussage um eine Verallgemeinerung handelt

      • @wirklich?:

        Sie wissen ganz genau, dass sie zutrifft.

  • Biofuels verbieten.

    • @tomás zerolo:

      Funktioniert als Sofortmaßnahme nicht; die Produktionsketten divergieren ja bereits bei der Aussaat (Sortenwahl), und das was verheizt (oder auch verfüttert - siehe Aflatoxin-Grenzwerte im Viehfutter, bzw ihre weitgehende Abwesenheit) wird, ist zum Großteil für die menschliche Ernährtung kaum brauchbar.

      Food waste strafbar machen und ein Sammel- und Verteilungssystem (angebunden an den bestehenden Mechanismus für Nahrungshilfen) etablieren wäre IMO das kurzfristige Mittel der Wahl. Zumal es auch generell nützlich ist, und dazu noch die nötige Zeit schafft, damit ein Biofuel-Verbot ans Laufen gebracht werden kann.

      Das Saatgut für 2024 wird ja *jetzt* eingekauft, bzw *ist* bereits vorbestellt. Und das sind zB bei Mais halt auch "Energiesorten" mit hoher Blatt- und Halmmasse, und marginalem Kornertrag. *Der* Zug ist also abgefahren, bzw verlässt gerade den Bahnhof. Es muss eine schnelle Hilfe her.