Elon Musk und die AfD: Satz mit X
Die AfD buhlt um die Aufmerksamkeit des Tesla-Chefs Elon Musk. Der freut sich über die Schmeichelei von rechts. Die Partei erhofft sich mehr.
Stellen Sie sich vor, Sie gehören zu den reichsten Menschen der Welt. Geld spielt keine Rolle. Was wird Ihre Lebensaufgabe? Elon Musk jedenfalls hat sich dagegen entschieden, den Planeten zu retten. Stattdessen verbreitet er antisemitische Verschwörungstheorien und transphobe, sexistische Ansichten. Er versucht die horrenden Arbeitsbedingungen bei Tesla zu verschleiern. Und neuerdings flirtet er ganz offen mit der AfD und unterstützen deren Positionen.
Der Milliardär agiert auf X, ehemals Twitter, immer mehr mit der Partei, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt. Seit Musk Ende 2022 Twitter übernahm, hat sich die Plattform massiv verändert. Und damit kamen die Radikalen zurück, die Twitter einst sperrte. Kurz nach der Übernahme verdoppelten sich die antisemitischen Tweets.
Das Konto von Trump wurde wieder freigeschaltet, wie zuletzt auch das der rechtsextremen Identitären Bewegung. Musk rechtfertigt jeden Inhalt mit dem Argument der Meinungsfreiheit. Einst wurde er als Visionär gesehen, als ein Altruist, der der Menschheit helfen, ja, sie regelrecht retten will. Er wollte grüne Energien fördern und Innovationen vorantreiben. Doch inzwischen erlebt er die Welt nur noch über eine Plattform, die sich zusehends radikalisiert.
Musk pusht AfD
Am 29. September 2023 teilte Musk einen Post des migrationsfeindlichen Profils „RadioGenoa“ auf X. Es ging um NGOs, die angeblich im Auftrag der deutschen Regierung Flüchtende im Mittelmeer retten. Das englischsprachige Profil endete seinen Post mit einem Wahlaufruf: „Hoffen wir, dass die AfD die Wahlen gewinnt, um den europäischen Selbstmord zu stoppen.“ Noch am selben Tag repostete und kommentierte Elon Musk ebendiese Aussage.
„Ist sich die deutsche Öffentlichkeit dessen bewusst?“, fragte er und erreichte damit knapp 80 Millionen Menschen. Zigtausende Kommentare kritisieren Musk oder stimmen ihm zu. Einer der prominentesten Kommentare stammt von der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel. „Die Menschen sind sich dessen nicht bewusst“, sagt sie und spricht über „regierungsfreundliche Medien in Deutschland“.
Mit ihren Annäherungen möchte die AfD von der enormen Popularität des Milliardärs profitieren. Das Schlimme daran: Musk scheint darauf einzugehen. Der aus Südafrika stammende Unternehmer hält sich bekanntlich für ein Jahrhundertgenie und die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch nährt dieses Ego. So schrieb sie im April auf X: „Der wichtigste Mann der freien Welt ist Musk als Bollwerk gegen Despoten.“
Und damit nicht genug. Im selben Monat lud der Faschist Björn Höcke den Unternehmer zu seinem Gerichtsprozess am 18. April in Halle ein, wo er wegen des Gebrauchs von NS-Parolen angeklagt und inzwischen verurteilt wurde. Tatsächlich antwortete Musk darauf, wenn auch nur mit einem kurzen „Was hast du gesagt?“ Doch bereits die kleinste Reaktion von Musk zieht große Aufmerksamkeit nach sich. Ende April sprach Alice Weidel erneut eine Einladung aus. Diesmal blieb sie unbeantwortet.
Immer weiter einschleimen
Inzwischen buhlen auch noch andere um die Gunst des Milliardärs. Anfang Mai teilte Musk einen Post der Seite „End Wokeness“, der die wegen Volksverhetzung verurteilte AfD-Politiker Marie-Thérèse Kaiser verteidigte. Die Kommentare waren ein rechtes Sammelbecken, darunter auch Namen der AfD wie Gabrielle Mailbeck und Thorsten Weiß. Inmitten der Kommentare sticht Hans-Georg Maaßen hervor, Vorsitzender der neu gegründeten Werteunion. „Wir haben in Deutschland ein massives Problem mit politischer Verfolgung von Regierungskritikern und mit Menschenrechtsverletzungen“, twittert er ohne jegliche Einschränkungen.
Nicht nur der deutsche Rechtsextremismus hofiert Musk. Auch der österreichische Extremist Martin Sellner will seine Aufmerksamkeit. Für den Medienforscher Jan Rau ist es nicht verwunderlich, dass sich Rechte auf X gegenseitig befeuern. „Die Radikalisierung der Nutzer:innen wird durch die verstärkte Aufmerksamkeitsökonomie im digitalen Raum verschärft. Extreme Positionen versprechen oftmals besonders viel Aufmerksamkeit.“ Als Teil des Social Media Observatory des Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt analysiert Rau den Rechtsextremismus im Netz. Die neuen Annäherungen zwischen der AfD und dem Milliardär und die radikalen Kommentare sieht er kritisch.
Welchen Einfluss aber die Interaktionen zwischen der AfD und Musk letztendlich haben, ist schwer einzuschätzen. „Wir sollten vorsichtig sein, die Rolle digitaler Medien und ihren Einfluss auf Wahlentscheidungen zu überschätzen. Diese spielen im Erfolg von Parteien wie der AfD zwar eine wichtige Rolle, sollten jedoch nicht als ursächlich verstanden werden“, meint Rau. Seiner Einschätzung nach werden die Verständigungen zwischen der AfD und Musk die diesjährigen Wahlen kaum beeinflussen.
„Twitter hat in Deutschland nur eine relativ geringe Reichweite und meiner Wahrnehmung nach hat die Bedeutung der Plattform für die Medienlandschaft seit der Übernahme abgenommen“, so Rau. Sollte die Partei es aber schaffen, den Unternehmer auf einen Parteitag einzuladen, wäre das mediale Echo riesig. Die AfD zeigt unter anderem auf Tiktok, wie gut sie sich in den sozialen Medien vermarkten kann. Daher sind weitere Flirts zwischen den beiden auf X realistisch.
Musk hat sich weit von dem Liberalen entfernt, der er einst war. Rechtsradikale stehen ihm nun näher. Musk ist nicht unbedingt eine Identifikationsfigur der Neuen Rechten, dafür aber leicht zu manipulieren. Dazu ist er resilient gegenüber jedweder Selbstreflexion. Er will sich als großen Helden inszenieren, ganz gleich auf welcher Seite. Hauptsache, er wird vergöttert. Hauptsache, niemand widerspricht ihm. Wer weiß, ob der Unternehmer nicht wieder die Richtung ändert. Ein marxistisch-leninistischer Musk vielleicht?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“