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Einigung in ThüringenTolerierung auf thüringisch

So geht R2G+C: Linke, SPD, Grüne und CDU einigen sich auf die Wahl Ramelows zum Ministerpräsidenten im März und auf gemeinsame Projekte.

Bodo Ramelow am Freitag im Thüringer Landtag Foto: dpa

Erfurt taz | Im vierten Anlauf haben sich die Parteien von Linken, Grünen, SPD und CDU am Freitag auf einen Ausweg aus der Regierungskrise in Thüringen geeinigt. Das rot-rot-grüne Lager und die CDU wollen bis 2021 einen „Stabilitätsmechanismus“ vereinbaren. Dieser umfasst drei Komponenten: Am 4. März wird Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt. „Ich gehe davon aus, dass die Wahl im 1. Wahlgang klappt“, so die Vorsitzende der Linken Susanne Hennig-Wellsow. Die CDU stellt sicher, dass er die erforderliche absolute Mehrheit erhält.

Zudem werden alle Anträge im Landtag unter allen vier Parteien abgestimmt. Am 25. April 2021 wird dann ein neuer Landtag gewählt.

Obwohl die CDU den Terminus auf jeden Fall vermeiden möchte, wäre dies die erste Tolerierung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung, die zudem noch von der Linken angeführt wird. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundes-CDU, in dem die Partei gelobt, weder mit der Linken noch mit der AfD Bündnisse einzugehen, wäre damit faktisch pulverisiert.

Der Verhandlungsführer der CDU-Fraktion, Mario Voigt, sprach von einer Ausnahmsituation. Der Beschlüsse der Bundes-CDU sei man sich bewusst. Es gehe jetzt darum Stabilität für den Freistaat herzustellen.

Lange Vorgeschichte

In dem sie den FDP-Vorsitzenden Thomas Kemmerich am 5. Februar zusammen mit der AfD wählte, hatte die CDU zum ersten Mal die Grenze nach rechts überschritten. Ohne die Stimmen der AfD hätte Kemmerich nicht gegen den Kandidaten von Linken, SPD und Grünen, Bodo Ramelow, gewinnen können.

Die Wahl Kemmerichs, der wenige Tage darauf wieder zurücktrat, markierte den Beginn der Thüringer Regierungskrise. Seit über zwei Wochen bemühen sich die Thüringer Parteien um Wege aus der Krise. Die Idee von Bodo Ramelow, dass die einstige CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht übergangsweise eine Mini-Regierung führen sollte, war diese Woche gescheitert.

Denn im Gegenzug hätte die CDU raschen Neuwahlen zustimmen müssen. Was sie auf jeden Fall vermeiden wollte, prognostizieren ihr die Umfragen derzeit doch magere 12 Prozent. Mit der jetzigen Vereinbarung binden sich die Christdemokraten enger den je an die Linke. Die wiederum ließ den Plan von schnellen Neuwahlen fallen

Vereinbarung zur Tolerierung

Inhaltlich ist der sogenannte Stabilitätsmechanismus nichts anderes als eine Vereinbarung zur Tolerierung. Konkret verpflichten sich alle vier Fraktionen gegenseitig, keine Anträge einzubringen, die nicht vorher mit den anderen drei Fraktionen abgestimmt wurden. „Wir wollen darauf verzichten uns in eine Situation zu bringen, in der die AfD-Stimmen zu einer Mehrheitsbeschafferin für eine der vier Parteien werden“, so der designierte Ministerpräsident Bodo Ramelow.

Neben dem Haushalt will die rot-rot-grüne, durch schwarz tolerierte Koalition in Thüringen noch einige Vorhaben gemeinsam durch den Landtag bringen, etwa ein kommunales Investitionspaket im Umfang von 568 Millionen Euro, einen Schulfrieden und eine stärkere Aufarbeitung des DDR-Unrechts.

Die Tolerierung von Rot-Rot-Grün durch die CDU endet spätestens mit der Verabschiedung des Haushalts, also Ende 2020. Danach, so Hennig-Wellsow, gelte wieder das freie Spiel der Kräfte.

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32 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Anbetracht der Situation keine schlechte Lösung. Machen!

  • CDU laviert.



    In HH und TH mittlerweile bei 10 Prozent.



    Weg damit. Papierkorb.

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @Linksman:

      Gute Idee. Und die AfD dann bei 35%? Oder glauben Sie ernsthaft, alle wählen die Linke?

  • sieht so aus als ob die Einigung schon wieder obsolet wäre, Ziemiak, Merz und einige andere stellen sich hin und sagen eine Wahl Ramelows komme für niemanden in der CDU un Frage. Aber die Vereinbarung mit RRG, dass es Wahlen erst nächstes Jahr geben soll bitteschön. Glaub die CDU verliert allmählich den Verstand.

  • Klug.

  • Kaum hat man sich in Erfurt geeinigt, spinnt die CDU Führung in Berlin. Begreifen die nicht, dass sie damit der AfD zuarbeiten?

  • warum nicht gleich so!?

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Respekt - noch einmal - für Bodo Ramelow. Seine Beharrlichkeit im Zugehen auf die CDU verdient großen Respekt.

    Kleines Lob für die thüringische CDU. Die Zukunft wird zeigen müssen, ob das Lob auch irgendwann lauter und freudiger ausfällt.

    Wer in seinen eigenen Denkfallen drinsteckt (wie die CDU als Bundespartei und Landesverbänden)

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      ... Scheiß Feinmotorik ...

      ... braucht einen langen Atem, Beharrlichkeit und Mut, um kleinste Feinjustierungen vorzunehmen.

      Mit ihrer unsäglichen Rechts-Links-Gleichsetzung steckt sie ganz besonders fest im Schlamassel.

      Ich nehme dies mit einer gewissen Schadenfreude zu Kenntnis, werde aber jede Öffnung wohlwollend begleiten.

      Wenn Andere eine ähnlich Sichtweise haben, könnte dies sogar Wirkung zeigen.

      Schließlich heißt es ja: der Wähler, das unbekannte Wesen ... oder so ähnlich.

  • Ein leiser Hauch von Vernunft weht durch die CDU. Nötig wäre bei denen freilich eher ein Tornado, aber immerhin ...

  • wo kann denn hier auch das Problem sein wenn demokratisch orientierte Parteien dem Wesen der Demokratie auch entsprechen und Mehrheiten bilden um Politik - nicht zu vergessen für das Land und die Menschen und nicht für die eigenen Interessen - zu machen. Wichtiger als ideologisch verbrämtes Getue ist doch hier, dass man Parteien die einen Kurs zur Destabilisierung unserer Demokratie betreiben, ausschließt. Die Roten, auch wenn sie sich aktuell noch schwertun ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten, gehören für mich zu den demokratischen Parteien, auch wenn sie noch einiges in Sachen Außenpolitik lernen müssen. Die Ultrarechten, die jüngst erst wieder ihren Einfluss auf die AfD gesteigert haben, brauchen wir in Deutschland wirklich nicht.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    "Die CDU stellt sicher, dass er die erforderliche absolute Mehrheit erhält."

    Wie geht dieses "sicherstellen" bei einer gemäß Verfassung geheimen Wahl?

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Vorher fragen und den Antworten der eigenen Leute vertrauen.

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Einfach. Man fragt in der Fraktion, ob es jemand machen will. Ist wahrscheinlich schon geschehen.

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Es steht jedem Abgeordneten/Wähler frei, seine Wahl öffentlich zu sagen. Geheim bezieht sich darauf, daß niemand dabei zusehen darf, wenn der Wahlzettel ausgefüllt wird, bzw. es darf nicht durch die Wahlleitung öffentlich gemacht werden.



      Insofern können die CDJU-Abgeordneten, die Bodo Ramelow wollen möchten, dies kundtun.



      Es wird Zeit, daß dieses taktieren der CDU endlich aufhört.

  • Endlich etwas Vernunft.

  • finde ich gut. bodo ramelow hat sich als erster über parteigrenzen hinweg geöffnet mit dem vorschlag für die cdu frau als ministerin. jetzt öffnet sich die cdu zurück.

  • Das alles hätte Ramelow auch von beginn an haben können, wenn er auf die CDU zugegangen währe. Aber durch seinen Ego-Trip wurde die Demokratie vera…., und die AFD und die Linke profitieren davon. Er bleibt MP, gewinnt wahrscheinlich die Neuwahlen, ein Pyrrhussieg, um seine Interessen ( oder Person ) durchzudrücken.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Günter Witte:

      Mit dem Zweiten sieht manN besser. Ein Auge allein tut selten gut.

      Mal ein Tipp: vor behaupteten Wahrscheinlichkeiten in der Zukunft (was Sie offenbar 'gut' können) mal das Geschehene sorgfältig betrachten, auf sich wirken lassen ... und Schlüsse daraus ziehen.

      Meine Hilfestellung dazu:

      - Die Vergangenheit ist vorbei und vorüber, sie kann nicht mehr verändert werden;



      - Die Gegenwart passiert gerade JETZT. In der kann jeder entscheiden, ob und wo er mitmacht - und wo nicht;



      -Die Zukunft: sehr spekulativ, ohne gesicherten Ausgang. Näheres: Kaffeesatz, Kristallkugel, Orakel, Tarot ...

      Hope, you'll enjoy!!!

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Da muss man leider kein Hellseher sein, um zu erkennen, das dieses unwürdige Theater nur der Linken UND der AFD in die Hände spielt. Die Linke, in Person Ramelow, hat die Landtagswahl gewonnen, aber die Regierung (RRG) wurde abgewählt. Jetzt hätte Ramelow auf die beiden Demokratischen Parteien im Landtag ( CDU/FDP) zugehen können, und versuchen eine Lösung für das Land Thüringen zu erreichen. Aber so wurde sehenden Auges die Stärkung der AFD riskiert, nur um seine Partei zu stärken und die anderen bewusst zu schwächen. Der, momentane, Erfolg gibt ihm ( persönlich ) recht, aber zu welchem Preis ?

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Günter Witte:

          Die "beiden demokratischen Parteien" (CDU/FDP). Alle anderen sind wohl diktatorische?

          Kommentar gekürzt. Bitte bleiben sie sachlich.



          Die Moderation

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Falsch!

        Auf einem Bein kann man nicht stehen und drei mal ist Oldenburger Recht.

        Men Tip: Übern Berg ist kürzer als zu Fuß!

    • @Günter Witte:

      Sie verwechseln hier die CDU auf Bundesebene mit der CDU in Thüringen, die sich weiter Rechts positioniert hat. Titulieren tun sie sich als Konservativ. Denen sind die Inhalte der Werte Union näher als die der Bundesfraktion. Die Linke wird auf der Webseite der Werte Union aufs übelste mit reaktionärer Klater-Krieg -Rhetorik beschimpf. Das sind vernagelte Ideologen, die Gefahr von Rechts abschwächen in den sie sie mit der Gefahr von Links gleichsetzen. Der Feind ist für sie ausschließlich links! Glauben sie ernsthaft das sich die CDU in Thüringen ohne das Desaster , vorher mit der Linken an einen Tisch gesetzt hätte?

      • @Andreas J:

        Welche Chance hatte die Thüringer CDU nach diesem Wahlergebnis ?



        Selbst wenn sie nicht den Tabubruch bei der Abstimmung gemacht hätten, hatten sie von Haus aus den schwarzen Peter in der Hand. Hätten sie später Entscheidungen der Minderheitsregierung im Landtag blockiert, so währe das nur mit den Stimmen von AFD und FDP gegangen, und es hätte dann wieder geheißen, die arbeiten mit der AFD zusammen.



        Natürlich wusste Ramelow das, hat aber um sich und seine Partei zu stärken die Pose durchgezogen, und dadurch bewusst die AFD gestärkt.

      • @Andreas J:

        Die CDU Thüringen hätte ja mit Ramelow zusammengearbeitet, war eigentlich alles ausgehandelt, aber aus Berlin kam ja das Verbot.

      • @Andreas J:

        P.S. Die Werte Union ist wie die FC Union Berlin nicht einmal eine Parteigliederung der CDU.

      • @Andreas J:

        Die Werte Union ist nicht die Union und die Linkspartei kein durchgeknallter Linksextremoverein. Differenzieren Sie also bitte.

        • @Rudolf Fissner:

          Textverständnis mangelhaft.Ich sprach davon das der CDU Thüringen die politischen Inhalte der Werte Union näher stehen als die der Bundes CDU. Das die Werte Union nicht in der CDU ist spielt gar keine Rolle. Ihre Mitglieder sind es. Was gibt es da zu Differenzieren? Wo habe ich behautet die Linke sei ein "durchgeknallter Linksextremoverein"? Das sind ihre Worte! Verstehen sie überhaupt etwas?

    • @Günter Witte:

      Wir haben offensichtlich nicht die gleichen Zeitungen gelesen...

      • @pitpit pat:

        Verlinken Sie doch mal Zeitungen, die von Angeboten der Linkspartei an und Gespräche mit der CDU berichten.

  • Schlimm schlimm, dass die Wiederherstellung des Normalzustands so mühsam und aufreibend ist, um nur eine bürgerliche Regierung gegen die Rechtsradikalen zu etablieren.

  • Herzlichen Glückwunsch an die CDU!

    Es war zu lesen, dass die CDU je später der Termin für die Neuwahlen vorgesehen wurde, um so eher für alles zu haben war. Aber Neuwahlen schon im April 2021 und dafür Wahl von Ramelows, das wundert mich schon. Ich hätte gedacht, die wählen nur Ramelow unter der Bedingung, dass überhaupt keine Neuwahlen stattfinden.

    Der Zusatzvertrag gegen die AfD ist auch vernünftig. Prima!