Einigung beim Gebäudeenergiegesetz: Kulturkampf im Heizungskeller
Regierungsverantwortung ist kein Ponyhof und Verträge gilt es einzuhalten. Das zu hören, mag schocken, doch es ist Zeit zum Handeln.
![Robert habeck telefonierit Robert habeck telefonierit](https://taz.de/picture/6333067/14/33024585-1.jpeg)
I m Kulturkampf geht es nie um die Sache, nie um das Ergebnis, sondern nur um den Kampf. Je erbitterter der Kampf, desto besser für diejenigen, die ihn führen wollen. Deshalb darf man den Kulturkampf nicht im Heizungskeller annehmen und auch sonst nirgendwo, denn das würde ihn potenzieren.
Ich selbst habe gerade in einem Text aus meiner Sicht populistische (bayerische) Politiker Hanswurste genannt. Weil es mir vorkommt, als inszenierten sie sich beim Gebäudeenergiegesetz durch Ignorieren von Sachlage, politischer Notwendigkeit und gesetzlicher Verpflichtung bewusst als derb komische Bierzeltfiguren, um negative Emotionen zu stimulieren. Das tat mir kurz gut, war aber ebenfalls eine derbe Reduzierung und nicht hilfreich. Sorry!
Mit Blick auf die Grünen: Regierungsverantwortung ist kein Ponyhof, Christian Lindner ist, wie er ist, Kanzler Scholz auch, also klimapolitisch eher mäßig interessiert. Damit muss man bis auf Weiteres genauso klarkommen wie mit Kompromissen in der pluralistischen EU.
Wegrennen und die anderen ihren Scheiß allein machen lassen wäre ein Versagen, das die Parteigründung ad absurdum führen würde. Es ist aber auch keine Option mehr, wenn man sich als Zentrum der Gesellschaft und als Partei von Law and Order versteht.
Falls jetzt immer noch jemand irritiert sein sollte: Law and Order ist die Grundbedingung eines guten Zusammenlebens. Die Politik von Vizekanzler Robert Habeck folgt auch aus der Notwendigkeit, internationale Verträge einzuhalten, dem Bundesverfassungsgericht zu folgen und Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen.
Die Aufregung jener Politiker, die solche Politik bekämpfen, beruht offenbar auf der Annahme, dass geschlossene Verträge Jux seien. Weshalb sie zu eigenen Regierungszeiten, was beispielsweise den Gebäudebestand angeht, nichts taten, obwohl sie gemusst hätten.
Allerdings ist unklar, ob es in den Merkel-Jahren eine Art unausgesprochenen Deal zwischen Regierung und Mehrheitsgesellschaft gab, wonach beide so taten, als sei das Sprechen über Klimapolitik bereits Handeln. Während man Letzteres einvernehmlich unterließ.
Mit Luisa Neubauers Fridays for Future änderte sich das gefühlt und mit dem Einzug von Robert Habeck in das neue Wirtschafts- und Klimaministerium dann real. Diese neue und ungewohnte Realität des Handelns ist zunächst auch ein Schock. Ein weiterer, nach den vielen Krisen der vergangenen Jahre.
Wir Bundesdeutsche müssen jetzt in vielfacher Hinsicht handeln können, wie wir es bisher nie wollten. Da sind Ausweichbewegungen erst mal verständlich und reparatives Sprechen unverzichtbar.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Übrigens ist in Großbritannien das Ende von Öl- und Gasheizungen Regierungspolitik der Konservativen, in Dänemark der Sozialdemokraten, in den Niederlanden der Rechtsliberalen. Es ist also gar keine Grüne „Obsession“, „Ideologie“ oder „Religion“ – sondern bloß die vorgeschriebene Umsetzung internationaler und nationaler Verpflichtungen, die in der EU von einer demokratischen Mehrheit der staatstragenden europäischen Fraktionen beschlossen wurden.
Insofern wiederhole ich meine Forderung, dass wir diese klimapolitische Grundübereinkunft auch in der Bundesrepublik brauchen, um die Trennlinie klar zwischen am Rechtsstaat orientierten, demokratischen Parteien und der AfD zu ziehen – und damit den populistischen Echoraum auf ein kleineres Bierzelt zu reduzieren.
Mag sein, dass die Show der vergangenen Monate FDP und Union kurzfristig ein paar Stimmen bringt. Aber einen Kulturkampf gewinnen am Ende immer die Rechtspopulisten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet