Einfallstor für EU-Markt: China trumpft mit Türkei-Deal auf

Der weltgrößte Elektroautobauer BYD will südlich von Bursa eine Fabrik bauen. Damit würde er die geplanten EU-Einfuhrzölle umgehen können.

Arbeiter im Blaumann montieren ein hellblaues BYD-Modell

BYD will in einer neuen Fabrik in der Türkei E-Autos im gehobenen Segment bauen: Fertigung in Thailand Foto: Chalinee Thirasupa/reuters

ISTANBUL taz | Es war eine angemessene Zeremonie unter den Augen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan: Am Montag unterzeichneten der Chef des chinesischen Elektroautobauers BYD, Wang Chuanfu, und der türkische Industrie- und Technologieminister Mehmet Fatih Kacır eine verbindliche Vereinbarung zum Bau einer großen Elektroautofabrik in der Türkei.

Auf einem Gelände südlich von Bursa, in Manisa, soll ein Werk entstehen, in dem BYD im Jahr 150.000 Fahrzeuge produzieren will. Das Investitionsvolumen liegt bei einer Milliarde US-Dollar. Erdoğan applaudierte begeistert, und auch Wang Chuanfu zeigte sich zufrieden.

Die Standortwahl ist kein Zufall. Die Türkei wirbt seit Längerem in Peking für große Investitionen aus dem Reich der Mitte und bietet beispielsweise steuerliche Vergünstigungen an. Und für die Chinesen könnte sich eine Fabrik in der Türkei schon in naher Zukunft als strategischer Volltreffer erweisen. Denn nach der 1995 vereinbarten Zollunion zwischen der EU und der Türkei haben türkische Industrieprodukte, also auch Autos, einen bevorzugten Zugang zum Markt der EU. Die von der EU geplante Zollerhöhung für die Einfuhr chinesischer Autos nach Europa würde also wegfallen, wenn die Fahrzeuge hier produziert würden.

Die USA erheben schon länger hohe Einfuhrzölle auf chinesische Elektroautos. Seitdem ist die EU zum bevorzugten Ziel für BYD, den mittlerweile weltweit größten Elektroautohersteller, geworden. Ein Teil der Fahrzeuge wird mit BYD-eigenen Schiffen nach Europa gebracht. Es wird aber auch bereits ein Werk in Ungarn gebaut, wo ab der zweiten Hälfte 2025 ein BYD-Kleinwagen für den europäischen Markt produziert werden soll. Das gehobene Segment soll dann demnächst aus der Türkei kommen.

Autobauregion unter dem Radar

Das ist nicht so ungewöhnlich, wie es sich für europäische Ohren zunächst anhören mag. Die Industrieregion rund ums Marmarameer zwischen Istanbul und Bursa gilt längst als eine der führenden Autobauregionen weltweit. Waren es vor Jahrzehnten noch Joint Ventures mit Renault und Fiat, die den türkischen Automarkt versorgten, sind mittlerweile auch Ford, Toyota, Hyundai und Mercedes mit eigenen Fabriken hier vertreten. Sie beliefern von der Türkei aus auch den Nahen Osten und Teile des europäischen, hauptsächlich osteuropäischen Marktes. Mercedes etwa lässt fast alle Reisebusse in seiner Fabrik bei Istanbul bauen.

Seit zwei Jahren ist die Türkei auch mit ihrer eigenen Marke Togg am Start. Seit 2022 verkauft Togg einen SUV, der in Aussehen und Leistung europäischen Elektro-SUVs ähnelt. Die Batteriezelle kommt derzeit noch aus China, demnächst sollen aber auch in der Türkei Batteriezellen hergestellt werden.

Togg ist ein Prestigeprojekt von Erdoğan, zu dem er mehrere türkische Firmen gedrängt hat. Bei einem Preis von knapp 50.000 Euro ist das Auto allerdings nur für wenige Kunden in der Türkei erschwinglich. Stattdessen soll jetzt BYD den hiesigen Massenmarkt und dann auch den in Europa zu erschwinglichen Preisen bedienen. BYD verkauft in Deutschland bislang nur wenige Tausend Autos im Jahr, ist auf anderen Märkten aber schon Weltmarktführer – im letzten Quartal 2023 setzte BYD 526.000 Elektrofahrzeuge ab, erstmals mehr als der US-Gigant Tesla. Parallel zu den Plänen mit der Türkei und Ungarn hat BYD gerade erst ein Werk in Thailand eröffnet und will nun noch eine große Fabrik in Brasilien bauen.

Günstiges Tor nach Europa

Da die EU gegen den deutschen Widerstand gerade erst Probezölle für chinesische Elektroautos eingeführt hat, könnte sich die Fabrik in der Türkei für die Chinesen als unschlagbar günstiges Tor nach Europa erweisen. Die Türkei selbst verspricht sich von BYD zunächst mehr als 5.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze und bald auch günstige E-Autos für den heimischen Markt.

Auch europäische Käufer werden von den E-Fahrzeugen von BYD aus der Türkei profitieren. Das ist gut für die Zukunft der Elektromobilität, könnte aber gerade für deutsche Konzerne zum Problem werden. Am härtesten würde es wohl den VW-Konzern treffen, der es immer noch nicht geschafft hat, ein günstiges Modell für den Massenmarkt anzubieten. Ironie der Geschichte: Das Gelände bei Manisa, auf dem BYD jetzt sein Werk bauen wird, war ursprünglich für eine Volkswagen-Fabrik vorgesehen, bis das Management einen Rückzieher machte.

Auch an anderer Stelle tritt BYD bereits in die Fußstapfen von VW. Die chinesische Firma ist Hauptsponsor für die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Seitdem kennen die deutschen Fußballfans die chinesische Marke. Der Hauptanteilseigner von Tesla, Elon Musk, sieht in BYD die größte Gefahr für die Autoindustrie außerhalb Chinas. Zu Bloomberg sagte er: „Sie sind extrem gut. Wenn es keine Handelsschranken gibt, werden sie die meisten anderen Autofirmen weltweit zerstören.“

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