„Ein Pirat sticht auch ins rote Meer“?: Danke für nichts, Piraten
Abwertende Sprüche gegen Menstruierende vor allem von Männern sind an der Tagesordnung. Sie bewegen sich auf dem Level von pubertierenden Jungs.
S prüche, die sich mit dem Innenleben von Menstruierenden oder Prämenstruierenden beschäftigen, gibt es zuhauf. Verständnis enthalten diese allerdings nicht – eher Schuldzuweisungen, Pathologisierungen und Gaslighting.
Ein echter Pirat sticht auch ins Rote Meer. Wo fängt man da jetzt an? Vielleicht damit, wie gewaltvoll dieser Satz ist. Die primäre Bedeutung von Stechen lautet: einen spitzen Gegenstand wie eine Nadel in einen anderen Gegenstand treiben. Aus einem Liebes- oder Leidenschaftsakt zweier Menschen wird – wieder mal – ein gewaltvoller Akt, mit einer aktiv und einer passiv teilnehmenden Person.
Dem stechenden Piraten, der auch vor dem Roten Meer nicht zurückschreckt, und der menstruierenden Person, deren Wille oder Nichtwille irrelevant scheint. Menschen, die das zwölfte Lebensjahr vollendet haben und weiterhin von sich als Pirat sprechen, scheinen mir ohnehin gänzlich andere Sorgen zu haben als die, ob ihr Objekt der Begierde gerade menstruiert.
„Was bist du so hysterisch? Bekommst du deine Tage?“
Jetzt muss man sich mal vorstellen, dass es Zeiten gab, in denen die Annahme vorherrschte, sogenanntes hysterisches Verhalten entstehe, weil die Gebärmutter nicht in den „Genuss“ von Sperma komme. Daraufhin lande diese den gesamten Körper nach Sperma absuchende, heillos verwirrte Gebärmutter im Kopf.
Ah ja. Wo fängt man da jetzt an? Am besten damit, auf diesen Spruch das nächste Mal zu entgegnen: „Du, ich hab grad gar keinen Kopf für dich, meine Gebärmutter will alle Aufmerksamkeit.“
„Wieso bist du so zickig? Bekommst du deine Tage?“ Wo fängt man da jetzt an? Am besten damit, einfach zu mähen. Keinen Rasen, sondern wie eine Ziege.
„Bekommst du SCHON WIEDER deine Tage?“
Wo fängt man da jetzt an? Am besten mit einem Wikipedia-Link, der über den Menstruationszyklus aufklärt. Denn ja, erstaunlich, aber wahr: alle vier bis sechs Wochen geht’s aufs Neue los mit dem Bluten und den Schmerzen und den, das Blut ankündigenden, Symptomen. Was eine Überraschung! SCHON WIEDER! Könnte man sich auch einfach dran gewöhnen und statt unverschämter, ungläubiger Sprüche Mitleid, Snacks und sogenannte Hygieneartikel offerieren.
„Meine Cousine macht jetzt richtig viel Sport und verzichtet auf Zucker, bevor sie ihre Periode bekommt, seitdem ist sie viel ausgeglichener.“
Wo fängt man da jetzt an? Am besten damit, darauf aufmerksam zu machen, ein erwachsener, der Bedienung des Internets fähiger Mensch zu sein, der durchaus schon von diesen Geheimtipps gehört hat. „Wenn das jeden Monat so ist, müsstest du dich eigentlich mal dran gewöhnt haben. Kann ja nicht sein, dass etwas so Natürliches dein ganzes Sein verändert. Du musst lernen, deine Gefühle in dieser Zeit besser zu kontrollieren.“ Wo fängt man da jetzt an? Am besten damit, die Kontrolle komplett zu verlieren. Scheint ja davor noch nicht der Fall gewesen zu sein, sonst hätte sich so ein Spruch nicht rausgetraut.
Der schlimmste Spruch, den ich je zu hören bekam, war: „Ich schlafe doch jetzt nicht mit dir, du blutest wie eine abgestochene Sau.“ Wo fängt man da jetzt an? Am besten mit Trennung. Als hätte ich je wieder Lust, mit einem Menschen zu schlafen, der so über mich, der so über Menschen spricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Ost-Preise nur für Wessis
Nur zu Besuch