Periode und Körpergeruch: My body is a Tümpel
Alle möglichen Symptome werden vom hormonellen Zyklus verursacht. Auch Körpergeruch. Dafür schämen muss man sich nicht, findet unsere Kolumnistin.
V iele Jahre habe ich als Buchhändlerin gearbeitet. Es war nicht immer leicht mit mir und der werten Kundschaft. So begab es sich eines Tages, dass ein sehr herausfordernder Kunde es sich doch tatsächlich nicht nehmen ließ, den Buchladen mit der Information „Und übrigens stinken Sie“ zu verlassen. Kein Schweiß, äh Scheiß, so ist es geschehen. Ich muss gestehen: Was ihm an Benehmen fehlte, hatte er in diesem Punkt recht.
Fest steht: Ich roch extrem unangenehm. Alle kennen ihn, diesen zwiebeligen, säuerlichen, stechenden Geruch. Einen Geruch, dem man mit Pech den gesamten Tag ausgesetzt ist, bis abends die Kleider gewechselt und die Achseln gewaschen werden können.
Fest steht auch: Ein, zwei Tage später bekam ich meine Periode. Fest steht als Drittes: Es existiert ein Zusammenhang. Mir war es über alle Maßen peinlich, den Buchladen vollzustinken, nur wäre die Alternative gewesen, ihn zu schließen. Am liebsten hätte ich mir eine Wäscheklammer auf die Nase gesetzt und jeder den Laden betretenden Person solidarisch auch eine gereicht.
Keine Scham bei Körpergeruch
Damals habe ich den hormonellen Zusammenhang nicht herstellen können. Heute schon. Mir ist nämlich aufgefallen, dass ich ein, manchmal auch zwei Nächte, bevor ich zu bluten beginne, unter Nachtschweiß leide. Leiden ist übertrieben. Ich schwitze nachts. Die Haare im Nacken sind feucht, zwischen den Brüsten sammelt sich Schweiß. Trotz meines extra super mega Anti-Transpiration-Deos stinke ich, kurz bevor das Blut geschossen kommt, immer noch meine Umgebung voll. Pech. Müssen die durch. Es ist mir immer weniger peinlich.
Doch warum werden uns neben zig anderen PMS-Symptomen auch noch Gestank und daraus resultierende Scham über den Gestank und Nachtschweiß und daraus resultierende Sorgen über den Nachtschweiß zugemutet? Wer wird da wohl seine Finger im Spiel haben? Richtig! Die Östrogene!
Wir wissen ja mittlerweile, dass der Östrogenspiegel mit Periodenbeginn seinen Tiefstand erreicht. Östrogen-Ebbe. Vor der Periode zieht sich das Östrogen langsam zurück, und jetzt kommt's: Die Östrogene sind mitverantwortlich für die Regulation unserer Körpertemperatur. Eigentlich logisch. Es gehen ja auch die Wechseljahre mit fiesen Schweißausbrüchen einher. Ich frage mich, womit die Östrogene eigentlich nichts zu schaffen haben? Langsam bekomme ich Mitleid mit denen, die müssen ja völlig überarbeitet sein. Da muss man ja stinken.
Von wegen Selbstliebe
Vereinfacht erkläre ich mir das so: Wenn bei den Östrogenen Ebbe ist, herrscht in unseren Schweißdrüsen Flut. Diese sondern bei Flut ein Sekret ab, das zu 99 Prozent aus Wasser und zu 1 Prozent aus Salzen, diversen Säuren (sogar Harnsäure!), Zuckern und Fetten besteht. Diese 1 Prozent bilden die Grundlage für Bakterien und die steigen uns und unserer Umwelt dann in die Nase.
Ja ja, alles normal, alles menschlich, liebe dich selbst, liebe deinen Körper. Mir egal. Ich find's eklig. Ich möchte mich nicht riechen, im Gegenteil, ich möchte als menschgewordender Drogeriemarkt durch meinen Alltag wandeln. Sowohl post- als auch prämenstruell!
Trotzdem wünschte ich dem Kunden hinterhergerufen zu haben: „Ja, heute stinke ich, morgen blute ich und übermorgen kriegst du Hausverbot!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?