Ehemalige RBB-Intendantin Schlesinger: Gier und jetzt
Der Fall Schlesinger ist ein gefundenes Fressen für misogyne Feinde der Öffentlich-Rechtlichen. Dabei hat Vetternwirtschaft in Berlin Tradition.
GEZ is geil“, so der Arbeitstitel, der mir in den Sinn kommt. Ich bin nämlich dabei, ein Drehbuchexposé für eine genreübergreifende Miniserie zu verfassen. Gewissermaßen als Pilotprojekt. Es handelt sich um einen Wirtschaftskrimi im Wellnessmilieu. Dementsprechend spielt die Geschichte in der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt RBR: Radio Bananenrepublik in der Masseur*innen-Allee.
Die Hauptakteurin ist keine Geringere als die Intendantin selbst. Sie reüssiert als eine sprichwörtliche Patrizierin in den besten Jahren. Denn es ist ihr im Laufe ihrer imponierenden journalistischen Karriere gelungen, alte Mauern einzureißen und sogar neue entstehen zu lassen: etwa mit grünen Pflanzen verzierte Wände, die über eine eigene Bewässerungsanlage verfügen.
Ich meine, wenn sie alleine für die Renovierung der Vorstandsetage zwischen 650.000 und 1,4 Millionen Euro ausgibt, dann sollten solch Annehmlichkeiten gleichsam drin sein. Wesentlich günstiger ist immerhin der Sekundenkleber, mit dem sie ihren Sessel übersät, ehe sie sich wieder hinsetzt und ihre Krisenfestigkeit unter Beweis stellt.
Doch auch als eine Alpha Woman, die inmitten der gnadenlosen Ellenbogengesellschaft zu bestehen versucht, ist die Eigenschaft der Empathie bei ihr nicht verloren gegangen. So kümmert sie sich rührend darum, dass ihr Ehegatte in den Genuss hochdotierter, wenn auch hochdubioser Beraterverträge kommt. Powerfrau als Familienfrau.
Das System Schlesinger
Es sei übrigens ausdrücklich erwähnt: Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen ist rein zufällig. Oder auch nicht.
Fakt ist, das System Schlesinger hat es in die Schlagzeilen geschafft. In Berlin, wo die Vetternwirtschaft zum Alltag zählt, ist das eigentlich eine Errungenschaft. Schon der Name dieser im frühen 13. Jahrhundert aus der Taufe gehobenen Stadt bedeutet,,Sumpf“.
Was die Thematik Korruptionsskandale betrifft, da steppt der BER. Es war immer so. Siehe die Causa der Gebrüder Sklarek aus den Jahren 1929 bis 1933. Untreue, Vorteilsnahme, fingierte Rechnungen. Da lief alles wie geschmiert. Die Bekleidungsunternehmer Sklarek mussten sich am Ende splitterfasernackt ausziehen, wie auch zahlreiche Banker, Beamte und Buchhalter, die als Komplizen von dem Sog erfasst wurden. Männer und Machtgier halt.
Doch irgendwie ist besonders störend, dass eine Frau, eine moderne, medienbewusste Frau wie Patrizia Schlesinger es riskieren würde, in flagranti ertappt zu werden. Sich selbst saftige Gehaltserhöhungen und Boni zu gönnen, während sie der Belegschaft den Geldhahn zudreht?
Gläserne Decken und Scherbenhaufen
Es herrscht die Unschönvermutung, aber es geht dabei um mehr als die Optik. Die Vorwürfe, mit denen Frau Schlesinger konfrontiert wird, sind kein erfundenes, sondern vielmehr ein gefundenes Fressen für die schäumenden Todfeinde des sogenannten Staatsfunks, die diese Gelegenheit nutzen, um auch ihre Misogynie frei laufen zu lassen.
Man müsste wiederum nicht zu den Demagogen zählen, um zu begreifen, dass der ÖRR buchstäblich von A wie ARD bis Z wie ZDF dringend reformbedürftig ist, und zwar nicht,,nur“, was den laxen Umgang mit unseren GEZ-Gebühren betrifft. In den Rundfunkräten sind Menschen mit Einwanderungsgeschichten auf eklatante Weise unterrepräsentiert.
Was auch immer aus dem,,fiktiven“ Drehbuch wird und wie auch immer die echten Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft ausgehen, ist eine Sache klar: Patrizia Schlesinger hat auf fulminante Weise die berühmt-berücktigte gläserne Decke durchbrochen und einen Scherbenhaufen hinterlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten