piwik no script img

EU verschiebt Regeln gegen EntwaldungAbholzen statt Klima schützen

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Die EU schadet dem Klima, indem sie ihre Verordnung gegen Entwaldung ein Jahr später anwendet. Jetzt dürfen die Regeln nicht noch verwässert werden.

Abholzung im Amazonas Foto: Marcelo Sayao/EPA/dpa

E s ist bedauerlich, dass die Europäische Union ihre Verordnung gegen Entwaldung ein Jahr später als geplant anwenden will. Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kautschuk, Kaffee und Kakao – all diese Produkte von nach 2020 gerodeten Flächen sollen nun erst ab Ende nächsten Jahres verboten sein.

Darüber kann angesichts der Klimaschäden durch Entwaldung niemand glücklich sein. Auf keinen Fall darf die Verzögerung den Rechten im EU-Parlament ermöglichen, die Verordnung zu verwässern.

Denn allein im Zeitraum 1990 bis 2020 wurden laut Europäischer Kommission global 420 Millionen Hektar Wald – eine Fläche größer als die EU – abgeholzt. Rund 11 Prozent des Treib­haus­gases weltweit stammten 2007 bis 2016 demnach aus der Forstwirtschaft oder anderen Landnutzungen „und waren überwiegend auf Entwaldung zurückzuführen“. Europa verbraucht jedes Jahr Produkte, für die Hunderttausende Hektar Wald geopfert wurden.

Deshalb hätte die EU spätestens ab diesem Jahr, wie in der Verordnung vorgesehen, von den Unternehmen die geografischen Koordinaten des Erzeugerbetriebs oder der Plantage solcher Produkte verlangen sollen. Doch die Kommission hat das dafür nötige Computersystem zu spät zur Verfügung gestellt. Zudem hat sie die Länder nicht rechtzeitig in die vereinbarten Risikokategorien eingestuft. Das ist Schlamperei, die die Gegner der Verordnung, etwa in der CDU, ausgenutzt haben.

Übertriebene Sorgen vor Bürokratie

Die Konservativen wollen nun auch noch eine Kategorie für „Null-Risiko-Länder“ einführen. Händler müssten dann nicht dokumentieren, von welchen Flächen in solchen Staaten beispielsweise Holz kommt. Wichtigste Bedingung soll sein, dass die Waldfläche nicht schrumpft. Aber wenn man fast nur auf den Umfang achtet, wäre es möglich, artenreichen Urwald durch Forst-Monokulturen zu ersetzen.

Zudem: Der zusätzliche bürokratische Aufwand, etwa für deutsche Waldbauern, durch die Verordnung ist überschaubar. Die meisten Daten müssen sie sowieso schon dokumentieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Agrarprodukte, produziert auf Flächen die nach 2020 abgeholzt, dürfen in D nicht mehr in den Handel gebracht werden? Vor allem, es muss der Händler dokumentieren? Hab ich das richtig verstanden? Der einzige Effekt dieses Gesetzes ist, es werden die Produkte teurer, weil der Händler einen größeren Verwaltungsaufwand hat und die gesamt Lieferkette mit Mehraufwand belastet wird. Es nicht ein Baum weniger gefällt werden! Plötzlich kommen alle Produkte aus bereits früher gerodeten Flächen und, aus EU Gesichtspunkten, problematische Produkte werden, zumindest auf dem Papier, nach z. Bsp. China verkauft. Ich habe lange in Brasilien gelebt. Es kommt rein gar nichts hier an von dem was sich die hochdotierte EU Verwaltung ausdenkt.

  • Da kann man wohl nur hoffen, dass die Verantwortlichen zuerst der Hitzekoller trifft. 🤷