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EU plant mehr Schutz für Nut­ze­r:in­nenDigital ist noch zu unfair

Wer im Netz unterwegs ist, ist ständig Zielscheibe von Werbung und Manipulationen. Die EU-Kommission will das mit einem neuen Gesetz verbessern.

„Unser Verhalten wird gelenkt in Richtung schnelles Kaufen und schnelles Konsumieren von Inhalten.“ Foto: Westend61/getty images

Berlin taz | Jetzt buchen, nur noch ein Apartment frei, schreit die Online-Reiseplattform. Drehe das Glücksrad und bekomme vielleicht einen Rabatt auf deinen Einkauf, lockt das Shopping-Portal. Cookie-Einstellungen? Groß und grün leuchtet der Okay-Button, klein und grau versteckt sich in der Ecke ein „Nein Danke“.

Es sind Muster, die praktisch alle, die im Internet unterwegs sind, zur Genüge kennen: Dark Patterns heißen sie, dunkle Muster. Denn sie sollen durch geschicktes Design die Nutzenden zu einer bestimmten Handlung bewegen, die im Sinne des Anbieters ist: das Apartment jetzt buchen, möglichst oft auf die Seite des Shopping-Portals surfen und bei den Cookies alles abnicken.

Eigentlich sind Dark Patterns bereits verboten. Der Digital Services Act (DSA) der EU legt fest, dass Betreiber von Webseiten die Nut­ze­r:in­nen nicht täuschen oder manipulieren dürfen. Dass die Webseiten-Betreiber Dark Patterns dennoch häufig einsetzen, liegt laut den Verbraucherzentralen daran, dass bisher die Rechtsprechung fehlte: Die Gerichte müssten entscheiden, welche Praktiken als Dark Patterns einzustufen sind.

Die EU-Kommission jedenfalls hat Dark Patterns als eines der großen Probleme ausgemacht, unter denen Ver­brau­che­r:in­nen im Netz leiden – und will aktiv werden über den DSA hinaus. Die Logik dahinter ist ganz im Sinne der Tradition der EU. Zu deren Kernaufgaben gehört die Förderung des Binnenmarktes.

Wenn nun aber Unternehmen in der Breite Nut­ze­r:in­nen manipulieren und so zu Entscheidungen bewegen, die mehr im Interesse der Firmen als der Ver­brau­che­r:in­nen sind, dann könnte das „zu einem Vertrauensverlust seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher führen“. So heißt es in einer Arbeitsunterlage der EU-Kommission, mit der sie ein neues Verbraucherschutzgesetz anstößt: den Digital Fairness Act.

Digital Fairness Check

Es sind nicht nur Dark Patterns, die die Kommission in dem neuen Gesetz adressieren will. Um herauszufinden, wo Nachbesserungsbedarf ist, hatte sie im vergangenen Jahr den Digital Fairness Check gestartet. Dabei wurde untersucht, ob die drei wichtigsten europäischen Verbraucherrichtlinien auch Lösungen für die Probleme des digitalen Zeitalters bieten. Die Antwort: Nicht so richtig.

In einem „Mission Letter“, einer Art grober Aufgabenplan, den EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen an ihre neuen Kom­mis­sa­r:in­nen verschickt hat, skizziert sie das Vorhaben für den neuen Justiz-Kommissar Michael McGrath folgendermaßen: „Sie werden ein Gesetz zur digitalen Fairness entwickeln, um gegen unethische Techniken und Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit Dark Patterns vorzugehen, gegen Marketing von Social-Media-Influencern, gegen die süchtig machende Gestaltung digitaler Produkte und Online-Profiling, insbesondere wenn die Schwächen der Verbraucher für kommerzielle Zwecke ausgenutzt werden.“ Auch wenn die Details noch unklar sind: Es soll schnell gehen. Noch für dieses Jahr ist die öffentliche Konsultation geplant, Ende des Jahres könnte dann der Gesetzentwurf stehen.

Widerstand aus der Wirtschaft

In der Wirtschaft wird das Vorhaben nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen. So fordert etwa der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh), von neuen Regeln abzusehen. Stattdessen solle die EU das geltende Recht konsequenter umsetzen – und zum Beispiel stärker gegen Verstöße von Händlern in Nicht-EU-Staaten vorgehen. Ähnlich sieht man das beim Digital-Verband Bitkom: Neue Regeln würden die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Plattformen beeinträchtigen.

„Die EU hat tatsächlich in der letzten Legislaturperiode einige Digital-Regulierungen gemacht – aber davor eben sehr lange nichts“, sagt Stefanie Grunert, Expertin für Handel und Recht beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Dass die EU-Kommission nun Nachbesserungsbedarf in Sachen Verbraucherrecht erkenne, sei erst einmal sehr gut. Nun komme es einerseits darauf an, dass auch die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes für alle Beteiligten Klarheit schaffe. Und andererseits darauf, nicht nur gegen die von der Kommission ins Spiel gebrachten Punkte wie manipulative Designs und Influencer-Marketing vorzugehen. Sondern weitere Bereiche in den Blick zu nehmen.

Dazu gehöre etwa, dass Online-Plattformen immer noch nicht ausreichend haftbar seien für die Produkte, die über sie verkauft werden. Und dass bei Bewertungen von Nut­ze­r:in­nen längst nicht immer unterschieden werde zwischen Bewertungen von echten Kun­d:in­nen – und solchen, die ein Produkt kostenlos zugeschickt bekommen haben und es daher tendenziell wohlwollender bewerten.

Was ist mit dem Klimaschutz?

Noch weiter geht die NGO Campact. Sie fordert: digitale Fairness müsse auch den Klimaschutz berücksichtigen. „Die Digitalisierung als Ganzes schadet dem Klima momentan mehr als sie nutzt“, sagt der Aktivist und Kommunikationsberater Friedemann Ebelt. „Müllfluencing“ sei es, was im Internet heute Standard sei: „Unser Verhalten wird gelenkt in Richtung schnelles Kaufen und schnelles Konsumieren von Inhalten.“

Ebelt zufolge müsse die EU den Anbietern im ersten Schritt Transparenz verordnen. Was verbraucht eine Webseite, eine Plattform, eine KI und die dahinterstehende Infrastruktur an Strom? Und aus welchen Quellen kommt dieser? Dabei glaubt Ebelt gar nicht unbedingt, dass Nut­ze­r:in­nen sich großartig daran orientieren würden. Aber eine entsprechende Transparenzpflicht würde Anbieter dazu verpflichten, genauer hinzuschauen – und darüber hinaus belastbare Zahlen zu liefern, die Aufschluss darüber geben könnten, wie weit die Digitalisierung eigentlich von ökologischer Fairness entfernt ist.

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12 Kommentare

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  • Regulierung ist hier richtig und muss wehrhaft sein.



    Weil es wohl größere kommerzielle Vorteile hat, wie booking, Meta, Tiktok und andere alle Register zu ziehen.

  • Und wann schützt uns die EU vor der Dauerwerbung in den ÖRR, vor allem den Hauptprogrammen von ARD und ZDF? Denen könnte man sich leichter verweigern, als irgendwelchen Plattformen im Netz, aber Beiträge muss man trotzdem zahlen und den Mist auch noch grundfinanzieren.

    Die Hauptprogramme von ARD und ZDF Programme besteht doch fast nur noch aus (Eigen-)Werbung, Schleichwerbung für Konsum und Propaganda im Sinne der libertären Selbstverwirklichung cum Selbstoptimierung mittels Konsum. Die wenigen sich explizit aufklärerisch gebenden Programme stechen vor allem dadurch hervor, dass sie Meinungseinfalt bieten.

    • @DemokratischeZelleEins:

      Sie wollen weniger Werbung statt mehr, richtig?



      Dann ist es doch schon mal schön, Sachen ohne Werbung zu sehen, wie im Öffentlich-rechtlichen nach 20h.



      Dafür und für Journalismus, der nicht von Springer, Bertelsmann oder gar Fox und Putin kontrolliert ist, zahle auch ich gerne Beiträge.

  • Mir fehlt da jede Form von Problembewusstsein. Und wenn ich in solchen Praktiken ein Problem erkennen wollen würde, was sagt das dann über die Nutzer aus. Soll als nächstes Werbung als "unethische Praktik" verboten werden? Haben wir in der EU keine anderen Probleme?

    • @DiMa:

      Das Problem ist nicht nur, dass die Nutzerinnen schlicht und einfach betrogen werden.



      Von größerer Bedeutung ist die Nutzung der gewonnenen Daten zur kommerziellen wie auch politischen Manipulation.



      Hintergründe hier: stolzenwaldt.de/20...die-digitale-welt/

      • @Axel Stolzenwaldt:

        Nur geht es halt im Artikel nicht um die Frag irgendwelcher Dateb, sondern nur um die angeblich problematische Manipulation des Kaufverhaltens.

        • @DiMa:

          Meinen Post gelesen?

  • Mein Problem: Discounter Rabatt-Apps



    Ob Lidl, Penny, Kaufland, REWE,..., ohne App kommt man nicht an die Rabatte. Der Preis der App ist aber die totale Aufgabe persönlicher Daten, wie des Verbrauchsverhaltens, der vollständigen Adresse, meist noch Alter, etc.



    Es gehört verboten, dass solche Apps nicht auch anonym genutzt werden dürfen. Hinzu kommt, dass viele alte Menschen, die nicht mehr Technik-affin sind, sie gar nicht nutzen können. Für sie wird der Einkauf teurer, auch eine Art der Diskriminierung.

    • @Hans Dampf:

      Worin besteht ihr Problem? Sie wollen eine Leistung ohne eine Gegenleistung zu geben, das funktioniert selbst in einer nicht kapitalistischen Tauschwirtschaft nicht.

      • @Xanyd:

        Höhö.



        Die Frage ist doch welche Leistung verus welche Gegenleistung.

        Rabattmarkensysteme bzw. Treuebonus gibt es schon sehr, sehr lange.



        Ohne dass ich mich nackig mache.



        Einfach dafür, dass ich wiederkomme und nicht für einen Einzelartikel der billiger ist zur Konkurrenz gehe.

        Und das Ganze ist transparenz und überschaubar.

        Meren sebst den Untershied, niht wahr ...

        • @Bolzkopf:

          Es wird ja niemand dazu gezwungen sich nackig zu machen, es ist lediglich ein Angebot.

  • "In der Wirtschaft wird das Vorhaben nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen."

    Ach ? Ist es wahr ?

    Komisch. Setzen sich die Lobbiisten doch sonst immer vehement für Regulierung und Marktbeschränkungen ein - wenn es darauf abzielt andere Marktteilnehmer wegzubeissen.

    Und wir reden hier garnicht über die illegalen und betrügerischen Geschäftspraktiken.

    Z.B. das Überkleben von QR-Codes an Parkautomaten.

    Oder manipulierte Rechnungen bei denen die Bankverbindung gefälscht ist.

    Oder gefälschte Gebührenbescheide ?

    Wer haftet denn in diesen Fällen ?

    Aber gut: Man kann der Politik ja nicht Untätigkeit vorwerfen.



    Werden doch gerade wichtige Entscheidungen vorbereitet.

    Z.B. ob man "Schuldenbremse" künftig mit Dehnungs-H schreibt ...