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EU-Wahl-Chat auf WhatsappRechtsruck und Schweinefilet

Von genervt bis euphorisch: Wie blicken die taz-EU-Korrespondent:innen auf den Endspurt zur Europawahl? Ein Gespräch via Whatsapp.

Schützt die EU? Und wen? Und wer verspricht etwas dafür im Wahlkampf? Die Kor­re­spon­den­t:in­nen der taz diskutieren Foto: Wiktor Dabkowski/picture alliance

Der Urnengang in den EU-Staaten steht an. Die taz hat exklusiven Einblick in den Chat von Rudolf Balmer (Paris), Ferry Batzoglou (Athen), Eric Bonse (Brüssel), Michael Braun (Rom), Anne Diekhoff (Härnösand), Erich Rathfelder (Sarajevo), Ralf Sotscheck (Dublin) und Reiner Wandler (Madrid).

Bild: privat
Judith Poppe

Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.

Judith Poppe: Aufwärmfrage: Wie genervt seid ihr von den EU-Wahlen und der Berichterstattung?

Eric Bonse: Hier in Brüssel sind alle schwer genervt.

Michael Braun: In Rom nervt der Wahlkampf wenig, keine Plakate, keine Stände der Parteien…

Ferry Batzoglou: Geht so. Es gibt Schlimmeres

Rudolf Balmer: Berichterstattung über EU-Wahlen sind immer ein bisschen frustrierend für die Korrespondenten, weil ja über 27 Länder geschrieben wird. Da hat es nie Platz für alles, was man zu sagen hätte…

Eric Bonse: Welcher Wahlkampf?

Michael Braun: Und unter den Leuten ist EP nicht das heiße Thema.

Bild: privat
Rudolf Balmer

Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft.

Rudolf Balmer: Weil das politische Europa in den Köpfen nicht existiert, sind auch die Wahlen mäßig von Bedeutung. Sie werden umfunktioniert zum Abreagieren auf nationaler Ebene.

Ralf Sotscheck: Es ist das erste Mal, dass das Thema Einwanderung bei Wahlen eine Rolle spielt. Alle Parteien reden drüber, es kommt beim Wahlkampf an den Haustüren zur Sprache, und einige Kandidaten kandidieren explizit auf einer Anti-Immigrations-Plattform.

Judith Poppe: Der Rechtsruck ist unmittelbar spürbar?

Ralf Sotscheck: Ja, absolut. Zum Glück gibt es in meinem Wahlkreis drei Kandidaten von rechtsradikalen Parteien, die sich gegenseitig Stimmen wegnehmen. Von denen wird es keiner ins Europaparlament schaffen. Anders sieht es bei den Kommunalwahlen aus, die ebenfalls am Freitag stattfinden. Ich fürchte, dass es der ein oder andere Rechtsextreme schaffen könnte. Es wäre das erste Mal in Irland.

Michael Braun: @Rudi, idem in Italien. Wahlen als nationaler Test

Anne Diekhoff: Hier in der schwedischen Provinz sehe ich auch nur vereinzelt Wahlplakate, finde es aber interessant, dass selbst die kleinen Anzeigenblätter Sonderseiten zur Wahl bringen, die irgendwie bei null anfangen: Warum ist die EU-Wahl noch mal wichtig? Was hat Brüssel mit Schweden zu tun? Wie funktioniert die Wahl? Als bliebe das einfach nicht in den Köpfen hängen.

Ferry Batzoglou

Korrespondent der taz in Athen, Griechenland.

Ferry Batzoglou: Hier genauso. Nicht Europa und seine Zukunft stehen im Mittelpunkt, sondern die nationalen Aspekte.

Rudolf Balmer: In Frankreich addieren sich die Stimmen der extr. Rechten dennoch zu unheimlichen 40%!

Eric Bonse: Bei der EU in Brüssel geht es auch kaum um Europa, sondern fast nur um die Rechten – und um das Personalgeschacher

Ralf Sotscheck: Hier ist die Wohnungsnot großes Thema, vor allem in Dublin. Seit mehr als einem Jahrzehnt hat keine irische Regierung das in den Griff bekommen. In Dublin zelten die Geflüchteten in der Innenstadt. Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen

Erich Rathfelder: In Kroatien wie in Ungarn und Rumänien ist die Kritik an der EU scharf.. der song contest habe alles gezeigt, was falsch läuft … Family besteht aus.. ratet mal … das is doch irre

Ferry Batzoglou: Hier ist mit Blick auf die Ultrarechte das Erstarken der Griechischen Lösung ein Thema. Die Partei ist in der Meloni-Fraktion.

Bild: taz
Reiner Wandler

1963 in Haueneberstein geboren. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin.

Reiner Wandler: Die spanischen Sozialisten machen damit Wahlkampf, dass sie einmal mehr – wie bei den letzten Parlamentswahlen vergangenen Juli – die Rechte stoppen wollen. Und das zieht. Könnte gut sein, dass die PSOE die PP auf der Zielgeraden noch überholt.

Ferry Batzoglou: Hier ist die Teuerung das Thema Nummer eins. Ein bisserl Humor am Rande: PM Mitsotakis hat gesagt, der Fetakäse koste hier 6.30 Euro das Kilo. Er musste das korrigieren. Er habe das halbe Kilo gemeint. Der Mann geht halt nie selber einkaufen.

Ralf Sotscheck: :D

Anne Diekhoff: In Schweden rufen die Sozialdemokraten zum Kampf gegen den Rechtsruck auch auf EU-Ebene auf, „Tu etwas Großes“, ist das Motto, „wähle Zusammenhalt, nicht Zersplitterung“.

Rudolf Balmer: In F zieht die Angst vor der extr. Rechten gar nicht mehr. Sogar Linke sind fatalistisch oder meinen, sie werde sich an der Macht eh diskreditieren. Tragisch!

Michael Braun: In Italien umgekehrt: Meloni will „die Linke auch in Europa in die Opposition schicken“. Das juckt aber keinen

Ferry Batzoglou: In GR sind wenigstens die ultrarechten Spartaner von den Europawahlen ausgeschlossen worden.

Bild: Sophie Kirchner
Erich Rathfelder

taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz.

Erich Rathfelder: Ich weiss nicht ob wir in der taz alles realistich sehen aufschwung der rechten fuehrt in einen neuen Krieg sagen die Leute in Bosnien Eu wird kaputtgemacht von aussen und innen. Linke… haben keine Kraft. erinnert euch 2014.. ich sagte, in Ukraine wird es Krieg geben.. Niemand hat das geglaubt..

Rudolf Balmer: Mit diesen Wahlen vollendet Marine Le Pen die Strategie der Verharmlosung. Zu Europa sagt sie fast gar nichts außer konfuser Forderung nach mehr Grenzschutz. Die Konservativen wissen nicht mehr, wie sie sich abgrenzen und eine Allianz verweigern können.

Anne Diekhoff: Die einzige Wahlwerbung im Briefkasten hatte ich bislang von den rechten Schwedendemokraten. Ihre Optik vor dieser Wahl handelt von schwedischen Naturerlebnissen, dazu der charmante Slogan „Mein Europa baut Mauern“.

Bild: taz
Ralf Sotscheck

Geboren 1954 in Berlin. 1984 Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig.

Ralf Sotscheck: Hier hängt an jedem Laternenmast ein Kandidat oder eine Kandidatin. Das Verwirrende ist, dass man nicht weiß, ob sie für Europa oder die Lokalverwaltung kandidieren.

Ferry Batzoglou: Hier gibt es fast keine Plakate. Alle Parteien investieren wahnsinnig viel in die Sozialen Medien. Vor allem jetzt TikTok.

Michael Braun: Plakate null. Parteien haben kein Geld

Ralf Sotscheck: Vor allem auf dem Land hat man die Geflüchteten in Hotels untergebracht, was den Tourismus in einigen Orten gekillt hat. Die Stimmung kippt so langsam nach rechts.

Ferry Batzoglou: Das Motto der Nea Dimokratia: „Stabil näher an Europa“. Mit Europa ist in GR immer fernab von Hellas gemeint..

Anne Diekhoff: Oh, das ist in Schweden auch so. Europa ist da unten irgendwo, fängt frühestens in Kopenhagen an.

Rudolf Balmer: Noch ne demoralisierende Zahl: 86% der Rassemblement National-SympathisantInnen wollen sicher wählen gehen, bei den Sozialisten nur 37%

Bild: privat
Eric Bonse

Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert…). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel.

Eric Bonse: Komischerweise stellt niemand die Frage, warum die Rechten zulegen. Von der Leyen behauptet, sie habe alles richtig gemacht. Macron sagt, Europa könne sterben – also hat sie wohl viel Mist gebaut

Reiner Wandler: Ist das wirklich die Frage: „Richtig gemacht?“ Sánchez hat alles richtig gemacht und dennoch nehmen die extreme Rechte und die Rechtsextremen zu.

Eric Bonse: Und viele Europäer sind einfach unzufrieden und total verunsichert

Ferry Batzoglou: Hier hat das Erstarken der Rechtsradikalen mit der Teuerung, der Homo-Ehe und der Außenpolitik (Annäherung an die Türkei, Provokationen aus Nordmazedonien) zu tun. Migration ist kein Thema.

Reiner Wandler: Das gute alte Europa, wo ein Mann noch ein Mann war, und eine Frau eine Frau, ein Weißer ein Weißer …. gibt es halt nicht mehr. Und das ist wichtiger als Sozialpolitik.. so zumindest hier in Spanien und im benachbarten Portugal. Würden die Menschen wirklich lesen, was die extreme Rechte ihnen alles zumuten wird – Argentinien macht es vor – dann würden sie sie nicht wählen. Aber der ganze Traditionsquatsch und die Angst vor den anderen zieht.

Ralf Sotscheck: Hier liegt der Aufschwung der Rechten an den Flüchtlingszahlen und an der Wohnungsnot, was die rechten Parteien gerne verknüpfen. Dennoch wird es bei den Europawahlen keine großen Überraschungen geben. Die beiden etablierten Parteien, die seit 100 Jahren abwechselnd an der Macht waren und nun in einer großen Koalition mit Hilfe der Grünen regieren, werden die meisten Stimmen abgreifen. Sinn Féins Vorsprung, der noch vor kurzem bei 12 Prozent lag, ist dahingeschmolzen.

Bild: taz
Michael Braun

Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Italien-Korrespondent.

Michael Braun: Interessant, dass Italiens Rechtswähler links von ihren Parteien stehen, z.B. bei Homoehe oder Staatsbürgerschaft für Migrantenkinder

Reiner Wandler: Erzähl

Eric Bonse: So ich muss weg, schönes Granteln noch

Michael Braun: Klare Mehrheit der Rechtswähler pro Homoehe, rund die Hälfte auch für Adoptionsrecht.

Anne Diekhoff: Verwirrend

Reiner Wandler: Ich glaube, dass der Frauenhass viel wichtiger ist als alles andere. „Die Weiber nehmen uns doch alles weg mit dieser Gleichberechtigung“ …. so geht das. Und um uns dann dennoch auf der guten Seite zu fühlen, werfen wir allen Muslimen so ganz im Allgemeinen vor, diejenigen zu sein, die Frauen schlecht behandeln.

Ralf Sotscheck: Hier haben zwei Drittel für Abtreibung und Homoehe gestimmt, letzteres sogar lange vor vielen anderen Ländern.

Michael Braun: @Reiner, der Frauenhass ist in Italien zweitrangig. Hier a) Migration b) darf ich auch in Zukunft Steuern hinterziehen?

Ferry Batzoglou: Wie groß ist die Angst der Schweden, Finnen und Dänen (die Reihenfolge ist willkürlich) vor Russland? Meine die einfachen Leute, @Anne.

Bild: privat
Anne Diekhoff

Seit 2022 bei der taz – erst Themenchefin, neuerdings Korrespondentin, Büro Schweden. Frühere Redaktionen: Neue Osnabrücker Zeitung, Funke Zentralredaktion und watson.

Anne Diekhoff: Also meine finnische Bekannte sagt im Moment immer: „Nach midsommar fahr ich nach Finnland. Wenn die Russen es bis dahin nicht übernommen haben“

Michael Braun: Ich sage ciao und hasta luego und see you soon

Anne Diekhoff: In Schweden hatten Regierung und Militär die Menschen Anfang des Jahres aufgeschreckt, als sie mal explizit gesagt haben, ein Krieg auch in Schweden könne nicht ausgeschlossen werden, und Schweden sei darauf nicht gut genug vorbereitet. Seitdem wurde das viel diskutiert, aber ich glaube trotzdem, dass die konkrete Angst sich im Alltag in Grenzen hält, bzw in Finnland die Sorge weit größer ist.

Ralf Sotscheck: Ihr Lieben, ich muss jetzt los. Hier ist heute Feiertag: Pfingsten. Und ich bin mit Kochen dran.

Ferry Batzoglou: Was gibts?

Reiner Wandler: Pfingsten war im Mai

Ralf Sotscheck: Der Ire kann sich mobile Feiertage nicht merken. Deshalb ist Pfingstmontag immer der erste Montag im Juni. @Ferry: Schweinefilet mit Spargel und Röstkartoffeln.

Moderiert von Judith Poppe (Berlin)

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2 Kommentare

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  • „Nach midsommar fahr ich nach Finnland.



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    Die Finnen die "midsommar" sagen, haben ja noch ne Rückzugsmöglichkeit. Letzte Fähre ab Turku geht immer! :-))



    Was machen aber DIE die nach/zum "Juhannus" wieder nach Suomi fahren wollen! :-))



    Ps. Uns versteht, im doppellten Wortsinn, mal wieder keiner! :-)

  • Dass das "Gespräch" per Whatsapp stattfand, muss von der Redaktion unbedingt erwähnt werden? Warum? Tut das irgendwas zur Sache? Whatsapp ist ein Markenname, somit handelt es sich hier um gratis Schleichwerbung für ein Produkt, für das es auch Alternativen gibt. Ein weiterer Beitrag dazu, diese kleinzuhalten.

    Hätte es nicht gereicht, neutral "Dialog per Chat" oder sowas zu schreiben? Bin enttäuscht, dass sich die taz hier ähnlich unreflektiert verhält wie Schulen, in denen es "I-Pad-Klassen" gibt, obwohl es sich auch hier um eine Marke handelt. "Tablet"-Klassen ginge genauso.