EU-Innenministertreffen in Luxemburg: Druck auf Serbien
Die zunehmende Einreise von Flüchtlingen über die „Balkanroute“ beschäftigt die EU-Innenminister. Brüssel droht Serbien wegen seiner Visa-Politik.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson kündigte an, in Gesprächen mit den Balkanstaaten noch stärker darauf zu dringen. Sollten diese sich nicht kooperativ zeigen, könne Serbien die seit 2009 geltende Visa-Freiheit für den Schengen-Raum entzogen werden.
Zuletzt war vielfach vor einem Anstieg der Migration über die Balkanroute gewarnt worden. 2022 registrierte die EU-Grenzschutzagentur Frontex bislang rund 106.000 Menschen, die auf deisem Weg in die EU kamen. Das sind etwa dreimal so viele wie im Vorjahr. Allerdings sagt diese Zahl wenig über das tatsächliche Migrationsgeschehen aus. Da alle Staaten des Westbalkans von EU-Mitgliedsstaaten umgeben sind, waren die meisten, die hier von Frontex gezählt werden, bereits zuvor in die EU eingereist – in der Regel über Griechenland, Bulgarien oder Rumänien. Über diese Länder ist das Einreisegeschehen – von UkrainerInnen abgesehen – aber derzeit eher konstant.
Serbien ist eine Ausnahme: Es lässt relativ großzügig Menschen als Ländern einreisen, die mit Blick auf das Kosovo die Linie der Regierung in Belgrad teilen. Die Zahl der irregulären Ankünfte über Serbien in der EU hat sich deshalb bei einigen Herkunftsländern stark erhöht. So registrierten die Behörden in den ersten acht Monaten des Jahres beispielsweise knapp 4.500 Ankünfte von Menschen aus Indien – knapp acht mal so viele wie im Vorjahr. Auch die Zahl der Ankünfte in der EU von TunesierInnen, Kuba oder Burundi über Serbien stieg an.
Bereits am Donnerstag hatte der Rat eine Kooperationsvereinbarung zwischen der EU-Grenzschutzagentur Frontex und der Republik Nordmazedonien angenommen. Die Agentur kann künftig so genannte „Grenzverwaltungsteams“in das Land entsenden. Es ist nach Albanien, Montenegro und Serbien die vierte Vereinbarung mit einem benachbarte Nicht-EU-Land, dass der Agentur faktisch ermöglicht, dort eigenständig Transitmigrant:innen zu kontrollieren, zurückzuweisen und teils abzuschieben.
Warnung vor Instrumentalisierung von Flüchtlingen
Die Innenminister berieten auch über einen Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Schengen-Regelungen. Die Kommission will Mitgliedsstaaten strengere Kontrollen und ein verschärfteres Asylrecht zugestehen, wenn Flüchtlinge von Nachbarstaaten „instrumentalisiert“ und mit politischer Absicht über Grenze gelassen oder getrieben werden – etwa wie 2021 aus Belarus nach Polen.
Am Donnerstag hatte sich dabei der EU-Ausschuss der Regionen gegen die Kommissionspläne gestellt. Wann eine solche „Instrumentalisierung“ vorliegt, sollte nicht von einem Mitgliedstaat allein entschieden werden dürfen, so der Ausschuss in einer Stellungnahme. Zudem sollte dies nicht zur Folge haben, dass der „im internationalen Asylrecht festgelegte Schutz abgeschwächt“ wird. Polen, Lettland und Litauen hatten 2021 von einer „hybriden Bedrohung“ und „Instrumentalisierung“ gesprochen und waren daraufhin mit schwerer Gewalt gegen Ankommende vorgegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu