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EU-Gipfel zur Ukraine-FrageAm Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Selenski macht sich zurecht Sorgen: Beenden die USA unter Trump die Hilfe an die Ukraine, steht die EU alleine da. Einen Plan B hat sie nicht.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 19. Dezember in Brüssel Foto: Nicolas Economou/NurPhoto/imago

F ür die EU und ihre Ukrainepolitik naht die Stunde der Wahrheit. In einem Monat übernimmt Donald Trump in Washington die Macht – da müssen sich die Europäer auf alles gefasst machen. Auch das Albtraum­szenario – ein „Diktatfrieden“ für die Ukraine und ein Rückzug der USA aus Europa – ist nicht ausgeschlossen.

Doch der letzte EU-Gipfel „vor Trump“ hat offenbart, dass die EU nicht gut vorbereitet ist. Sie geht schwach und uneins in die Ära Trump 2.0. Ausgerechnet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat dies ausgesprochen. Er klagte in Brüssel nicht nur über fehlende Waffen und schlecht ausgerüstete Kampfbrigaden.

Selenskyj hat auch den Finger in die transatlantische Wunde gelegt: Die Europäer wären nicht in der Lage, die Amerikaner zu ersetzen, falls Trump seine Drohung wahr machen und sich aus der Ukraine zurückziehen sollte. „Nur zusammen können die USA und Europa Putin tatsächlich stoppen und die Ukraine retten“, warnte er.

Das wissen Kanzler Olaf Scholz und die anderen Staats- und Regierungschefs natürlich auch. Die EU allein wird die Ukraine nicht verteidigen können. Selbst große Länder wie Deutschland, Frankreich oder Polen sind bei der Waffen- und Finanzhilfe an ihre Grenzen gekommen. Auch die politische Unterstützung bröckelt.

Parolen

Doch statt diese bittere Wahrheit endlich auszusprechen, taten die Staats- und Regierungschefs immer noch so, als ginge es auch ohne Trump. In der Gipfelerklärung kommt der nächste US-Präsident gar nicht vor. Umso mehr strotzt der Text vor Durchhalteparolen und Treueschwüren, wie wir sie seit Jahren aus Brüssel hören.

Woran liegt das? Nun, die neue Führung hat keinen Plan. Und die 27 EU-Staaten sind heillos zerstritten. Während Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Ukraine nach einem möglichen Waffenstillstand mit „Friedenstruppen“ sichern will, ist das für die meisten anderen Staats- und Regierungschefs ein No-Go.

Man dürfe nicht den dritten Schritt vor dem ersten machen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in Brüssel. Da hat er natürlich recht – doch wie der erste und der zweite Schritt aussehen sollen, konnte er nicht sagen. Scholz hat nämlich auch keinen Plan. Wie auch? Niemand weiß, was Trump im Schilde führt.

Müssen wir uns auf Geheimdiplomatie verlassen? Das kann es doch nicht sein!

Umso wichtiger wäre es, sich mit dem unberechenbaren US-Republikaner zusammenzusetzen. Darauf läuft auch hinaus, was Selenskyj in Brüssel sagte. Er appellierte an die Europäer, auf Trump zuzugehen. Darauf hätten sie natürlich auch alleine kommen können. Peinlich genug, dass es diesen Ratschlag überhaupt braucht!

Statt eines Termins gab es bisher aber nur ein Telefonat. Was Scholz mit Trump besprochen hat, wollte er nicht verraten. Soll das nun bis zum 20. Januar so weitergehen? Müssen wir uns auf Geheimdiplomatie verlassen? Das kann es doch nicht sein! Die EU und die Ukraine müssen endlich selbst die Initiative ergreifen.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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9 Kommentare

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  • Ich will in keinster Weise irgendeine Art von Krieg relativieren. Allerdings könnte man an dieser Stelle mal wieder an das Gorbatschow-Zitat denken, das davor warnte, nicht auf das Leben zu reagieren. Und dieses sture "weiter so" bricht jetzt der EU und Deutschlandpolitik so langsam das Genick, der Wirtscht leider auch.

  • Die europäischen Staaten hätten im ganzen langen US-Wahlkampfjahr eine eigenständige diplomatische Initiative ergreifen können. Man aber darauf verzichtet und erkennbar gebettelt: Lieber Uncle Sam, lass du dir doch was einfallen, um unser Problem zu lösen. Nun tut sich auf der anderen Seite des Atlantik tatsächlich was, aber das ist dann auch wieder nicht recht. Dabei ist das doch jetzt zumindest eine Chance auf einen Friedensprozess, auch wenn man Trump sonst nicht mögen muss.

    Europa wird wohl für den Wiederaufbau aufkommen müssen, aber das ist besser, als für weitere drei Jahre Krieg aufkommen.

    Einen alternativen Plan hat in Europa ja auch niemand, wie der Autor richtig schreibt. Soll das einfach immer so weiter laufen wie bisher? Und wer soll in Europa eine Initiative starten, jetzt wo Scholz und Macron Könige ohne Land sind? Da traue ich den Amerikanern doch mehr zu, sofern dort paläokonservative Realisten damit betraut sind und nicht neokonservative Ideologen.

    Zum "Diktatfrieden": Die Amerikaner können natürlich nichts zugestehen, was Selenski dann im Innern nicht durchkriegen kann. Insofern wird es zu keiner völkerrechtlichen Abtretung von besetzten Gebieten kommen.

  • "Er appellierte an die Europäer, auf Trump zuzugehen. ... Statt eines Termins gab es bisher aber nur ein Telefonat."

    Ja natürlich. Trump ist noch nicht Präsident. Und was könnte Scholz (selbst auf Abruf) in Trumps Residenz erreichen? Einen besseren Platz an Trumps Hintereingang?

    Hier werden wieder einmal Wunder erwartet. Scholz versucht es lieber mit Realismus.

    "Umso mehr strotzt der Text vor Durchhalteparolen und Treueschwüren, wie wir sie seit Jahren aus Brüssel hören."

    Stimmt. Das kann man in Brüssel auch am Besten.

  • von der Leyen hat auf ganzer Linie versagt. Mit dem Klimaschutz, der Verhinderung der Rechtsextremisten in vielen Bereichen, mit der Wirtschaft und auch mit der Außen- und Friedenspolitik, gar nicht zu reden vom allmählichen Zerfall dieser großartigen Idee eines starken, einigen Europas. Diese Frau ist weniger als eine Fehlbesetzung, sie ist das Schlimmste was uns in Europa passieren konnte. Das kommt davon, wenn man abgehalfterte Politikversager*innen nach Europa weglobt um sie zu entsorgen. Schrecklich!

    • @Perkele:

      "von der Leyen hat auf ganzer Linie versagt. " wie immer halt, die gute Frau vd Leyen war schon als Verteidigungsministerin ein Totalausfall. Das wirkt sich bis heute aus, weil wir kaum Material für die UA haben. Warum sollte sie also als EU-Funktionärin besser sein? Sie ist eine Figur von Angela Merkel und - Merkel hatte nur Leute um sich rum die noch unfähiger waren als sie selbst und daher keine Gefahr für sie darstellten.

  • Die EU kann man getrost vergessen. Wir sind ein Happy Club der nur von den Amerikanern zusammengehalten wird und wie gut das funktioniert kann man ja am Brexit sehen. Es war klar, das Trump nach 4 Jahren wieder zurückkehren könnte. Aber hat sich in Europa nur ein Land ernsthaft darauf vorbereitet? Wie deppig die Politiker selbst hierzulande sind, sieht man gerade daran, dass die CDU mit dem BSW in drei Bundesländern koaliert. Mit der Linkspartei geht das auf keinen Fall, aber kaum bennen sich Teile der Linkspartei um, ist das gar kein Problem. Wie weit die wohl kommen ..

  • Russland ist nicht in der Lage wesentliche Gebiete der Ukraine dauerhaft zu besetzen geschweige ganz Europa zu erobern. Schwachsinn.



    Aber diese Argumente sind tausendfach getauscht.



    Russland ist der Agressor.



    Keine Frage.



    Aber wie können wir West-Europäer erhobenen Hauptes einer evtl. jahrhunderte langen Feindchaft, zum Nachteil beider Seiten, entgegen wirken?



    Das ist die Frage.

    • @LeKikerikrit:

      Indem wir dafür sorgen, dass Putin so viel Gegenwind bekommt, dass er sich freiwillig zurückzieht.

      Zukünftige russische Generationen werden es uns danken. Denn ansonsten werden sie von ihm und den seinen verheizt.

      • @Gnutellabrot Merz:

        "Indem wir dafür sorgen, dass Putin so viel Gegenwind bekommt, dass er sich freiwillig zurückzieht."

        Er bekommt ja so viel Gegenwind, wie möglich ist. Von Rückzug ist trotzdem nicht die Rede, sondern von Vormarsch.

        Die jetzige Lage ist das Ergebnis einer völligen Fehleinschätzung des internationalen Kräfteverhältnisses. Weitere Träumereien machen es nicht besser.