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EMtaz: Oli Kahn über „Menschen“Titan in Anführungszeichen

Kolumne
von Markus Völker

Welke und Kahn nehmen den Fußballzirkus nicht allzu ernst. Das tut gut. Allerdings kann man auch über das Ziel hinausschießen.

Mag keinen Zirkus, ist aber angezogen wie ein Zirkusdirektor: Olli Kahn Foto: dpa

Menschen in Anführungszeichen“ hat Oliver Kahn die russischen und englischen Hooligans genannt. Er ist Experte im ZDF, sitzt neben Oliver Welke von der heute-Show im EM-Studio. Den beiden gelingt in diesen Tagen eine recht lässige Fußballbesprechung. Welke lässt deutlich durchscheinen, dass er diesen ganzen Fußballzirkus nicht so ganz ernst nimmt.

Kahn blickt herrlich wissend-spöttisch, und zwar so, dass man meinungsstarke Abgründe erwarten darf hinter diesen Augen. Manchmal lässt er dann auch tief blicken in diese Abgründe des dezidierten Meinens – wie bei den „Menschen in Anführungszeichen“ oder seiner Häme, die das ARD-Analysetool „Packingrate“ und damit auch Mehmet Scholl trifft.

Früher gab es mal einen kompletten Staat, der zwischen Gänsefüßchen stand, die DDR. Das sollte heißen: Diese ganze Deutsche Demokratische Republik ist ein illegitimes Gebilde. Eigentlich gibt es sie gar nicht. Nun lebten aber trotz der Gänsefüßchen 16 Millionen Menschen in diesem Land. Die gab es, in echt. Kein DDR-Bürger wäre bereit gewesen, sein Da- und Menschsein in Anführungszeichen zu setzen.

So ist es auch bei den Hools. Sie führen ein sehr konkretes Leben, eigentlich gehört hinter diese Typen ein Ausrufezeichen, auch wenn es vielen nicht passt. Hools! Das hatte Kahn nicht richtig bedacht, weil die Fernsehleute ja immer gern über die „Unbelehrbaren“ herziehen, über „Idioten“ und „die unschönen Szenen, die nicht zum Fußball gehören“. In dieser Tradition stand auch die Kahn’sche Menschenbetrachtung.

Oli, bitte übernehmen!

Aber sonst macht der Titan, wie er genannt wurde, als er noch Handschuhe und kurze Hosen trug, eine gute Figur als Fußballdeuter. Er sagt zum Beispiel, dass er Ronaldo für eine Pfeife hält, für einen „Marketingfritzen“. Und das Bild, das die Medien vom Portugiesen zeichnen, sei falsch: Da käme „immer dieses mediale Gedöns, das langweilt mich“.

Dass Kahn richtig liegen könnte, zeigt ein Zitat von Ronaldo, das er nach dem 1:1 gegen Island zum Besten gegeben hat: „Sie haben gefeiert, als wären sie Europameister geworden, es war unglaublich. Dabei haben sie gar nicht erst versucht zu spielen, sondern nur verteidigt und verteidigt. Meiner Meinung nach zeugt das von kleiner Mentalität, deswegen werden sie nichts erreichen.“ Ein greinender Weltstar, o je. Das ist schon ziemlich arm.

Wir sind derweil gespannt auf neue Fußballexpertisen von Oliver Kahn. Wir wollen noch mehr von ihm. Viel mehr. Wann sagt er endlich etwas zur Erderwärmung, über die Nullzinspolitik der EZB und die Konflikte in Nahost. Oli, bitte übernehmen!

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6 Kommentare

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  • Vielleicht kann er zu den Themen ja doch in etwa soviel sagen wie andere publizierende Studienabbrecher...

  • Bitte nicht! Für Fußball, immerhin, hat sich der Mann schon einmal interessiert. Dass er was von der Erderwärmung, von den Konflikten in Nahost oder gar von der Nullzinspolitik der EZB versteht, scheint mir schon deshalb ausgeschlossen, weil dafür in seinem rundum erfüllten Direktoren-Leben kein Platz gewesen sei dürfte. Da war, ist und bleibt sicher auch der Fußballzirkus letztentscheidend, den sein Gesprächspartner angeblich nicht wirklich ernst nimmt. Ist also sehr gut möglich, dass sich tatsächlich "meinungsstarke Abgründe" auftun, wenn dieser Kerl sich zu was anderem äußert als zum Fußball. Und ganz genau in diese Abgründe werden andere Fußballfans hineinfallen, wenn ihr Idol den Mund auftut und etwas andres ventiliert als Fußball, Fußball und noch einmal Fußball. Sie haben schließlich auch bloß keine Ahnung von der echten Welt.

     

    Nein, diese Opfer sind nicht wünschenswert. Ist ja nicht so, dass es noch nicht genügend Lemminge in Deutschland gäbe...

    • @mowgli:

      Danke.

       

      Kann leider nicht recht ausmachen

      Wer die größere Pfeife ist - weil - der

      TONAUSKNOPF - mein Ding ist!

      Schon die Köpersprache dieser

      Nußknacker & da ist Olli leicht vorne:

      Heute Show - reinsten Wassers!

      kurz - Oliver Welke - übernehmen Sie!

       

      (Daß Olli - bieder-reaktinären Geistes ist

      Ist im übrigen ja wohl nichts Neues -

      In echt!;)

      • @Lowandorder:

        "& was ist mit Dellinger¿"

         

        korrekt - Zweispurparalell-StummFilm &

        Oliver Welke stellt die Zwischenfragen inne Heute Show!

        Da - laß ich den Ton an!

        Versprochen;()

  • 1. Niemand, der die DDR in Anführungszeichen setzte, zweifelte an der Existenz ihrer Einwohner. Im Gegenteil: Auf jeden von ihnen wartete ein bundesdeutscher Pass - die meisten bekamen ihn letztlich auch. Durch die Anführungszeichen wurde lediglich dem diktatorischen Regime die Anerkennung verweigert, das sich anmaßte, die unter seiner Fuchtel lebenden Deutschen als seine Staatsbürger zu betrachten. Ich fand's immer etwas affig, so eine Art nationalkonservative Political Correctness, aber respektlos gegenüber den DDR-Bürgern - soweit sie nicht selbst Teil des SED-Machtapparats waren und/oder sich mit ihm identifizierten - war es sicher nicht.

     

    2. Kahn bedient sich der "Pack"-Rhetorik seines amtierenden Vizekanzlers. Er spricht den Hools nicht die Existenz ab sondern die menschliche Zivilisationstauglichkeit. Das durch die harte Formulierung "Menschen in Anführungszeichen" auszudrücken, ist sicher nicht PC im Sinne der UN-Menschenrechtskonvention oder des Artikel 1 des Grundgesetzes. Aber das kann ich Jemandem, der von solchen Leuten seine aktive Laufbahn über "Das Kahn" genannt regelmäßig mit Bananen beworfen wurde, doch ein wenig nachsehen.

     

    3. Wenn Ronaldo den Fußball-Winzlingen aus Island den Vorwurf macht, dass sie gegen das portugiesische Star-Ensemble nicht spielten, wie ein gleichwertiger Gegner das tun sollte, dann zeugt das aus meiner Sicht von gehörigem Respekt und gelebtem Sportsgeist. Andere hätten es als Selbstverständlichkeit betrachtet, dass so eine Mannschaft gegen sie nicht auf Sieg spielt.

  • "Wir sind derweil gespannt auf neue Fußballexpertisen von Oliver Kahn. Wir wollen noch mehr von ihm. Viel mehr. Wann sagt er endlich etwas zur Erderwärmung, über die Nullzinspolitik der EZB und die Konflikte in Nahost. Oli, bitte übernehmen!" - Klar, ausgerechnet der "Wiesenhof"-Experte Kahn soll etwas Sinnvolles zum Leben sagen. Ich lach' mich schlapp.