Duschdebatte in den USA: Schön sauber bleiben
In den USA verzichten neuerdings Prominente auf die tägliche Dusche. Drei Plädoyers für den Weg ins Nasse.
Es gibt einen neuen Trend unter US-Promis: Nicht mehr Duschen. Anfang August erzählte Schauspieler Jake Gyllenhaal im Interview mit der Vanity Fair, Baden sei schlecht für die Haut. Und hat damit einen Stein ins Rollen gebracht. Mila Kunis und Ashton Kutcher sagten kurz darauf in einem Podcast, dass sie nicht ans Duschen „glauben“. Auch ihre Kinder würden sie erst dann baden, wenn man ihnen den Dreck ansehe – und auch dann bloß nicht mit Seife. Schauspielerin Kirsten Bell scheint Dreck auch egal zu sein, sie vergesse regelmäßig, ihre Töchter zu waschen. „Ich bin ein großer Fan davon, auf den Geruch zu warten“, so Bell. Twilight-Schauspieler Robert Pattinson ist schon länger für seinen eher strengeren Geruch bekannt und im Haarewaschen sehe er eh keinen Sinn.
Verzicht auf Shampoo und unregelmäßiges Duschen mag für Hippies nichts Neues sein, doch wenn sich Promis in den USA mit ihrer mangelnden Körperhygiene schmücken, ist das Anlass genug für eine angeregte Netzdebatte. Natürlich muss es #NotAllPromis heißen. So gab die Rapperin Cardi B kürzlich bei Twitter ihre Verwunderung ob der Duschfaulheit einiger Promis preis: „Wassup with people saying they don’t shower? It’s giving itchy.“
Zeit also, dass auch wir uns hier dem #Showergate widmen.
Wie eine innige Umarmung
Ich liebe Duschen. Wäre es nicht so unglaublich schädlich fürs Klima und für die Haut, würde ich es täglich stundenlang tun. Beim Duschen geht es mir nicht um den Sauberkeitseffekt. Für mich hat Duschen etwas Beruhigendes. Wenn das warme Wasser von oben an mir herabströmt, ist es so, als würde der Strahl nicht nur den Dreck, sondern auch alle Sorgen und Ängste wegspülen. Egal wie traurig, wütend oder gestresst ich vor dem Duschen bin – nach dem Duschen geht es mir besser, immer.
Nicht alle lieben Duschen so wie ich. Duschen sei eine Erfindung der erfolgshungrigen Leistungsgesellschaft, die sich keine Zeit zum Baden nehme, heißt es oft. Anna Mayr zum Beispiel hat 2019 im Zeitmagazin geschrieben, sie fühle sich unter der Dusche „wie eine Gefangene der Marktwirtschaft, eine Soldatin der Effizienz“. Ich sehe das anders.
Ich dusche nie morgens, sondern immer am Abend (der Klimakrise wegen nur noch jeden zweiten). Ich dusche nicht für die Arbeit, nicht für meine Kolleg*innen, sondern allein für mich. Duschen verbinde ich mit Feierabend, nicht mit Aufstehen und Arbeiten.
Beim Duschen lasse ich mir viel Zeit. Ich dusche immer zehn Minuten. Damit verbrauche ich eine Wassermenge, die locker auch für ein Bad gereicht hätte. Wieso ich dann nicht gleich bade? Weil Baden für mich nicht diesen tröstenden Effekt hat. Der warme Wasserstrahl der Dusche wirkt bei mir wie eine Umarmung einer guten Freundin, die einem sachte ins Ohr flüstert: Alles wird gut.
Davon abgesehen löst Baden in mir Langeweile aus. Man liegt nur da, und wenn man ein Buch lesen möchte, muss man sich erst die Hände abtrocknen. Lästig! Außerdem ist es in der Wanne erst zu heiß und dann zu kühl, beim Duschen bleibt die Temperatur (wenn man Glück hat) gleichbleibend warm.
Was ich noch am Baden blöd finde, erspare ich Ihnen. Stattdessen mache ich Feierabend – und gehe duschen. Rieke Wiemann
Ein Akt des Widerstands
Im Duschen steckt beides, das Institutionelle und das Individuelle, das Verordnete und das Freie, das Alte und das Moderne. Das macht es interessant, weil es praktiziert wird und gelesen werden kann als Widerstandsgeste; und zwar eben nicht nur, indem es getan wird, sondern auch gerade in seiner Verweigerung.
Dass die alternativen Parkaträger 1968 ff. unangenehm rochen – was selbstverständlich ein Klischee ist –, war als Außenwirkung ja durchaus beabsichtigt: Nicht, dass es sozusagen als biologische Waffen eingesetzt wurde, nein, die Schmuddeligkeit war ausgestelltes Programm der Verweigerung gegen den Staat, den Kapitalismus, und nicht zuletzt gegen die „sauberen“ Nazi- und Wehrmachtsoldaten-Väter, die rasiert und gestriegelt ihre grauenhaften Verbrechen begingen und dabei ihren Opfern Schmutzigkeit unterstellten.
Andererseits stand das Duschen für einen jungen und sportlichen Lebensstil, der jeden Tag schweißtreibend sein will und sich deswegen nicht mehr mit dem bis in die 1970er Jahre hinein üblichen wöchentlichen Wannenbad und einem stundenlange Vorheizzeit benötigendem Wasserofen zufrieden geben konnte.
Dass aus durchaus nachvollziehbaren Gesten bei entsprechend veränderten äußeren Umständen, also aktuell einer globalen Pandemie, gefährlicher Irrsinn entstehen kann, lässt sich am Impfgegnertum ablesen, das jedenfalls in Europa eine Pflanze aus dem immer auch etwas braunen Boden der Alternativkultur ist.
Wer sich nicht impft und sich nicht duscht, will vor allem sich selbst etwas Gutes tun oder vielmehr sich vor etwas Schlechtem bewahren; es sind ultimativ unsolidarische Gesten – mein PH-Wert ist mir wichtiger als dein Ekel vor meinem Gestank, die kaum messbare Gefahr eines Impfschadens finde ich bedeutender als die Freiheits- und Bildungsrechte von Kindern und Jugendlichen. Zu viel Aufhebens sollten wir davon allerdings nicht machen, sondern stinkende Impfgegnerinnen denen überlassen, die sie als Einzige verstehen und ertragen – nämlich sich selbst. Ambros Waibel
Der Weg aus der Einsamkeit
Die Lokführergewerkschaft war schuld. Als die 2014 zum ersten Mal zum ganz großen Streik geblasen hat, habe ich es zum ersten Mal getan. Ich bin mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Das habe ich bis dahin nicht gemacht, weil mir die 20 Kilometer einfach zu weit waren. Es war dann aber gar nicht so schlimm. Zunächst. So richtig wohl habe ich mich dennoch nicht gefühlt. Mein T-Shirt war nicht wirklich trocken, als ich angekommen bin, und weil mir an diesem Tag niemand aus dem KollegInnenenkreis nahe gekommen ist, hatte ich das Gefühl, zu stinken wie ein Iltis.
Als ich am nächsten Tag schweißgebadet vor dem Bürogebäude vom Rad gestiegen bin, hat mir ein Kollege geraten, mir doch ein besseres Deo zu besorgen. Witzbold. Es war wieder ein eher einsamer Tag in der taz. Gab es keine Dusche in der taz, die damals noch in der Rudi-Dutschke-Straße ihr Zuhause hatte?
Gab es. Nur war sie Jahre nicht mehr benutzt worden. Aber die Duschtasse hatte keinen größeren Sprung und der Abfluss hat auch noch funktioniert. Ein bisschen zumindest. Wenn man vor halb zehn geduscht hat, ist sogar ein bisschen Wasser aus dem Duschkopf gekommen. Viel jedenfalls kam oben nicht an. Aber so ist das halt in der taz. Dass nicht unbedingt viel ankommt, das denken sich ja etliche Kolleginnen beim Blick auf ihren Lohnzettel.
Immerhin kam genug Wasser aus dem Duschkopf, um mir zu einem neuen Leben in der taz zu verhelfen. Ich konnte auch an den Tagen wieder auf Menschen zugehen, an denen ich mit dem Rad gekommen war. Duschen hat mich zu einem sozialen Wesen werden lassen. Das Gefühl zu stinken war weg.
Beim Umzug in das neue taz-Gebäude habe ich mich auf moderne Mitarbeitendenduschen gefreut. Nichts da. Niemand hatte daran gedacht. Für die Mitarbeitenden der taz-Kantine gab es immerhin eine kleine Nasszelle. Doch die darf ich aus Hygienegründen nicht benutzen. Es ist wieder einsam geworden um mich. Oder bilde ich mir das ein? Andreas Rüttenauer
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