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Drohende Kürzungen bei SprachunterrichtUnternehmen fordern Geld für Integrationskurse

Weil es vorerst keinen Haushalt gibt, könnten Sprach- und Orientierungskurse für Geflüchtete bald stillstehen. Über 500 Firmen warnen nun vor den Folgen.

Sprache ist der Schlüssel für das Ankommen auf dem Arbeitsmarkt: Jobmesse für Geflüchtete im Ankunftszentrum Berlin-Tegel

Berlin taz | Rund 500 Unternehmen – vom international bekannten Möbelhaus bis zur schwäbischen Mittelstandsbrauerei – rufen die deutsche Politik auf, Integrationskurse für Geflüchtete und andere Zugewanderte weiter zu finanzieren. Die Mittel dafür könnten nächstes Jahr um die Hälfte gekürzt werden, weil es kein Haushaltsgesetz gibt, bis eine neue Bundesregierung im Amt ist. Das wäre mit „mit Blick auf die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit Deutschlands ein fatales Signal“, so die Unternehmen in ihrem Appell.

Der offene Brief an die Mitglieder der Bundesregierung sowie des Haushaltsausschusses liegt der taz vor. Darin heißt es weiter, die Kurse seien wichtig, um Mi­gran­t*in­nen für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Die Integrationskurse richten sich sowohl an Geflüchtete als auch an andere Zuwander*innen. Neben Orientierungswissen über die deutsche Gesellschaft werden dabei vor allem Sprachkenntnisse vermittelt.

Nach dem Ende der Ampelkoalition greift nun die vorläufige Haushaltsführung, die den finanziellen Status quo sichert. Basis dafür könnte ein Entwurf für den Haushalt 2025 werden, den die Ampel vorgelegt, aber nicht mehr beschlossen hatte. Darin war für die Integrationskurse und Berufssprachkurse nur noch 500 Millionen Euro vorgesehen, statt wie bisher 1,1 Milliarden. Im parlamentarischen Verfahren hätte sich die Summe noch einmal ändern können. Dazu kam es nun wegen des Endes der Koalition aber nicht.

Durch die Kürzungen drohe ein kompletter Stillstand der Kurse, warnen Trägerorganisationen wie etwa die Volkshochschulen. Diese Gefahr sehen auch die Unternehmen. In ihrem Appell heißt es, um den Wohlstand in „einer wirtschaftlich herausfordernden Zeit zu sichern, benötigen wir qualifizierte und integrierte Fach- und Arbeitskräfte“. Das sei auch wichtig, um der zunehmenden Alterung der deutschen Gesellschaft zu begegnen. „Jeder Mensch, der arbeiten möchte, wird gebraucht.“ Es sei auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt dringend nötig, dass Zugewanderte schnell Deutsch lernen. Das sei der „Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe, Akzeptanz und Zugang zum Arbeitsmarkt.“

Zu den Unternehmen, die unterzeichnet haben, gehört auch das Umweltlabor BVU Bioverfahrenstechnik und Umweltanalytik aus dem bayerischen Markt Rettenbach, das auf die Analyse von Boden, Abfall und Recyclingmaterialien spezialisiert ist. Sigrid Schindele leitet hier den Bereich Personal und Finanzen, das Unternehmen gehört ihr zusammen mit ihrem Mann und zwei ihrer Kinder. Neue Stellen zu besetzen, sei schwierig, sagt sie im Gespräch mit der taz: „Im Unterallgäu haben wir mit 2,3 Prozent die drittniedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland.“

Konkurrenz um rare Plätze in den Kursen

Es gebe „nicht nur einen Fachkräfte-, sondern einen ganz generellen Arbeitskräftemangel“. BVU versuche deshalb, sowohl gezielt Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, als auch Geflüchtete zu rekrutieren, die in dem Kreis untergebracht sind. Schindele schätzt, dass „gut die Hälfte“ ihrer rund 70 Mitarbeitenden nicht in Deutschland geboren ist.

Die Geflüchteten könnten zwar dank Übersetzern auch eingelernt werden, solange sie noch kein Deutsch sprechen, sagt Schindele. Das sei aber sehr aufwändig und dauere lange. Plätze in den Integrationskursen, die Abhilfe schaffen sollen, seien schon jetzt so knapp, dass Schindele zusammen mit anderen engagierten Bürgern und Bürgerinnen selbst Deutschkurse anbiete. „Wir wollen den Menschen, die bei uns Schutz suchen, zumindest die Basis geben, sich zu verständigen und ihren Alltag zu bewältigen.“ Unterricht bei qualifizierten Lehrkräften könne dies aber nicht ersetzen.

Schindele sagt deshalb: „Es braucht mehr Mittel, um diese Kurse auszuweiten und auch berufsspezifische Sprachförderung anzubieten.“ Nur so könne die Integration in den Arbeitsmarkt verbessert werden. Außerdem sei durch die knappen Plätze eine „unschöne Konkurrenz zwischen ukrainischen Geflüchteten und anderen Schutzsuchenden“ entstanden. „Mit der zusätzlichen Aufnahme ukrainischer Geflüchteter hätten dringend auch die Sprachlernangebote aufgestockt werden müssen.“

Mehr Wege auf den Arbeitsmarkt

Von ähnlichen Problemen wie BVU – allerdings in einer anderen Größenordnung – steht auch der deutsche Ableger des Möbelgiganten Ikea. Enita Ramaj, die dort in der Geschäftsführung sitzt, sagt der taz: „Als führendes Einzelhandelsunternehmen sind wir auf Einwanderung angewiesen, um den Herausforderungen des demografischen Wandels erfolgreich zu begegnen.“ Die Integrationskurse spielten dabei eine wichtige Rolle, es gehe um einen „guten und erfolgreichen Start ins Arbeitsleben“.

Ramaj fordert neben der fortgesetzten Finanzierung der Integrationskurse auch weitere Lockerungen bei den Regeln für Geflüchtete. So spricht sie sich etwa für das Ende aller Arbeitsverbote aus, denen Geflüchtete überwiegend in den ersten Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland unterliegen. Auch das von der Ampelkoalition beschlossene Chancenaufenthaltsrecht, das geduldeten Geflüchteten den Weg zu einer Aufenthaltserlaubnis ebnet, solle ausgeweitet werden, so Ramaj.

Verschiedene Statistiken zeigen, dass es in Deutschland einen gravierenden Mangel insbesondere an Fachkräften gibt. Das Institut der deutschen Wirtschaft ermittelte zuletzt eine Lücke von über 500.000 Stellen, die regelmäßig nicht besetzt werden können. Das 2023 von der Ampelkoalition beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz zeigt inzwischen zwar erste Effekte, das Problem lösen kann es allein aber wohl nicht.

Zwar lockerte die Ampel die Arbeitsverbote für Asyl­be­wer­be­r*in­nen leicht, gleichzeitig verschärfte sie aber die Regeln für Geflüchtete an anderen Stellen deutlich. Zuletzt drehte sich die öffentliche Debatte immer wieder um die vergleichsweise hohe Arbeitslosenquote unter geflüchteten Ukrai­ne­r*in­nen in Deutschland.

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13 Kommentare

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  • frechheit, als unternehmen die union+fdp forcieren, für schuldenbremsse sein, meist gegen ausländer, wenn sie sie aber ausbeuten können, + dazu sprechen die zu schlecht deutsch: dann raus mit dem bettelstab +-beutel. mistvieh.

  • Vorschlag, der schnell umzusetzen sein müsste, weil er nach Denkart vieler keinen Cent kostet:



    Unternehmen organisieren die Kurse selbst und dürfen die Kosten in voller Höhe von den Steuern absetzen.



    Das könnte auch dabei helfen, Lehrkräfte zu finden, weil die Unternehmen diese wohl kaum mit den Übungsleiterpauschalen abspeisen, mit denen andere Organisationen auskommen müssen.

    • @Herma Huhn:

      Ich kenne Firmen die ihren Mitarbeitern Sprachkurse angeboten haben. Die haben niemanden eingestellt und haben nur die üblichen Übungsleiterpauschalen gezahlt. Bei Sprachkursen mag das gehen aber nicht bei Integrationskursen. Die sind Aufgabe der Gesellschaft.

  • "Unternehmen fordern Geld für Integrationskurse"



    Wenn Unternehmen ausländische Arbeitskräfte haben wollen, dann sollten sie für deren Integration auch bezahlen.

  • Wer hatte das gedacht? Rechte Politik würgt die Wirtschaft ab. Gegen Arbeitslose bringt sie sich auch schon in Stellung. Rechte und Wirtschaftsradikale verbreiten nur dumme Ideologien aber haben keine Lösungen auf Tasche außer sinnfreien Rassismus, Sozilabbau und Elitenförderung. Sie sorgen permanent für Endzeitstimmung, greifen diese auf und verkaufen sie als Wählerauftrag. Merz hat sich in eine ideologische Ecke manövriert und arbeitet für Wählerstimmen der AfD zu.

  • "Unternehmen fordern Geld für Integrationskurse"

    Im ersten Moment habe ich diese Überschrift falsch verstanden. Ich wurde durch sie dazu angeregt darüber nachzudenken, ob es auch funktionieren könnte, wenn die Unternehmen geflüchteten Menschen (Halbtags-)Arbeitsplätze anbieten und die Geflüchteten die andere Hälfte des Tages in diesem Unternehmen bzw. in der Nähe des Unternehmens Sprach-/Integrationskurse durch vom Unternehmen beauftragte und bezahlte, zertifizierte Mitarbeiter bekommen und dafür Förderungen durch den Staat erhalten. Angelehnt an das System innerbetrieblicher Fortbildungen, nur statt beispielsweise Projektmanagement eben Sprache und Integration. In meiner Idealvorstellung kann die Integration leichter erfolgen, wenn geflüchtete Menschen gleich in ein Arbeitsumfeld eingebunden sind. Wenn es Unternehmen mit eigenen Kindergärten sind, ist das noch besser.

    • @*Sabine*:

      Sprachkurse machen manche Unternehmen schon lange. Nur müssen vorher schon Grundkenntnisse vorhanden sein. Die Integration durch Kurse zu fördern ist auch nicht Aufgabe der Wirtschaft sondern der Gesellschaft.

      • @Andreas J:

        Ich dachte nur, dass es vielleicht praktisch wäre, da die Unternehmen die geflüchteten Menschen ohnehin einstellen wollen und die Integration über einen Arbeitsplatz erleichtert werden könnte. Der Beitrag der "Gesellschaft" statt der "Wirtschaft" bestünde in den Fördermitteln an die Wirtschaft/Unternehmen, die aus Steuermitteln zur Verfügung gestellt werden.



        Vielleicht wird "Schule" dann auch noch ernster genommen, wenn sie mit dem Arbeitsplatz und somit den Gehaltszahlungen/Ausbildungsvergütung verknüpft ist und ggf. Boni für erfolgreiche Abschlüsse bezahlt werden. Das war nur so eine Idee von mir.

  • Ich habe vor rund zwei Jahrzehnten - damals in Niederbayern - etwas für mich (als typischer "Boomer") "seltsames" entdecken müssen: nämlich, dass sehr viele Frauen aus den ehemaligen Sowjet-Staaten und Anhängelns - im Gegensatz zu den denen mit "deutschen" Vorfahren - extrem gut gebildet waren, ihre Abschlüsse hier aber - wieder im Gegensatz zu denen mit angeblich deutschen Vorfahren - nicht anerkannt wurden. Ähnliches dann ein paar Jahre später in Nürnberg: Syrer, die zugelassene Rechtsanwälte in Syrien waren, hier dann einen Imbiss-Stand auf dem Hauptmarkt betrieben. Und sich sehr eindeutig äusserten über etliche ihre Landsleute...

    Fazit für mich: ein grosser Teil der "neuen Deutschen" sind eine Bereicherung für uns, aber wir sollten nicht nur "filtern", sondern auch die "neuen Deutschen" "belauschen", was sie uns über ihre "Kollegen" zu berichten wissen...

    • @Achim Schäfer:

      Das Fazit für mich ist, dass sie kein Problem haben, anderen Menschen, über die sie nichts wissen, zu diskreditieren und diskriminieren.

      Diese Menschen, von denen sehr viele im Gebiet der Ukraine lebten, wurden als Deutsche mit Beginn des deutschen Angriffskrieges deportiert. Sie wurden in Sibirien oder Kasachstan ausgesetzt, aus dem Zug in die Wildnis oder Steppe, standen bis Mitte der 50 Jahre unter direkter Kontrolle der örtlichen Kommandantur, ohne jegliche Infrastruktur.

      Dann erst "durften" sie sich im Osten ansiedeln, ohne Zugang zu Bildung oder beruflichem Aufstieg, der wurde erst in den 70 Jahren erlaubt.



      Und auch diese Abschlüsse werden nicht anerkannt, weil sie nicht deutschen Regeln entsprechen. Aber das kann man ja nur wissen, wenn man sich informiert.



      Das aber ist schwierig, wenn man schon man eine Meinung hat, die man als richtig, ansieht.

      An die taz. Sie würden diesen Kommentar nicht durchlassen, wenn er gegen eine andere Gruppe gerichtet wäre, was sagt das über Sie aus?







      Anm. der Red.: Da unter besagtem Kommentar eine Diskussion entstanden ist, werden wir ihn nicht entfernen.



       

    • @Achim Schäfer:

      Aber Herr Schäfer wer sind Sie denn eigentlich, dass Sie sich in der Position sehen wer für "uns" eine "Bereicherung" ist?



      Nun stelle ich mir einfach mal vor, ich sähe mich in der Position zu beurteilen, ob Sie eigentlich ein "Bereicherung" für "uns" sind.



      Denn schließlich sind Sie auch nur Kind von Zufallseltern an Zufallsgeburtsort und haben ohne eigene Leistung Staatsangehörigkeit und Pass erhalten.



      Alles also Stoff dafür, dass sich irgendjemand ermächtigt zu beurteilen, ob Sie eine "Bereicherung" sind. Um dann je nach Ergebnis weiter mit Ihnen zu verfahren. Dazu könnte man auch Ihre Nachbarn belauschen, was die über Sie zu sagen haben.

      Weshalb Sie also nicht über die fragwürdige Praxis sprechen, welche und ob und wie Bildungsabschlüsse anerkannt werden - was nicht in der Macht der Migrationen und Migranten liegt - ist mir ein Rätsel.

      Fragwürdig auch, dass der Artikel nicht kritisiert, Unternehmen fordern zwar bei jeder Gelegenheit "weniger Staat" "weniger Steuern" , dann aber -wie der Chauvinismus der Metropolengesellschaften auch - nicht da ankommen, dass ein Volkswirtschaft die ausgebildete Arbeitskräfte nutzen möchte, deren Ausbildung eben auch finanzieren muss...

      • @Elise Hampel:

        "Denn schließlich sind Sie auch nur Kind von Zufallseltern an Zufallsgeburtsort"

        Diese Argumentation lese ich öfter und sie ist Unsinn. Ein Mensch ist in allen Belangen das Ergebnis des Genmaterials seiner Vorfahren. Es ist nicht so dass die Essenz eines jeden potentiellen Menschen ("Seele") im Lager einer Gottheit herum liegt und dann beliebig auf die Körper von Neugeborenen verteilt wird.

        Die einzige Alternative zum eigenen Sein ist die Nichtexistenz. Daher ist alles Denken der Marke "Stell dir vor dass du andere Eltern hättest" faktisch irrelevant. Hätte ich andere Eltern, wäre ich nicht ich.

        Ihre sonstige Argumentation ist auch kurios:

        "eine Volkswirtschaft die ausgebildete Arbeitskräfte nutzen möchte, deren Ausbildung eben auch finanzieren muss." - Das hieße aber auch, dass Migranten kein Recht auf staatliche Leistungen hier hätten, weil diese ja vorher keinen solidarischen Anteil (Steuern etc.) erbracht haben. Ein Staat oder Volkswirtschaft fällt ja nicht von Himmel sondern ist Summe der Leistungen alle Akteure. Einrichtungen (z.B.Bildungssystem) eines anderen Staates zu nutzen wäre ihrer Logik nach chauvinistisch und parasitär.

    • @Achim Schäfer:

      Dies ist einer der Gründe für die Negativauslese die Deutschland - unbeabsichtigt nehme ich an - bei den Einwanderern vornimmt.

      Die hohen (oft nur formalen) Anforderungen, in Verbindung mit der deutschen Sprache machen das Land für gut ausgebildete Menschen nicht attraktiv, während der gut ausgebaute Sozialstaat es für geringqualifizierte sehr attraktiv macht.