Dreikampf um die SPD-Spitze: Schaulaufen für den Parteivorsitz
Die SPD Berlin verharrt im Dauerkrisenmodus. Beim ersten Triell um die künftige Doppelspitze beschäftigen sich die Kandidaten mit Grabenkämpfen.
Rund 300 Parteimitglieder verfolgten am Dienstagabend in der SPD-Bundeszentrale in Kreuzberg vor Ort, wie sich Hikel an Saleh abarbeitete. Es war das erste von drei Mitgliederforen der Landespartei, der Start des absehbar mit harten Bandagen geführten Schaulaufens für die künftige Doppelspitze der Hauptstadt-SPD. Ab Anfang April ist die Parteibasis gefragt. Zur Auswahl stehen drei Bewerber:innenduos, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Bereits Anfang Februar hatten Martin Hikel und die ehemalige Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini ihre gemeinsame Kandidatur bekannt gegeben, beide werden dem konservativen Parteiflügel zugerechnet. Es folgten vom linken Flügel Vize-Landeschef Kian Niroomand und die Vorsitzende der Berliner SPD-Frauen, Jana Bertels. Zuletzt präsentierten sich der amtierende Co-Landeschef und Machttaktiker Raed Saleh und die dezidiert linke Bezirksverordnete Luise Lehmann aus Marzahn-Hellersdorf als den Beginn „einer neuen Ära der Berliner Sozialdemokratie“.
Letzteres scheint mit Blick auf Saleh ein gewagtes Versprechen. Immerhin führt der Spandauer seit über einem Jahrzehnt die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und steht seit 2020 gemeinsam mit Franziska Giffey an der Spitze der Landespartei. Giffey hatte Anfang Januar erklärt, für den SPD-Vorsitz nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Saleh hingegen will es noch mal wissen.
Eine Partei kämpft gegen sich selbst
Am Dienstag zeigte sich Saleh dann auch kämpferisch – ohne inhaltlich im Detail auf die gegen ihn gerichteten Vorwürfe der Gegenduos zur allgemeinen Misere der Partei einzugehen. Stattdessen beschwor der Noch-Landeschef einmal mehr „die stolze Sozialdemokratie“ und „die Werte der Sozialdemokratie“. Was auch Saleh nicht abstritt: Die SPD steckt seit Langem in der Krise.
Nach den vergeigten Wahlen 2021 und 2023, der Zwischenkoalition mit Grünen und Linken unter der grünen- und linken-animosen Senatschefin Franziska Giffey und dem anschließend von ihr und Saleh vorangetriebenen Seitenwechsel zur CDU sind Teile der Partei vor allem mit einem beschäftigt: dem Kampf gegen andere Teile der Partei. Ein Zustand, der von allen Duos auch bitterlich beklagt wurde.
Dass es Parteiflügel gebe, sei in Ordnung, aber die Grabenkämpfe müssten jetzt ein Ende haben, hieß es unisono. Alle Kandidat:innen präsentierten sich folglich auch als fleißige Brückenbauer:innen für die Zukunft. Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini setzten gleichwohl auf eine eigene Interpretation des neuen Miteinanders: Ihr „konkretes Angebot, gemeinsam die Gräben der Partei zu überwinden“, richtete sich nur an Kian Niroomand und Jana Bertels und deren Anhänger:innen. Das alles andere als kleine Lager, das hinter der Kandidatur von Raed Saleh und Luise Lehmann steht, blieb unumworben.
Niroomand und Bertels gingen ihrerseits auf die Kuscheloffensive gar nicht erst ein. Kein Wunder, schließlich treibt vielen ihrer Unterstützer:innen allein die Aussicht auf Hikel und Böcker-Giannini als Parteivorsitzende den Puls hoch. Während Niroomand und Bertels von Grünen und Linken als „unseren natürlichen Koalitionspartnern“ sprachen, warnten Hikel und Böcker-Giannini vor der „fatalen Ausschließeritis“ der anderen. Beide haben schon zuvor kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie die SPD im Bündnis mit der CDU allzeit gut aufgehoben sehen.
Konservatives Duo mit innerparteilichem Krawallpotenzial
Vielleicht lag es nur an der späten Uhrzeit. Nach rund zweieinhalb Stunden drohte die bis dahin leidenschaftlich, aber für SPD-Verhältnisse gesittet geführte Debatte im Willy-Brandt-Haus nach Äußerungen von Hikel und Böcker-Giannini zum Thema Rassismus jedenfalls kurz aus dem Ruder zu laufen.
Hikel hatte erklärt, er halte die Fixierung auf den Kampf gegen antimuslimischen Rassismus für „fragwürdig“, es müsse ja die Frage erlaubt sein: „Sind Muslime eine Rasse?“ Hier schon wurde es lauter im Publikum. Als Böcker-Giannini dann noch assistierte, die Partei müsse es eben aushalten, „dass wir unterschiedliche Meinungen haben“, brüllte Alfonso Pantisano, der Queerbeauftragte des Senats, dem Duo entgegen: „Aber Rassismus ist keine Meinung.“ Im Nachgang sagten linke Genoss:innen zur taz, dass Pantisanos Auftritt zwar ein wenig peinlich gewesen sei. Zugleich zeigte der Wutausbruch das innerparteiliche Krawallpotenzial, das mit Hikel und Böcker-Giannini vorgezeichnet sein dürfte.
Dennoch könnte es sein, dass die beiden Vertrauten von Noch-Parteichefin Franziska Giffey am Ende das Rennen machen. Denn letztlich entscheiden die gut 18.000 Parteimitglieder – und die Basis gilt in weiten Teilen „als unbekanntes Wesen“, wie ein langjähriger Ortschef der taz sagte. Rund 40 Prozent der Mitglieder zahlten zwar brav Beiträge, tauchten in Parteiversammlungen aber nie auf. Ob die mehrheitlich links ticken – wie ein nicht unerheblicher Teil der Berliner Funktionäre – oder rechts, werde man spätestens am 18. Mai sehen, wenn die Stimmen eines erwarteten zweiten Wahlgangs ausgezählt werden.
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